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Pressemitteilung DGK

Perkutane Mitralklappenrekonstruktion mit MitraClip – Vergleich zwischen organischer und funktioneller Mitralinsuffizienz

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Felix Meincke et al., Hamburg

Die Mitralinsuffizienz stellt noch vor der Aortenklappenstenose das häufigste erworbene Vitium in den westlichen Industrienationen dar. Die Inzidenz steigt mit dem Lebensalter, es ist daher in Anbetracht der demographischen Entwicklung mit einer deutlichen Zunahme der Fallzahlen in den nächsten Jahrzehnten zu rechnen.

Die Genese der Mitralinsuffizienz wird anhand anatomischer und funktioneller Kriterien nach Carpentier in verschiedene Formen eingeteilt. Für die klinische Praxis hat sich jedoch eine Einteilung in Vitien, bei denen eine primäre Pathologie der Mitralklappe, zum Beispiel ein Prolaps, vorliegt (organisch) und solche, bei denen es zum Beispiel durch eine Ringdilatation sekundär zu einer Insuffizienz infolge einer gestörten Koaptation (funktionell) kommt, bewährt.

 Bis vor kurzem war die chirurgische Therapie in Form einer Mitralklappenrekonstrukion oder eines Klappenersatzes die einzige Therapieoption. In den letzten Jahren wurden nun mehrere Verfahren zur katheterinterventionellen Behandlung der Mitralinsuffizienz entwickelt. Das einzige Verfahren, das heute den Sprung in die klinischen Routine gefunden hat, ist die MitraClip®-Implantation, bei der in Anlehnung an das chirurgische Rekonstruktionsverfahren nach Alfieri eine Reduktion des Insuffizienzjets durch eine Brücke zwischen posteriorem und anteriorem Mitralsegel erreicht wird.

 Die EVEREST-II-Studie zeigte, dass die Behandlung von Mitralinsuffizienzen mittels MitraClip® bei Patienten mit hohem Risiko für einen konventionellen chirurgischen Eingriff, diesem in Sicherheit und Effektivität nicht unterlegen ist. In einer Subgruppenanalyse deutete sich sogar an, dass Patienten mit funktioneller Genese, niedriger Ejektionsfraktion und hohem Alter besonders von einer interventionellen Therapie profitieren. Während in der EVEREST-II-Studie zum überwiegenden Teil Patienten mit organischer Mitralinsuffizienz behandelt wurden, überwiegt in unserem alltäglichen Patientenkollektiv die funktionelle Mitralinsuffizienz. Beiden Gruppen unterscheiden sich jedoch nicht nur im Hinblick auf prozedurale Details, vielmehr repräsentieren sie zwei völlig unterschiedliche Patientenkollektive, vor allem im Hinblick auf kardiale und nicht-kardiale Komorbiditäten. Daten zur Effektivität des MitraClip®-Verfahrens, die beiden Formen der Mitralinsuffizienz vergleichen, liegen nur unzureichend vor.

 Daher wurden alle Patienten, die sich in unserem Zentrum mit einer hochgradigen Mitralinsuffizienz vorstellten und ein erhöhtes operatives Risiko erwarten ließen, vorzugsweise einer interventionellen Therapie zugeführt und hinsichtlich des Outcomes verglichen. Seit August 2009 wurden insgesamt 182 Patienten mithilfe des MitraClip®-Systems in unserem Zentrum behandelt. Davon 48 Patienten mit organischer und 105 mit funktioneller Mitralinsuffizienz. Der Rest entfällt auf Mischformen und Patienten mit Rezidiven nach chirurgischer Versorgung. Klinische und echokardiographische Kontrollen fanden vor dem Eingriff sowie nach zwei, sechs, zwölf und 24 Monaten statt.

 In Bezug auf die Basisdaten zeigt sich für Patienten mit funktioneller Mitralinsuffizienz ein höherer euroSCORE (27,8% ±20,4 vs. 20,5% ±13,5) bei niedrigerer linksventrikulärer Ejektionsfraktion und entsprechend höheren NT-proBNP-Spiegeln vor der Intervention. Die Rekonstruktion der Mitralklappe war primär in beiden Gruppen bei über 90 Prozent der Patienten erfolgreich. Auch zeigte sich in beiden Gruppen eine deutliche Besserung der körperlichen Belastbarkeit über den Follow-up-Zeitraum. Bezogen auf die Durabilität der Mitralinsuffizienzreduktion fand sich in der Gruppe der organischen Mitralinsuffizienzen im Verlauf eine vergleichsweise höhere residuelle Mitralinusffizienz (2,1 ±0,6 vs. 1,8 ±0,7), bei diesen Patienten war auch häufiger eine spätere chirurgische Versorgung der Mitralklappe notwendig (9,5% vs. 6,3%). Dieses kann zum einen auf die häufig schwierigeren anatomischen/morphologischen Verhältnisse in dieser Gruppe zurückgeführt werden. Zum anderen wurde bei den Patienten der funktionellen Gruppe und erneuter höhergradiger Mitralinsuffizienz auf Grund des höheren operativen Risikos häufiger von einer chirurgischen Versorgung abgesehen.

 Die Patienten der funktionellen Gruppe wiesen im ersten Jahr nach der Intervention eine deutlich höhere Sterblichkeit auf. Es muss dabei jedoch berücksichtigt werden, dass diese Patienten im Durchschnitt mit deutlich mehr Risikofaktoren behaftet sind. Im Unterschied zum Kollektiv der EVEREST-II-Studie waren die meisten unserer Patienten keine Kandidaten für eine chirurgische Versorgung und wären ohne interventionelle Therapie konservativ geführt worden. Trotz der multiplen Komorbiditäten konnte auch in der funktionellen Gruppe eine zuverlässige Besserung der Symptome erreicht werden (NYHA-Stadium 3,2 ±0,5 vor Intervention vs. 2,1 ±0,7 nach Intervention). Die Wahrscheinlichkeit nicht von einer MitraClip®-Implantation zu profitieren und weiterhin unter ausgeprägter Belastungsdyspnoe zu leiden hing dabei nicht von der Genese der Mitralinsuffizienz ab.

Unter Berücksichtigung dieser Daten lässt sich schlussfolgern, dass eine interventionelle Versorgung mittels MitraClip® auch und gerade für Patienten mit funktioneller Genese eine effektive Behandlungsoption darstellt. Die primären Rekonstruktionsraten sind kaum von der Genese abhängig, die Unterschiede in der Sterblichkeit im mittelfristigen Verlauf sind am ehesten auf Faktoren wie Alter und Komorbiditäten zurückzuführen. Die Rekonstruktion ist jedoch bei organischer Genese technisch anspruchsvoller und bedarf häufiger einer späteren chirurgischen Versorgung.