Geschlechtsspezifisches Outcome von Patient:innen unter extrakorporaler kardiopulmonaler Reanimation
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Dr. Adrian Springer und Dr. Eike Tigges, Hamburg
Hintergrund
Der Einsatz der venoarteriellen extrakorporalen Membranoxygenierung (VA-ECMO) im Rahmen einer extrakorporalen kardiopulmonalen Reanimation (eCPR) hat sich als Option für ausgewählte Patient:innen im therapierefraktärem Herz-Kreislaufstillstand etabliert. Zuletzt konnte in zwei randomisiert-kontrollierten Studien eine Überlegenheit dieses Verfahrens gegenüber der konventionellen kardiopulmonalen Reanimation (CPR) gezeigt werden. In Anbetracht der nun zunehmenden Verfügbarkeit dieses Verfahrens ist eine dezidierte Auseinandersetzung mit den Selektionskriterien und Outcome-relevanten Patientencharakteristika von wachsender Bedeutung.
Ziel
Identifikation prognostisch relevanter demographischer Patient:innencharakteristika bezüglich eines neurologisch günstigen Outcomes bei eCPR nach inner- oder außerklinischem Herzkreislaufstillstand und Analyse geschlechtsspezifischer Unterschiede.
Methoden
Wir führten eine retrospektive Analyse anhand der Daten von 330 konsekutiven Patient:innen durch, die in unserem Cardiac-Arrest-Zentrum von 2016 bis 2022 im Rahmen eines therapierefraktären inner- oder außerklinischem Herzkreislaufstillstandes mittels VA-ECMO im Sinne einer eCPR behandelt wurden. Als Outcome Parameter definierten wir das Überleben des primären stationären Aufenthaltes mit gutem neurologischem Status, definiert als Cerebral-Performance-Category (CPC) –Score ≤2. Die statistische Analyse umfasste eine Baseline-Charakterisierung, eine univariable und multivariable Analyse, sowie ein Überlebensmodell. Weiterhin wurde eine geschlechterspezifische Subgruppenanalyse durchgeführt.
Ergebnisse
Von den 330 untersuchten Patient:innen waren 69 (21%) weiblichen Geschlechts. Das weibliche Kollektiv wies im Subgruppenvergleich, eine geringere Prävalenz vorbestehender koronarer Herzerkrankung (48% vs. 75%, p<0.001) und Kardiomyopathie (17% vs. 34%, p=0.01) auf. In Bezug auf das durchschnittliche Patientenalter und die Prävalenz der klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren (Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Fumatorium) waren keine relevanten geschlechterspezifischen Unterschiede festzustellen. Signifikante Unterschiede zwischen den geschlechterspezifischen Gruppen zeigten sich bei der ursächlichen Pathologie des Herzkreislaufstillstandes, wobei weibliche Patient:innen im Vergleich mit dem männlichen Kollektiv eine geringere Prävalenz des akuten koronaren Ereignisses, bei höherer Prävalenz der Lungenarterienembolie aufwiesen (weibliches Kollektiv: koronares Ereignis 45%, Lungenarterienembolie 23%, nicht-infarktbedingter kardiogener Schock 17%; männliches Kollektiv: koronares Ereignis 70%, primäres Rhythmusereignis 10%, nicht-infarktbedingter kardiogener Schock 10%; p=0.001). Im weiblichen Kollektiv stellten wir weiterhin eine signifikant höhere Prävalenz des beobachteten Kollapsereignis (97% vs. 86%; p=0.016) und der Durchführung von Reanimationsmaßnahmen durch Umstehende (94% vs. 85%; p=0.065) fest. Die Zeitspanne zwischen Kollapsereignis und Etablierung der eCPR Maßnahmen (VA-ECMO-Implantation) unterschied sich zwischen den geschlechterspezifischen Gruppen nicht (77±39 min vs. 80±37 min; p=0.61). Insgesamt war ein Überleben mit gutem neurologischem Ergebnis bei weibliche Patient:innen signifikant häufiger (23% vs. 12%; p=0.027), obwohl in diesem Kollektiv relevant häufiger interventions- oder therapieassoziierte Blutungen auftraten (33% vs. 16%, p=0.002). Die bivariable Analyse konnte einen geschlechterspezifisch unterschiedlichen Einfluss des Body-Mass-Index (BMI) auf das neurologisch günstige Überleben nachweisen, wobei das weibliche Kollektiv eine relevante Risikosteigerung sowohl bei niedrigem als auch bei hohem BMI aufwies und im männlichen Kollektiv diese Risikosteigerung nur bei hohen BMI Werten festzustellen war (Abbildung 1).
Die multivariable Analyse konnte, geschlechtsunabhängig, eine Assoziation von kürzerer Reanimationsdauer (p=0.001) und der Durchführung von Reanimationsmaßnahmen durch Umstehende (p=0.03) mit einem verbesserten neurologischen Outcome darstellen.
Schlussfolgerung/Fazit
Unsere Analysen suggerieren einen relevanten Überlebensvorteil für weibliche Patient:innen im Kontext der eCPR, wobei dieser Überlebensvorteil am ehesten auf die höhere Prävalenz von beobachtetem Kollapsereignis und der Durchführung von Reanimationsmaßnahmen von Umstehenden zurückzuführen ist. Die multivariable Analyse konnte die, im klinischen Alltag bereits implementierten, Risikofaktoren für einen ungünstigen Verlauf bestätigen. Die Unterschiede im Einfluss des BMI auf das Gesamtüberleben mit neurologisch günstiger Prognose könnten auf den anatomischen Unterschieden zwischen männlichen und weiblichen Patient:innen (z. B. geringerer Gefäßdurchmesser) beruhen. Dies könnte auch einen Erklärungsansatz für die, im weiblichen Kollektiv höhere Rate an interventions- und therapieassoziierten Blutungskomplikationen liefern.
Zusammenfassend war das weibliche Geschlecht in unserer Analyse, trotz höherer Rate an Blutungskomplikationen, mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für ein neurologisch günstiges Outcome assoziiert. Geschlechtsspezifische anatomische Unterschiede und ihre Konsequenzen für die VA-ECMO Therapie könnten hier eine Rolle spielen und sollten in der Zukunft dezidiert untersucht werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 12.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen, die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org