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Pressemitteilung DGK

Höhere Infarktinzidenz in sozial benachteiligten Stadtteilen – Ergebnisse aus dem Bremer Herzinfarkt Register

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Dr. Susanne Seide et al., Bremen 

Einleitung: Der Einfluss des sozialen Hintergrundes auf die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen wurde in der Vergangenheit bereits dargelegt. Ebenso konnte gezeigt werden, dass ein niedriger sozioökonomischer Status des Einzelnen Einfluss auf sein individuelles Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse hat. Ob ein Zusammenhang zwischen dem sozialen Nachbarschaftsmilieu und der Inzidenz von akuten transmuralen Myokardinfarkten (STEMIs) besteht, ist jedoch unklar. Das Ziel unserer Studie war es daher, eine mögliche Assoziation zwischen der sozialen Stellung verschiedener Bremer Stadtteile und ihrer Infarktrate zu ermitteln. Darüber hinaus sollte untersucht werden, ob es Unterschiede im Risikoprofil, in der Infarktschwere, der Behandlung und Prognose von Patienten aus unterschiedlichen sozialen Milieus gibt.

Methodik: Aufgrund seiner Rolle als Alleinversorger für die invasive Therapie akuter Koronarsyndrome werden alle Patienten mit einem STEMI aus dem Grossraum Bremen mit einem Einzugsgebiet von mehr als 800.000 Einwohnern im Herzzentrum des Klinikum Links der Weser behandelt. In dem hier geführten Bremer Herzinfarktregister (BHIR) werden die Daten aller STEMI Patienten dokumentiert. Anhand der Postleitzahl ihres Wohnortes wurden Patienten aus dem Bremer Stadtgebiet aus den Jahren 2006 – 2011 vier sozialen Clustern zugeteilt, die mit Hilfe des Allgemeinen Bremer Benachteiligungsindexes (BI) und der Einkommensstatistik der Stadtteile klassifiziert wurden (Q1: hoch, Q2: intermediär hoch, Q3: intermediär niedrig, Q4 niedrig). In die Kalkulation des BI gehen Daten über Arbeitslosigkeit, Schul- und Ausbildung, Migrationsanteil, Kriminalitätsdichte, Wahlbeteiligungen sowie Geschlechts- und Alterverteilung der Bevölkerung ein.

Ergebnisse: Zwischen Januar 2006 und Dezember 2011 wurden insgesamt 2061 STEMI Patienten aus dem Stadtgebiet Bremen im Herzzentrum behandelt. Mit zunehmender sozialer Benachteiligung der Stadtteile konnte ein signifikanter Anstieg der Infarktinzidenz beobachtet werden. Dieser Effekt war nach Alters- und Geschlechtsadjustierung noch ausgeprägter (pro 100 000 Einwohner/Jahr): Q1 (n= 333) 47±5, Q2 (n= 461) 55±3, Q3 (n= 945) 62±4, Q4 (n= 322) 66±5 (p<0.01). Die Patienten aus sozial benachteiligten Stadtgebieten waren zum Infarktzeitpunkt deutlich jünger und wiesen eine signifikant höhere Rate an Rauchern und übergewichtigen Patienten (BMI>30kg/m²) auf. Unterschiede in der Geschlechtsverteilung, oder dem Anteil an Diabetikern und Hypertonikern zeigten sich zwischen den sozioökonomischen Gruppen nicht. Der Schweregrad der Herzinfarkte sowie die Behandlung im Krankenhaus waren im interquartilen Vergleich identisch (Tabelle 1). Während sich auch bei der intrahospitalen Mortalität keine Unterschiede zeigten, waren die Patienten aus den sozial schwachen Stadtteilen von einer signifikant höheren Einjahresmortalität betroffen (Abbildung 1).

Zusammenfassung: Die Inzidenz akuter Myokardinfarkte steigt mit sinkendem Sozialstatus der Bremer Stadtbezirke signifikant an. Herzinfarktpatienten aus sozial schwachen Regionen sind deutlich jünger, häufiger Raucher und übergewichtig. Obwohl es bezüglich der Infarkttherapie keine Unterschiede zwischen den sozialen Clustern gibt, haben Patienten aus sozial benachteiligten Stadtgebieten ein deutlich höheres Risiko, innerhalb eines Jahres nach Myokardinfarkt zu versterben. Diese Ergebnisse verdeutlichen die Wichtigkeit von Primär- und Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen, insbesondere in sozial benachteiligten Stadtteilen.

 

Tabelle 1:                                                             *alters- und geschlechtsadjustiert

 

STEMIs 2006-2011 (n)

Inzidenz

(pro 100.000 Einw/Jahr)*

Alter

(Jahre)

Raucher

(%)

BMI>30 kg/m²

(%)

Arterieller Hypertonus

(%)

Q1

333

47±5

67±12

36

17

62

Q2

461

55±3

63±14

48

21

58,4

Q3

945

62±4

64±13

49

23

63,5

Q4

322

66±5

62±13

51

26

59

p

< 0,01

0,03

< 0,01

0,02

0,2

Diabetes mellitus

(%)

Mehrgefäss-

Erkrankung

(%)

Akute Herzinsuffizienz

(%)

Door-to   balloon Zeit

(min.)

Primäre PTCA

(%)

Bypass-Operation

(%)

Q1

20,1

62

9,6

54.5

89.8

11,6

Q2

24,8

61

9,6

52.8

90.6

12,2

Q3

22,4

60

8,4

56.5

90.8

8,8

Q4

23,1

57

8,5

53.4

89.9

12,6

p

0,9

0,3

0,84

0.74

0.92

0,13

 

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