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Genauigkeit automatischer Vorhofflimmerdetektion durch ein 1-Kanal EKG Gerät – Ein bevölkerungsweites Screening in Apotheken

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Dr. Matthias Zink und Prof. Dr. Nikolaus Marx, Uniklinik RWTH Aachen

In den letzten Jahren wurden verschiedene Technologien zur automatischen Erkennung von Vorhofflimmern entwickelt. Allerdings gibt es bislang keine wissenschaftlichen Daten zur Genauigkeit der eingesetzten 1-Kanal EKG Geräte in einem bevölkerungsweiten prospektiven Vorhofflimmer-Screening. Die verfügbare Evidenz der automatischen Vorhofflimmerdetektion in erhältlichen Geräten basiert zumeist auf retrospektiven, vorselektierten Patienten-Kohorten mit hoher Vorhofflimmerprävalenz(2). Hierdurch wurden Sensitivitätswerte von 90% und höher erzielt, die sich in prospektiven Untersuchungen nicht bestätigten ließen (3). Ziel dieser Untersuchung war es, die Genauigkeit der automatisierten Vorhofflimmerdetektion eines tragbaren 1-Kanal EKG-Geräts in einem großen bevölkerungsweiten prospektiven Screening zu bestimmen.

Das Screening in Apotheken

In 90 teilnehmenden Apotheken wurde über einen Zeitraum von vier Wochen jede Person mit einem Alter von mindestens 65 Jahren zu einer Messung eingeladen. Wir verwendeten ein kommerziell verfügbares CE-zertifiziertes 1-Kanal EKG Gerät (MyDiagnostick, Applied Biomedical Systems BV, Maastricht, Niederlande). Das EKG-Gerät ist ein 30 cm langer Stab mit Elektroden an beiden Enden die eine EKG Aufzeichnung entsprechend Ableitung I im 12-Kanal EKG ermöglichen. Nach einer einminütigen Aufzeichnung erfolgt eine automatische Analyse durch das EKG Gerät hinsichtlich Vorhofflimmerns. Das Ergebnis der automatischen Analyse wird unmittelbar per Lichtsignal (rot – Vorhofflimmern, grün – unauffälliges EKG) an dem EKG Gerät angezeigt. Basierend auf der automatischen EKG Analyse wurden die Teilnehmer einem Vorhofflimmer- und einem nicht Vorhofflimmerarm zugewiesen und über einen Zeitraum von 1 Jahr nachverfolgt. Zur Analyse des Herzrhythmus wurde ein mehrstufiger Validierungsprozess des aufgezeichneten ungefilterten 1-Kanal EKGs (Abbildung 1) durch Herzrhythmus-Experten durchgeführt. Jedes aufgezeichnete EKG wurde verblindet von mindestens zwei, bei automatisch erkanntem Vorhofflimmern von mindestens drei unabhängigen, Prüfern analysiert. Im Falle eines Widerspruchs unter den Experten oder zu dem automatischen Ergebnis des EKG Geräts erfolgten weitere EKG Analysen. Bei strittigen Befunden erfolgte die finale Diagnose durch ein Herzrhythmuskonsortium, bestehend aus mindestens drei Kardiologen.

7209 EKGs analysiert

Insgesamt wurden 7209 EKGs analysiert. Das Durchschnittsalter betrug 74 ±6 Jahre, 42 % (N=3049) der Teilnehmer waren männlich, der durchschnittliche CHA2DS2-VASc Wert lag bei
3.3 ± 1.4. Insgesamt identifizierten die EKG-Experten 5,3 % (N=383) Patienten mit Vorhofflimmern. Der EKG-Stick diagnostizierte 79 % (N=304) der Vorhofflimmerpatienten korrekt. In 21 % (N=79/383) war das Ergebnis falsch-negativ und in 1 % (N=72/7209) falsch-positiv. In weiteren 1 % (N=81/7209) waren Einzel-EKG-Aufnahmen von Experten nicht interpretierbar, obwohl die automatisierte Analyse ein Ergebnis lieferte (automatische Analyse bei nicht interpretierbaren 1-Kanal EKG: Sinus Rhythmus N=27, Vorhofflimmern N=54). Unter Verwendung der Experten-Diagnosen als Referenz zeigte die automatisierte EKG-Stick-Analyse eine gute Vorhersage von Vorhofflimmern in der Receiver operating statistic mit einer area under the curve von 0.89 bei einer Sensitivität von 79%, einer Spezifität von 99% und einem akzeptablem Interklassen-Korrelationskoeffizienten von 0.75, 95 %CI (0.74; 0.76).

Vielversprechender Ansatz, jedoch hohe Rate von falsch-negativen Interpretationen

Basierend auf unseren Daten sehen wir einen vielversprechenden Ansatz zur technischen Implementierung von 1-Kanal EKG-Geräten für das automatisierte bevölkerungsweite Vorhofflimmern-Screening. Allerdings ist die Rate an falsch-negativen und nicht interpretierbaren Aufzeichnungen bedenklich. Eine automatische EKG-Interpretation sollte nur bei guter Signalqualität erfolgen, andernfalls ist die Messung zu wiederholen. Eine Vorhofflimmerdiagnose und -Therapie durch Ärzte sollte nur durch Sichtung eines aufgezeichneten EKGs in guter Signalqualität erfolgen.

 

Literatur

  1. Force USPST, Curry SJ, Krist AH, Owens DK, Barry MJ, Caughey AB, et al. Screening for Atrial Fibrillation With Electrocardiography: US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. JAMA. 2018;320(5):478-84.
  2. Tieleman RG, Plantinga Y, Rinkes D, Bartels GL, Posma JL, Cator R, et al. Validation and clinical use of a novel diagnostic device for screening of atrial fibrillation. Europace. 2014;16(9):1291-5.
  3. Chan NY, Choy CC. Screening for atrial fibrillation in 13 122 Hong Kong citizens with smartphone electrocardiogram. Heart. 2017;103(1):24-31.
  4. Calkins H, Hindricks G, Cappato R, Kim YH, Saad EB, Aguinaga L, et al. 2017 HRS/EHRA/ECAS/APHRS/SOLAECE expert consensus statement on catheter and surgical ablation of atrial fibrillation. Europace. 2018;20(1):e1-e160.
  5. Kirchhof P, Benussi S, Kotecha D, Ahlsson A, Atar D, Casadei B, et al. 2016 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS. Eur Heart J. 2016;37(38):2893-962.