Herzinsuffizienz: Aktuelle Studien geben Antworten – und werfen neue Fragen auf
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Statement Prof. Dr. Christoph Stellbrink, Bielefeld, Tagungspräsident Kardiologie Aktuell
Trotz einer Zunahme von Erkrankungen verringerte sich die Sterblichkeitsrate von Patient*innen mit Herzinsuffizienz von 2011 bis 2021 um 40,2 %[1]. Dieser besonders hohe Rückgang der Mortalitätsrate wurde neben der besseren Umsetzung von Leitlinienempfehlungen auch durch die Fortschritte in den verschiedenen lebensverlängernden Therapien der Herzinsuffizienz verursacht. Neue Studien, die auf dem Europäischen Kardiologenkongress vorgestellt wurden, konnten dies bestätigen, haben aber auch neue Fragen aufgeworfen.
Hoffnungsschimmer für medikamentöse HFpEF-Therapie
Die DELIVER-Studie[2] zur Behandlung von Herzinsuffizienz mit erhaltener und leicht eingeschränkter Pumpfunktion (HFpEF bzw. HFmREF) mit dem SGLT2-Inhibitor Dapaglifozin konnte tatsächlich „liefern“. Nach dem Empaglifozin[3] konnte auch das Dapaglifozin bei diesem Patientenkollektiv den kombinierten Endpunkt aus kardiovaskulärer Mortalität und Krankenhaus-Aufnahmen wegen Herzinsuffizienz signifikant positiv beeinflussen. Allerdings konnte, wie schon beim Empaglifozin, eine Beeinflussung der Mortalität alleine (sekundärer Endpunkt) nicht gezeigt werden. Wichtig ist, dass der positive Effekt auch bei Patient*innen mit komplett normaler, systolischer Funktion nachweisbar war. Somit gehören die SGLT2-Inhibitoren nicht nur als eine der sog. „Fabulous Four“ neben Betablockern, RAAS-Hemmern und Aldosteronantagonisten zur Standardtherapie der systolischen Herzinsuffizienz, sondern stellen das bisher einzige Wirkprinzip dar, dass auch bei HFpEF zu einer signifikanten Senkung von Mortalität und Hospitalisierungsrate führt.
Nutzen von PCI-Intervention weiterhin umstritten
In der REVIVED-Studie[4] in Großbritannien wurden 700 Patient*innen mit eingeschränkter, linksventrikulärer Pumpfunktion, Mehrgefäßerkrankung und Hinweis für erhaltene Myokardvitalität auf eine optimale, medikamentöse Therapie und eine zusätzliche PCI randomisiert. Die in der Studie eingeschlossenen Patient*innen hatten trotz schwer eingeschränkter Pumpfunktion eine eher milde Herzinsuffizienz. So wurde ein Großteil der Patient*innen den NYHA-Klassen I-II zugeordnet, während nur ein Drittel in den zwei Jahren vor Studieneinschluss wegen Herzinsuffizienz im Krankenhaus behandelt werden mussten. Etwa 20% der Studienteilnehmer*innen waren bereits mit einem implantierbaren Defibrillator versorgt.
Die Ergebnisse waren ernüchternd. Weder der primäre Endpunkt, Tod oder Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz, noch die wesentlichen, sekundären Endpunkte, die linksventrikuläre Ejektionsfraktion und die Lebensqualität, waren nach im Mittel 41 Monaten durch die PCI signifikant verbessert. Eine initial nach 6 bzw. 12 Monaten bessere Lebensqualität in der PCI-Gruppe glich sich nach zwei Jahren wieder an. Allerdings wurde im Verlauf der Studie bei fast vier Mal so vielen Patient*innen in der medikamentös behandelten Gruppe dann doch eine Revaskularisation durchgeführt, in 90% davon mittels PCI.
Was soll man aus diesen Ergebnissen folgern?
- Die medikamentöse wie auch die zusätzliche Device-Therapie der Herzinsuffizienz ist besser geworden, dennoch ist die Sterblichkeit bei ischämischer Herzinsuffizienz mit ca. 20% nach drei Jahren weiterhin hoch.
- Ein prognostischer Nutzen der PCI bei ischämisch bedingter Herzinsuffizienz ist nicht gesichert. Allerdings bleibt weiterhin ein symptomatischer Nutzen der PCI bei vorhandener Angina pectoris-Symptomatik, vor allem, wenn ein objektiver Ischämienachweis beispielsweise durch FFR-Messung (s. FAME II-Studie) vorliegt.
Die REVIVED-Studie wird in der Highlights-Session der Herztage am 1.10.2022 von 8.00-9.30 Uhr (Saal Nairobi 1+2) diskutiert werden.
Literatur
- Deutscher Herzbericht 2021, Kapitel 5, S. 85 – 89.
https://www.herzstiftung.de/system/files/2022-09/DHB21-Herzbericht-2021.pdf - Solomon SD, McMurray JJV, Claggett B, et al (2022) Dapagliflozin in Heart Failure with Mildly Reduced or Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med 387:1089–1098. https://doi.org/10.1056/NEJMoa2206286
- Anker SD, Butler J, Filippatos G, et al (2021) Empagliflozin in Heart Failure with a Preserved Ejection Fraction. N Engl J Med 385:1451–1461. https://doi.org/10.1056/NEJMoa2107038
- Perera D, Clayton T, O’Kane PD, et al (2022) Percutaneous Revascularization for Ischemic Left Ventricular Dysfunction. N Engl J Med. https://doi.org/10.1056/NEJMoa2206606