Deutscher Herzbericht: Herzrhythmus-Störungen nehmen wegen steigender Lebenserwartung zu – Verdoppelung in den nächsten 50 Jahren erwartet
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Herzrhythmusstörungen gehören zu den häufigsten Herzerkrankungen. In den vergangenen Jahren war sowohl bei der Häufigkeit als auch der Sterblichkeit ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Gründe dafür sind die steigende Lebenserwartung und – paradoxerweise – auch die verbesserten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten.
Berlin/Düsseldorf, Mittwoch 25. Januar 2017 – Unter den vielfältigen Formen von Herzrhythmusstörungen ist das Vorhofflimmern die häufigste. In Deutschland sind rund ein Prozent der Bevölkerung von dieser gut behandelbaren supraventrikulären Rhythmus-störung betroffen, heißt es im heute in Berlin vorgestellten aktuellen „Deutschen Herzbericht 2016“. Neben medikamentösen Therapien gibt es die Option einer Katheterablation, mit der krankhafte elektrische Erregungsherde am Herzmuskelgewebe verödet werden. „Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten 50 Jahren mit einer Verdoppelung der Fälle von Vorhofflimmern konfrontiert sein werden“, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK), Prof. Dr. Hugo Katus (Universitätsklinikum Heidelberg).
Lebensqualität für Patienten mit Kammerflimmern verbessern
Bei Kammertachykardien kommen neben der medikamentösen Behandlung implantierbare Defibrillator-Systeme (Kardioverter/Defibrillator, ICD) zum Einsatz. Damit soll vor allem die Gefahr eines plötzlichen Herztodes gebannt werden, an dem in Deutschland jährlich schätzungsweise 200.000 Patienten sterben. „Auch wenn erste Studien Hinweise liefern, dass auch Patienten mit Kammerflimmern von einer Katheterablation profitieren können, ist unser Ziel noch nicht erreicht, die Lebensqualität dieser Patienten beispielsweise durch die Senkung von ICD-Schock-Auslösungen zu verbessern“, erklärt PD Dr. Christopher Piorkowski, Sprecher der DGK-Arbeitsgruppe 1 Rhythmologie und Leiter der Abteilung für Invasive Elektrophysiologie am Herzzentrum der Universitätsklinik Dresden. „Gerade in diesem Kollektiv finden sich Patienten mit einer schweren Grunderkrankung und häufigen Begleiterkrankungen.“
Häufigkeit und Sterblichkeit steigend
Insgesamt gehören Herzrhythmusstörungen nicht nur zu den häufigsten Herzkrankheiten, sie nehmen auch weiter zu. Wie der Herzbericht 2016 zeigt, ist sowohl bei der Erkrankungshäufigkeit als auch bei der Sterblichkeit ein Anstieg zu verzeichnen. Führten im Jahr 1995 noch 282 Fälle pro 100.000 Einwohner zu einer stationären Krankenhaus-aufnahme, waren Herzrhythmusstörungen 2015 bereits für 560 Fälle pro 100.000 Einwohner verantwortlich. Damit haben sich die Fallzahlen in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt.
Die Sterbeziffer hat sich im gleichen Zeitraum fast parallel dazu entwickelt. Verstarben 1994 noch 15,7 pro 100.000 Einwohner an einer Herzrhythmusstörung, lag der Wert 2014 bereits bei 31,7. Gegenüber 2013 ging die Sterblichkeit damit zwar erstmals zurück, im 20-Jahres-Vergleich bedeutet der Wert aber eine Steigerung um 101,9 Prozent.
Steigende Lebenserwartungen und Fortschritte in der Diagnostik für Anstieg verantwortlich
Für die Experten ist das erklärbar: „Mit zunehmenden Alter erhöht sich auch das Risiko von Herzrhythmuserkrankungen und anderen Herzleiden. Da wir seit Jahrzehnten eine steigende Lebenserwartung haben, ist es naheliegend, dass auch die Zahl der Herzrhythmusstörungen steigt“, so Prof. Dr. Thomas Deneke, stellvertretender Sprecher der DGK-Arbeitsgruppe 1 Rhythmologie, Herz- und Gefäß-Klinik Campus Bad Neustadt.
„Ein Teil des Anstieges bei der Häufigkeit von Herzrhythmusstörungen ist auf die deutlich verbesserte Diagnostik zurückzuführen. Gleichzeitig haben sich auch die medikamentösen, chirurgischen, interventionellen und invasiv-ablativen Behandlungsmöglichkeiten ver-bessert“, so Prof. Katus. „Wie wir aus vielen Bereichen der Medizin wissen, tragen solche Fortschritte auch dazu bei, dass bestimmten Krankheitsbildern mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, die früher mangels therapeutischer Möglichkeiten weniger wahr-genommen wurden. Der Anstieg bei den stationären Aufenthalten hat auch mit den zunehmenden Möglichkeiten der invasiven Therapien zu tun, die notwendigerweise stationär erfolgen müssen.“
Steigende Anzahl an Untersuchungen und invasiven Behandlungen
Nach einer Hochrechnung wurden, wie der neue Herzbericht zeigt, 2015 in Deutschland 66.168 elektrophysiologische Untersuchungen vorgenommen, um 13,35 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Zahl der Katheter-gestützten Ablationen lag mit 76.188 um 10,3 Prozent höher als im Jahr 2014.
407 Einrichtungen tragen zu dieser Leistungssteigerung bei den Ablationsbehandlungen bei. „Viele Ablationen werden in Institutionen erbracht, die weniger als 50 Prozeduren im Jahr durchführen“, so Prof. Katus. „Mit Blick auf die Diskussion über eine Mindestzahl von Eingriffen als Qualitätskriterium bereitet die DGK ein Positionspapier vor, in dem die strukturellen und personellen Voraussetzungen beschrieben werden, die für eine Zertifizierung durch die DGK als Ablationszentrum qualifizieren.“
Dass die Zahler Zuwächse bei der Häufigkeit von Interventionen auch skeptisch sehen, mag verständlich erscheinen – medizinisch gerechtfertigt ist der gelegentlich geäußerte Vorwurf einer Überversorgung aber keineswegs. „Gerade Ablationen werden mit hoher Indikationstreue durchgeführt, also nur dort, wo sie in Leitlinien und Empfehlungen vorgesehen und notwendig sind“, so Prof. Katus. „Bei Patienten mit Vorhofflimmern ohne strukturelle Herzerkrankung wurde nicht ohne Grund eine Klasse IA-Empfehlung für diese Behandlungsmethode ausgesprochen.“ Dazu kommt, dass neben den einfachen Rhythmusstörungen auch immer mehr komplexe Fälle mit Ablationen behandelt werden, diese in den Statistiken aber nicht eigens ausgewiesen werden.
Gute Qualität bei der Versorgung mit Herzschrittmachern und ICD
Leicht angestiegen ist die auch Zahl der neu implantierten Defibrillatoren, die der neuen Herzschrittmacher dagegen leicht gesunken. 2015 wurden in Deutschland 75.812 Herzschrittmacher und 30.023 ICD-Systeme implantiert. Obwohl Herzschrittmacher inzwischen durchschnittlich neun Jahre ohne Batteriewechsel auskommen und auch die deutlich mehr Energie verbrauchenden ICD-Geräte zunehmend an Lebensdauer gewinnen, waren weitere 28.815 Operationen für einen Aggregatwechsel nötig. 21.681 Mal waren Komplikations-bedingte Eingriffe nötig.
„Die Qualität der Versorgung mit kardialen Rhythmusimplantaten hat weiterhin ein hohes Niveau und kann sich mit Schweden und der Schweiz messen“, fasst Prof. Katus zusammen. „Dennoch weist die hohe Rate an Revisionsoperationen darauf hin, dass Verbesserungsmöglichkeiten im medizinischen und außermedizinischen Bereich vorhanden sind und realisiert werden sollten.“
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Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit heute mehr als 9.800 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter www.dgk.org.