Komplikative Schwangerschaften und kardiovaskuläres Risikoprofil im späteren Leben
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Elisabeth Unger und Prof. Dr. Birgit-Christiane Zyriax, Hamburg
Hintergrund
Kardiovaskuläre Erkrankungen stellen weiterhin die führende Todesursache für Frauen dar und insbesondere bei jüngeren Frauen zeigt sich eine relevante Zunahme von Herzinfarkten sowie Diabetes mellitus und arterieller Hypertonie in den letzten vier Dekaden. Für eine optimierte präventive Strategie ist insbesondere in dieser Gruppe eine individuelle kardiovaskuläre Risikostratifizierung essenziell. In der klinischen Praxis erfolgen Erkennen und die Einordnung von geschlechtsspezifischen Risikofaktoren sowie die Etablierung resultierender individualisierter präventiver Strategien auch aufgrund der unzureichenden Datenlage bisher nur in einem eingeschränkten Rahmen.
Die Fachliteratur beschreibt Hinweise auf relevant erhöhtes, geschlechtsspezifisches kardiovaskuläres Risiko im späteren Leben nach komplikativen Schwangerschaften, was sich sowohl auf maternale Komplikationen wie schwangerschaftsassoziierte Hypertonie und Diabetes sowie übermäßige Gewichtszunahme in der Schwangerschaft und fetale Komplikationen der jeweiligen Schwangerschaften wie Frühgeburtlichkeit oder ein erhöhtes Geburtsgewicht bezieht. Insbesondere Auftreten von schwangerschaftsassoziierter Hypertonie und Diabetes gehen mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko im späteren Leben einher, jedoch sind unter anderem die konkreten Pathomechanismen der Veränderungen des Herz-Kreislauf-Systems sowie das optimale Zeitfenster für therapeutische Interventionen derzeit noch unzureichend untersucht.
Ziel
Im Rahmen der Hamburg City Health Studie (HCHS), einer longitudinalen, monozentrischen, prospektiven Beobachtungsstudie, werden insgesamt 45.000 Hamburgerinnen und Hamburger zwischen 45 und 74 Jahren untersucht, um Erkrankungen künftig besser verstehen und vorbeugen zu können. Grundlage dafür bietet eine Biomaterial-, Bild- und Datenbank. Ziel der Studie ist es zu charakterisieren, welche Rolle Einflussfaktoren wie Genetik, Vorerkrankungen, Lebensstil oder Umwelteinflüsse bei der Entwicklung von Volkserkrankungen in einer lokalen Kohorte spielen und wie man aufgrund dieser Erkenntnisse die Medizin von morgen besser gestalten kann – mit einem starken Fokus auf Prävention und Individualisierung. In der vorliegenden Sub-Kohorte analysierten wir die möglichen Einflüsse von schwangerschaftsassoziierten maternalen und fetalen Komplikationen, ihren Einfluss auf das kardiovaskuläre Risikoprofil sowie möglich kardiovaskuläre Ereignisse und die Implikationen für eine optimale individualisierte Präventions- und Behandlungsstrategie.
Methoden
Wir untersuchten Daten von mehr als 1.970 Frauen mit positiver Schwangerschaftsanamnese entsprechend den Angaben der Probandinnen sowie der erfolgten laborchemischen und apparativen Diagnostik. Wir untersuchten Korrelationen zwischen maternale Komplikationen wie schwangerschaftsassoziierte Hypertonie und Diabetes sowie übermäßige Gewichtszunahme in der Schwangerschaft und fetalen Komplikationen der jeweiligen Schwangerschaften wie Frühgeburtlichkeit oder ein erhöhtes Geburtsgewicht mit dem Auftreten von arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II, Dyslipidämie und erhöhtem BMI im späteren Leben. Zur Charakterisierung möglicher Assoziationen führten wir Wilcoxon- sowie Pearsons Chi2-Tests durch, es erfolgen weiterhin logistische Regressionsanalysen (Signifikanzniveau p= 0,05) zur Evaluation kardiovaskulärer Ereignisse wie Myokardinfarkte, Schlaganfälle, Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern in dieser Kohorte.
Ergebnisse
In der untersuchten Kohorte von 1.970 Frauen, welche Angaben zu stattgehabten Schwangerschaften gemacht hatten, lag das Alter im Median bei 63 Jahren. 8,7% gaben an, im Rahmen einer Schwangerschaft die Diagnose einer hypertensiven Schwangerschaftserkrankung diagnostiziert worden zu sein. 18% der untersuchten Frauen berichteten eine exzessive Gewichtszunahme im Rahmen der Schwangerschaft (>20kg), 2,4% hatten einen schwangerschaftsassoziierten Diabetes mellitus. 10% der untersuchten Frauen gaben an, Neugeborene mit einem Geburtsgewicht von <2,5kg geboren zu haben, 14% berichteten, hypertrophe Neugeborene mit eine Geburtsgewicht von >4kg geboren zu haben. Zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses berichteten 19% von einer diagnostizierten Dyslipidämie, 19% waren Raucherinnen. Eine diagnostizierte arterielle Hypertonie lag in 59% der Fälle vor, 1/3 der untersuchten Frauen hatten ein metabolisches Syndrom.
In den vorläufigen Analysen sahen wir positive Korrelationen zwischen stattgehabten hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen und der Entwicklung einer arteriellen Hypertonie im späteren Leben, ebenso zwischen Schwangerschaftsdiabetes und der Entwicklung eines späteren Diabetes mellitus Typ II. Eine übermäßige Gewichtszunahme im Rahmen der Schwangerschaft korrelierten ebenfalls mit höheren BMI sowie einem relevanten Nikotinkonsum im späteren Leben, nicht jedoch mit einer diagnostizierten Dyslipidämie. Die Geburt eines Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von >4kg zeigte ebenfalls eine Korrelation mit einem später erhöhten BMI. Weitere Analysen zur Charakterisierung möglicher Assoziationen sowie die Analyse möglicher Prädiktoren für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkte, Schlaganfälle, Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern in dieser Kohorte sind derzeit in finaler Bearbeitung und werden auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Mannheim im April 2023 präsentiert.
Schlussfolgerung/Fazit
Auf Grundlage der vorliegenden Daten aus einer großen longitudinalen, monozentrischen, prospektiven Kohortenstudie konnten wir zeigen, dass schwangerschaftsassoziierte Manifestationen kardiovaskulärer Risikofaktoren zu einem erhöhten Risikoprofil im späteren Leben führen. Weitere Analysen bezüglich Prädiktoren kardiovaskulärer Ereignisse sind derzeit in Bearbeitung. Um eine effektive, frühzeitige Detektion von kardiovaskulären Veränderungen nach komplikativen Schwangerschaften zu erreichen, ist eine bessere Vernetzung von gynäkologisch-geburtshilflicher und internistisch-kardiologischer Betreuung für eine optimale Frauengesundheit essentiell.
Referenzen
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Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 12.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org