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Pressemitteilung DGK

Einfluss eines täglichen Schulsportunterrichts auf das kardiovaskuläre Risiko im Kindes- und Jugendalter – Ergebnisse nach fünf Jahren Teilnahme an der randomisierten, prospektiven Studie „Leipziger Gesundheitsprojekt Schule“

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Dr. Ulrike Maria Müller et al., Leipzig

Kinder und Jugendliche sind heutzutage weniger körperlich aktiv als ihre Altersgenossen eine Generation zuvor. Selbst bei gleicher Energiezufuhr wie damals würde ein Kalorienüberschuss mit konsekutiver Gewichtszunahme resultieren. Jedoch wurde in einigen Erhebungen zudem auf eine erhöhte Energieaufnahme in den letzten Jahren hingewiesen. Das ungünstige Verhältnis von Bewegungsabnahme und Energiezufuhr bewirkt eine steigende Prävalenz von kindlichem und jugendlichem Übergewicht bis hin zur Adipositas. Erste Veränderungen der Atherosklerose sind unter Umständen bereits im frühen Jugendalter nachweisbar. In Hinblick auf die Zukunft ist der Anstieg des Anteils übergewichtiger und adipöser Kinder insofern problematisch, weil „dicke“ Kinder meist auch „dicke“ Erwachsene werden und weil damit die mit Adipositas assoziierten Begleiterkrankungen wie Metabolisches Syndrom, Diabetes mellitus und arterielle Hypertonie ebenfalls zunehmen dürften. In vorangegangenen Auswertungen konnten wir kurz- und mittelfristige positive Effekte eines täglichen Schulsportunterrichts auf das kardiovaskuläre Risikoprofil von Gymnasialschülern der Sekundarstufe 1 nachweisen. In dieser Auswertung untersuchen wir nun erstmals die Langzeit-Effekte des täglichen Schulsportunterrichts.

Methodik: Die Daten wurden im Rahmen des „Leipziger Gesundheitsprojektes Schule“ erhoben. An verschiedenen Schulen in Leipzig und Umgebung wurden Parallelklassen der Klassenstufe 6 randomisiert in eine Schulklasse mit Intervention (Interventionsgruppe, IG) und eine Kontrollgruppe (KG). Die IG absolvierten von der 6. bis zur 10. Klasse täglich eine Stunde Schulsportunterricht mit einem Ausdaueranteil von mindestens 15 Minuten, während die KG die regulären zwei Schulsportstunden wöchentlich hatten. Als dritte Studiengruppe wurden Schüler eines Sportgymnasiums (SG) beobachtet, die im Rahmen des spezifischen Schulprofils als Leistungssportler aktiv waren. Vor der Randomisation und am Ende jedes Schuljahres wurden anthropometrische Daten sowie Kreislaufparameter erfasst und eine Laufband-Spiroergometrie durchgeführt. Der primäre Studienendpunkt war die körperliche Fitness der Kinder, gemessen als maximale Sauerstoffaufnahme (VO2peak) bei der Laufband-Spiroergometrie. Sekundäre Endpunkte waren body mass index (BMI), BMI-Perzentilen und BMI-Standard deviation score (BMI-SDS), die fettfreie Masse (FFM, ermittelt mit Bioimpedanzmessung) und die motorischen Fähigkeiten (MQ, gemessen im Koordinationstest für Kinder).

 Ergebnisse: Sieben Klassen (3 IG mit 49 Schülern, 3 KG mit 44 Schülern, 1 SG mit 5 Schülern mit Untersuchungen zu allen Messzeitpunkten) nahmen fünf Jahre lang am Studienprogramm teil. Zu Beginn bestand bei allen Parametern kein Unterschied zwischen IG und KG. Das Alter der Probanden lag zu Studienbeginn bei 10,7±0,4 Jahren und am Interventionsende bei 15,5±0,4 Jahren.

 Bei der Laufbandergometrie wurden die Schüler bis zur subjektiven Erschöpfung belastet. Bei Beendigung waren der respiratorische Quotient (RQ) und die maximale Herzfrequenz von IG und KG vergleichbar. Hinsichtlich des primären Endpunktes zeigte sich in den jährlichen Follow-Ups eine signifikant höhere VO2peak bei den Schülern der IG. Nach fünf Interventionsjahren betrug die mittlere Differenz zwischen IG und KG 5,0±2,0 ml/kg*min. Die Laufdauer war in der IG fast eine Minute länger als in der KG.

 Nach fünf Jahren waren der BMI, die BMI-Perzentilen und der BMI-SDS der Schüler der IG geringer als in der KG. Die IG wies weniger übergewichtige oder adipöse Schüler auf: In der IG waren neun Prozent der Schüler oberhalb der 85. Perzentile des alters- und geschlechtsadaptierten BMI, während in der KG 16 Prozent die 85. BMI-Perzentile überschritten. Die FFM zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen IG und KG.

 Die motorischen Fähigkeiten waren nach den ersten beiden Studienjahren in der IG signifikant besser als in der KG. Im 3. Interventionsjahr holten die Schüler der KG-Gruppe auf und in den Folgejahren war kein Unterschied im MQ mehr nachweisbar. Wie zu erwarten, wiesen die Schüler des Sportgymnasiums zu allen Messzeitpunkten die höchsten Werte für Fitness, FFM und MQ auf.

Schlussfolgerungen: Täglicher Schulsportunterricht in der Sekundarstufe 1 führt zu gesteigerter Fitness und geringerem BMI. Die vergleichsweise einfache Intervention kann somit bei der Prävention von Übergewicht und Adipositas im Kindesalter helfen. Daher empfehlen wir eine tägliche Schulsportstunde für alle Kinder und Jugendlichen zur möglichen Primärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen.