Rhythmuskontrollierende Therapie auch bei asymptomatischem Vorhofflimmern?
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Statement Prof. Dr. Andreas Metzner, Hamburg, Präsident Deutsche Rhythmus Tage 2022
Wer an Vorhofflimmern erkrankt hat ein lebenslang erhöhtes Mortalitätsrisiko, ein höheres Risiko einen Schlaganfall zu erleiden sowie an Demenz oder einer Herzinsuffizienz zu erkranken. Dieses Risiko scheint mutmaßlich unabhängig davon zu sein, ob die Patient*innen Symptome des Vorhofflimmerns verspüren oder nicht.
Durch umfassendes Screening, das auch in den aktuellen kardiologischen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des Vorhofflimmerns empfohlen wird, und durch die entsprechenden Tools wie Smartwatches oder Smartphones entdecken wir häufiger und frühzeitig von Vorhofflimmern Betroffene, die keine Symptome aufweisen. Doch nicht nur durch vermehrtes Screening, sondern auch durch den demografischen Wandel der Bevölkerung wird diese Gruppe bedeutsam wachsen.
Die aktuellen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie des Vorhofflimmerns empfehlen für Patient*innen mit asymptomatischem Vorhofflimmern bisher eine frequenzkontrollierende Therapie und eine orale Antikoagulation. Eine rhythmuskontrollierende Therapie, die also darauf abzielt, den Sinusrhythmus zu erhalten, ist für dieses Patientenkollektiv bislang nicht Gegenstand der Leitlinien.
Als Ärztinnen und Ärzte fokussieren wir uns häufig mehr auf die physischen, nicht so sehr auf die psychischen Symptome der von Vorhofflimmern Betroffenen. Wir haben aber gelernt, dass Patient*innen ohne Symptome, die jedoch wissen, dass sie Vorhofflimmern haben, unter Angstzuständen und Depressionen leiden können und sich in ihrem täglichen Leben zum Teil bedeutend einschränken. Studien haben zudem gezeigt, dass bis zu 75 Prozent dieser Patient*innen dennoch bezüglich des Befindens profitieren, wenn wir durch eine Kardioversion den Sinusrhythmus wiederherstellen. Die Patient*innen sind im Anschluss häufig besser belastbar. Das bedeutet, dass das, was wir als asymptomatisch erachten, häufig keine komplette Symptomlosigkeit ist, sondern auf die angepasste Belastungssituation der Erkrankten zurückzuführen ist und lediglich den Eindruck eines asymptomatischen Menschen erweckt. Insofern kann Rhythmuskontrolle auch bei asymptomatischem Vorhofflimmern die Lebensqualität verbessern.
Zudem steht die Frage im Raum, ob diese Personengruppe von einer rhythmuskontrollierenden Therapie auch hinsichtlich der Prognose profitieren würde. Welches Risiko tragen die symptomlosen Patient*innen im Vergleich zu den symptomatischen? Die Daten aus großen Registern geben recht klare Antworten. In das sogenannte ORBIT-AF-Register wurden in den USA 9.000 Personen mit Vorhofflimmern eingeschlossen, 3.580 davon mit asymptomatischem Vorhofflimmern, also mit einem EHRA-Score gleich 1. Diese Gruppe war im Nachbeobachtungszeitraum in gleichem Maße von den harten Endpunkten der Studie, nämlich Tod, schweren Blutungen, Schlaganfällen, nicht zerebrovaskulären Embolien und anderen schwerwiegenden Nebenerkrankungen kardiovaskulärer Art, betroffen wie die Kohorte der symptomatischen Patient*innen. Vergleichbare Ergebnisse zeigen sich auch in einem zweiten Register, dem sogenannten GARFIELD-Register mit über 50.000 Teilnehmenden, von denen etwa ein Viertel asymptomatisch waren. Auch in diesem Register war die Wahrscheinlichkeit, eine schwerwiegende Komplikation zu entwickeln, bei symptomatischen oder asymptomatischen Patient*innen vergleichbar. Das bedeutet letztlich, dass auch die an asymptomatischem Vorhofflimmern erkrankten Menschen ein hohes Risiko für schwerwiegende Komplikationen tragen, welche im Rahmen eines Vorhofflimmerns auftreten können. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass im GARFIELD-Register beide Teilnehmergruppen gleichermaßen entsprechend ihres Risikos eine blutverdünnende Therapie erhielten und somit ausgeschlossen werden kann, dass die asymptomatischen Patient*innen in dieser Hinsicht schlechter behandelt wurden.
Die EAST-AFNET4-Studie hat gezeigt, dass die frühe rhythmuskontrollierende Therapie bei Menschen mit Vorhofflimmern und Risikofaktoren gegenüber der üblichen Behandlung einen signifikanten Prognosevorteil bringt. Im Fokus stand dabei ein kombinierter Endpunkt aus kardiovaskulärem Tod, Schlaganfall, Hospitalisierung wegen einer Herzinsuffizienz und eines akuten Koronarsyndroms. In einer Subanalyse wurden die Ergebnisse der EAST-Studie nochmals hinsichtlich Patient*innen mit symptomatischem und asymptomatischem Vorhofflimmern stratifiziert. Dabei zeigte sich, dass Betroffene mit asymptomatischem Vorhofflimmern und damit einem EHRA-Score gleich 1 genauso von einer frühen Rhythmuskontrolle bezüglich ihrer Prognose profitieren wie die Betroffenen mit Symptomatik. Wir sprechen hier über einen großen Teil unserer Vorhofflimmer-Patient*innen insgesamt, die aber bisher nicht primär einer rhythmuskontrollierenden Therapie zugeführt wurden.
Wenn denn die rhythmuskontrollierende Therapie auch für asymptomatische Patient*innen von Vorteil ist, wie sollte man sie idealerweise behandeln? Aus der oben zitierten EAST-AFNET4-Studie und deren Subanalysen wissen wir, dass es entscheidend für die Effektivität der Therapie zu sein scheint, die Patient*innen im Sinusrhythmus zu halten. Dass dies durch die Katheterablation deutlich besser zu erreichen ist als durch medikamentöse Therapien, wissen wir nicht erst seit Erscheinen der CABANA-Studie.
Die ATTEST-Studie, die im letzten Jahr publiziert wurde, hat außerdem deutlich gezeigt, dass Patient*innen, die mit einer Ablationsbehandlung und nicht mit Medikamenten therapiert wurden, ein geringeres Risiko haben, von einem paroxysmalen in ein persistierendes Vorhofflimmern überzugehen. Das ist insofern relevant, als dass wir das persistierende Vorhofflimmern in seiner Pathophysiologie weniger gut verstanden haben und es weniger gut therapieren können, weder medikamentös noch durch die Ablation. Dies wäre ein weiteres Argument für die frühe Ablation. Zudem zeigte beispielsweise eine Analyse der Rocket-AF-Studie von 2015, dass an persistierendem Vorhofflimmern Erkrankte gegenüber denen mit einem paroxysmalen Vorhofflimmern eine höhere Mortalität haben. Ein weiterer wichtiger Grund, bei asymptomatischen Patient*innen frühzeitig rhythmuserhaltend zu therapieren.