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Kognitive Beeinträchtigungen wirken sich negativ auf die Selbstwirksamkeit von Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz aus: Ergebnisse aus der Cognition.Matters-HF-Studie

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Stephanie Wissel und Prof. Dr. Stefan Störk, Würzburg 

Hintergrund
Kognitive Beeinträchtigungen sind bei Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz (HF) weit verbreitet. Auswertungen der Beobachtungsstudie „Cognition.Matters-HF“ konnten belegen, dass Patient*innen mit einer Herzschwäche häufig Gedächtnisstörungen und Aufmerksamkeitsdefizite aufweisen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es jedoch nur begrenzte Evidenz für einen Zusammenhang zwischen Kognition und Lebensqualität bei Herzinsuffizienz. Unser Ziel war es zu untersuchen, ob kognitive Defizite mit der Lebensqualität assoziiert sind. 

Methoden
Als Studienpopulation wurden Partizipanten der prospektiven Kohortenstudie Cognition.Matters-HF herangezogen. Ein- und Ausschlusskriterien der Cognition.Matters-HF Studie war eine unabhängig von Schweregrad oder Ätiologie seit mindestens einem Jahr, aber nicht länger als 15 Jahren bestehende Herzinsuffizienz. Patient*innen mit einer Erstdiagnose oder einer akuten kardialen Dekompensation konnten nicht an der Studie teilnehmen. Weitere Ausschlusskriterien waren ein in der Vorgeschichte aufgetretener Schlaganfall, eine mehr als >50%ige Stenose der A. carotis, eine psychiatrische Erkrankung (inklusive Depression und Demenz) und ein Herzschrittmacher oder implantierter Kardioverter-Defibrillator. Alle Studienteilnehmer*innen wurden innerhalb von 2 Tagen durch kardiologische, neurologische und neuropsychologische Tests und einer Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns eingehend untersucht.
Die Lebensqualität der Teilnehmer*innen wurde über die beiden Selbstbeurteilungsfragebögen, Short Form-36 (SF-36) und Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire (KCCQ), erfasst. Der SF-36 ist ein international anerkanntes, generisches Messinstrument der subjektiven Lebensqualität und gilt als das am häufigste verwendete Patient-Reported Outcome-Instrument in klinischen Studien [1-5]. Der KCCQ ist ein krankheitsspezifisches Messinstrument zur Erfassung der Lebensqualität bei Patienten mit Herzinsuffizienz.
Der KCCQ Fragebogen besteht aus 23 Items, die 6 Domänen zugeordnet werden können: Physische Einschränkung, Soziale Einschränkung, Lebensqualität, Selbstwirksamkeit, Symptomstabilität und Symptome (Häufigkeit und Schwere). Diese Domänen können zu zwei Summenskalen, die die physische und die psychische Gesundheit abdecken, zusammengefasst werden. Die erreichbaren Punktwerte liegen zwischen 0 bis 100 Punkten, wobei höhere Werte eine höhere Lebensqualität anzeigen.
Der Schweregrad der kognitiven Defizite wurde anhand der Ergebnisse einer neurokognitiven Testbatterie nach den betroffenen Bereichen (Domänen) kategorisiert: 0 Domänen („kein kognitives Defizit“, n=46 [31 %]), 1-2 Domänen („leichtes kognitives Defizit“, n=77 [52 %]) und >2 Domänen („schweres kognitives Defizit“, n=24 [16 %]). Multivariable Varianzanalyse und Regressionsmodellierung wurden angewandt, um Zusammenhänge zwischen kognitiver Beeinträchtigung und Lebensqualität zu modellieren.

Ergebnisse
Es wurden 148 Patienten mit chronischer, stabiler Herzinsuffizienz (mittlere linksventrikuläre Ejektionsfraktion 43±8%) in die Analyse eingeschlossen (23 weibliche und 125 männliche Teilnehmer). Das durchschnittliche Alter lag bei 64 Jahren. Mit Ausnahme der Selbstwirksamkeit und der Physischen Einschränkung des KCCQ waren die kognitiven Beeinträchtigungen mit keinen weiteren Summen- oder Subskalen der Lebensqualitätstests assoziiert. Nur die Domäne der Selbstwirksamkeit wies eine konsistente Assoziation mit allen drei möglichen Schweregraden der kognitiven Beeinträchtigung auf.

Die Selbstwirksamkeit repräsentiert die Fähigkeit der Patient*innen, für sich selbst zu sorgen; sie quantifiziert das Verständnis der Patient*innen, wie eine Exazerbation der Herzinsuffizienz verhindert und auftretende Komplikationen behandelt werden können. Die Selbstwirksamkeit stand in einem negativen Zusammenhang mit der kognitiven Beeinträchtigung (Beta=-.242; p=.004) und wurde mit Zunahme des kognitiven Defizits um eine Kategorie um 15 % niedriger bewertet (B=-.148). Der Zusammenhang zwischen Selbstwirksamkeit und kognitiver Beeinträchtigung blieb auch nach Anpassung für Dauer und Schweregrad der HF, Alter und Geschlecht signifikant bestehen (p<0,001). 

Schlussfolgerungen
Mit Ausnahme der Selbstwirksamkeit des KCCQ war der Schweregrad der kognitiven Beeinträchtigung nicht mit Einschränkungen in der Lebensqualität bei Patient*innen mit chronischer Herzinsuffizienz verbunden. Die Selbstwirksamkeitsskala stellt ein vielversprechendes Instrument dar, um Personen zu identifizieren, die nicht in der Lage sind, sich an ein empfohlenes, leitliniengerechtes Behandlungsschema für Herzinsuffizienz zu halten. Diese Patient*innen könnten von einer verbesserten Versorgung, z. B. im Rahmen eines von einer speziell geschulten Herzinsuffizienz-Schwester geleiteten Versorgungsprogramms, profitieren [6-9]. 

Literatur

  1. Sneed, N.V., et al., Evaluation of 3 quality of life measurement tools in patients with chronic heart failure. Heart Lung, 2001. 30(5): p. 332-40.
  2. Bennet, S.J., et al., Discriminant properties of commonly used quality of life measures in heart failure. Qual Life Res, 2002. 11(4): p. 349-59.
  3. Berry, C. and J. McMurray, A review of quality-of-life evaluations in patients with congestive heart failure. Pharmacoeconomics, 1999. 16(3): p. 247-71.
  4. Cella, D., et al., The Patient-Reported Outcomes Measurement Information System (PROMIS) developed and tested its first wave of adult self-reported health outcome item banks: 2005-2008. J Clin Epidemiol, 2010. 63(11): p. 1179-94.
  5. Schreckenberger, Y. SF-36 (Short Form 36). [cited 2021 12-10-2021]; Available from: https://heartbeat-med.com/de/wiki/sf-36-fragebogen/#hdcaknqd3bi3wnmx27nve1.
  6. Angermann, C.E., et al., Mode of action and effects of standardized collaborative disease management on mortality and morbidity in patients with systolic heart failure: the Interdisciplinary Network for Heart Failure (INH) study. Circ Heart Fail, 2012. 5(1): p. 25-35.
  7. Rich, M.W., Heart failure disease management: a critical review. J Card Fail, 1999. 5(1): p. 64-75.
  8. Krumholz, H.M., et al., Randomized trial of an education and support intervention to prevent readmission of patients with heart failure. J Am Coll Cardiol, 2002. 39(1): p. 83-9.
  9. Cline, C.M., et al., Cost effective management programme for heart failure reduces hospitalisation. Heart, 1998. 80(5): p. 442-6.

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