Bestimmung von kardiovaskulären Risikofaktoren aus einem 12-Kanal EKG mit Hilfe von künstlicher Intelligenz
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Dr. Marius Knorr und Prof. Dr. Renate Schnabel, Hamburg
Hintergrund der Studie
Die Früherkennung von kardiovaskulären Risikofaktoren ermöglicht ein zeitnahes medizinisches Eingreifen und Vorbeugung, was den weiteren Verlauf positiv beeinflussen kann. In diesem Forschungsprojekt untersuchen wir die Möglichkeit, kardiovaskuläre Risikofaktoren und auch bereits manifeste Erkrankungen, wie Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit (KHK), sowie Schlaganfall, über das 12-Kanal EKG vorherzusagen mittels künstlicher Intelligenz (KI). Dies steht im Gegensatz zu ausführlichen Anamnesen oder anderen komplexen Untersuchungen. Unsere Hypothese ist, dass kardiovaskuläre Risikofaktoren und Erkrankungen einen direkten Einfluss auf die Elektrophysiologie des Herzens haben und so auch zu möglicherweise minimalen Veränderungen im EKG führen, die durch künstliche Intelligenz erkannt werden können. Dies resultiert in ein individuelles kardiovaskuläres Risikoprofil, welches sich im EKG widerspiegelt. Da ein EKG günstig und relativ einfach zu erheben ist, bietet es sich für die Entwicklung eines KI-basierten Modells für das Screening von Individuen an. Damit dieses Modell in der Bevölkerung anzuwenden ist, wird es mit Daten aus der Hamburg City Health Study (HCHS) trainiert und validiert. Die HCHS ist eine große populationsbasierte Studie mit einer Kohorte von Individuen mittleren Alters.
Durchführung der Studie
Die von uns genutzte KI (Abb. 1) basiert auf einer ResNet-1d-Architektur, die zu den Convolutional Neural Networks (CNN) gehört. Die insgesamt 8489 Studienteilnehmer*innen mit 12-Kanal-EKG werden aufgeteilt in Trainings- (n=5557) und Testdaten (n=2932). Das Resultat sind 5 KI-Modelle, von denen jeweils die Performance auf den unabhängigen Testdatensatz berichtet wird. Weiterhin werden die Resultate verglichen mit einem einfachen statistischen Modell: einer logistischen Regression, welche Alter und Geschlecht benutzt, und nicht das EKG, um die untersuchten kardiovaskulären Risikofaktoren vorherzusagen. Die Genauigkeit der KI-Modelle wird anhand der AUC (Area Under the Curve) bestimmt.
Ergebnisse
In unseren Daten zeigt das KI-Modell gute Erkennungsleistung für Diabetes mellitus (AUC 0.73, Konfidenzintervall (CI) 0.72-0.74), Herzinsuffizienz (AUC 0.75, CI 0.70-0.79), Bluthochdruck (AUC 0.73, CI 0.72-0.74), und KHK (AUC 0.74, CI 0.72-0.76). Moderate Resultate konnten beim Vorhersagen von vorausgegangenem Schlaganfall (AUC 0.62 CI 0.60-0.63) erzielt werden. Wenn die Vorhersagen der 5 KIs miteinander vereint werden (“ranked average”), ist die Erkennungsleistung noch besser für Diabetes mellitus (AUC 0.74), Herzinsuffizienz (AUC 0.77), Bluthochdruck (AUC 0.74), KHK (AUC 0.75) und Vorhersagen von vorausgegangenem Schlaganfall (AUC 0.63). Die logistische Regression erkennt Herzinsuffizienz (AUC 0.64), Bluthochdruck (AUC 0.70), Diabetes (AUC 0.66) sowie KHK (AUC 0.72) weniger gut als das KI-Modell, wohingegen Geschlecht und Alter ein besserer Prädiktor für vorausgegangenem Schlaganfall (AUC 0.67) sind.
Fazit
Unsere Ergebnisse zeigen somit, dass kardiovaskuläre Risikofaktoren in der Durchschnittsbevölkerung hinreichend aus einem EKG vorhergesagt werden können. Weitere Forschung in diesem Gebiet zielt darauf ab zu untersuchen, ob die aus dem EKG vorhergesagten Risikofaktoren relevant für die Vorhersage von Sterblichkeit und das Eintreten von kardiovaskulären Ereignissen und Erkrankungen sind.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit fast 11.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org