Behandlung von Patienten mit hohem und sehr hohem Risiko in der Prävention von kardiovaskulären Ereignissen in Deutschland: demographische Ausgangsdaten der multinationalen Beobachtungsstudie SANTORINI
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Prof. Dr. Ulrich Laufs, Leipzig, und Dr. Katja Tuppatsch, München
Hintergrund
Auf Grundlage der ESC/EAS-Leitlinien aus dem Jahr 2019 empfiehlt die DGK Behandlungsziele für LDL-Cholesterin (LDL-C) entsprechend einer kardiovaskulären (CV) Risikostratifizierung. In der Vergangenheit zeigten mehrere europäische Real-World-Studien ein suboptimales Erreichen der damals (2016) empfohlenen LDL-C-Zielwerte und dass eine Kombinationstherapie mit Ezetimib oder PCSK9-Inhibitoren europaweit bei nur 9 % bzw. 1 % der Höchstrisikopatient*innen eingesetzt wurde. (1) Dies bestätigen nationale Verschreibungsdaten aus dem Jahr 2018, gemäß derer 78 % der Patienten mit einem mindestens hohen CV Risiko in der fachärztlichen Behandlung eine Statin-Monotherapie erhielten und 16,3 % eine Kombination aus Statin- plus nicht-Statin lipidsenkender Therapie. In der hausärztlichen Versorgung wurde im Vergleich eine Quote von 4,7 % Kombinationstherapie (Statin plus nicht-Statin) erreicht. (2)
Die SANTORINI Studie
SANTORINI ist die erste europäische Beobachtungsstudie seit Implementierung der neuen ESC/EAS-Leitlinie im Jahr 2019. SANTORINI erfasst, wie und ob sich das Lipidmanagement von Hoch- und Höchstrisikopatient*innen nach der Veröffentlichung der ESC/EAS Leitlinie (2019) und den damit verbunden strikteren LDL-C Zielwerten verändert hat. Patient*innen in der Primär- und Sekundärprävention wurden in 14 europäischen Ländern rekrutiert und Patientenmerkmale, Krankengeschichte, die aktuelle Lipidtherapie und andere Begleitmedikationen zu Studienbeginn dokumentiert. Eingeschlossen wurden erwachsene Patient*innen mit einem hohen oder sehr hohen CV Risiko, das eine Lipidtherapie erfordert. Das individuelle Risiko wurde entsprechend der lokal gängigen Praxis unter Berücksichtigung verschiedener Risikofaktoren eingeschätzt oder mittels Risikokalkulatoren berechnet. Dieser Zwischenbericht aus SANTORINI beschreibt die Patientencharakteristika und Behandlungsmuster in der Lipidtherapie in der täglichen Praxis in Deutschland, bezogen auf das Management des LDL-C-Werts bei Hoch- und Höchstrisikopatient*innen.
Vorrausetzungen
Bei Erhebung (Juli 2021) lagen bereinigte Daten von 2.086 Patient*innen aus Deutschland vor. Das Durchschnittsalter (SD) betrug 65,7 (10,9) Jahre, 28,0 % der Patient*innen waren weiblich. Teilnehmende Behandler sind überwiegend Fachärzte für Kardiologie (71,5%) und die Risikoklassifikation erfolgte zumeist mittels der aktuellen ESC/EAS-Leitlinie (53,3 %) oder eigener klinischer Erfahrung (39,3 %). Behandler bewerteten 72,3% der Patient*innen mit einem sehr hohen CV Risiko, 27,7 % mit einem hohen CV Risiko. Eine nachträgliche Berechnung gemäß der aktuellen ESC/EAS Leitlinie, anhand des dokumentierten ASCVD-Status und der Risikofaktoren (z.B. aktueller/früherer Raucherstatus, Hypertonie, Diabetes mellitus und familiäre Hypercholesterinämie) ergab, dass das CV Risiko insgesamt bei mehr als 20% der Patient*innen unterschätzt wurde (Abbildung 1).
Bei Einschluss hatten 20,6 % der Patient*innen keine lipidsenkende Therapie. 59,6 % der Patient*innen erhielten eine Monotherapie, eine Kombinationstherapie wurde bei 19,9 % der Patient*innen eingesetzt (Abbildung 2A): ein Statin plus Ezetimib erhielten 16,5 % und einen PCSK9-Inhibitor plus orale Lipidsenker 2,2 %
Patient*innen mit sehr hohem CV Risiko hatten im Mittel einen LDL-C-Wert von 2,45 (1,16) mmol/L [95,4 (45,2) mg/dL], Patient*innen mit hohem Risiko einen LDL-C-Wert von 2,93 (1,29) mmol/L [114,1 (50,2) mg/dL]. Insgesamt erreichten damit 73% der Patient*innen mit einem hohen CV Risiko und 81% der Patient*innen mit einem sehr hohen CV Risiko (wie durch Behandler eingeschätzt) den in der ESC/EAS Leitlinie definierten LDL-C-Zielwert nicht (Abbildung 2B).
Ergebnisse
Zusammenfassend zeigt diese Teilanalyse aus SANTORINI, dass das Risiko bei Patient*innen mit sehr hohem CV Risiko in Deutschland oftmals unterschätzt wird. Patient*innen mit sehr hohem und hohem CV Risiko in der täglichen Praxis in Deutschland haben noch immer wesentlich höhere LDL-C-Werte als in den Leitlinien durch evidenzbasierte Zielwerte empfohlen, obgleich die aktuelle ESC/EAS-Leitlinie die am häufigsten genutzte Basis für eine Risikoeinschätzung ist. Der Gesamtanteil von Kombinationstherapien ist im Vergleich zu vorherigen Studien leicht gestiegen, dennoch erhält nur eine Minderheit der Patient*innen eine Kombinationstherapie und PCSK9-Inhibioren werden sehr selten verwendet.
Quellenangaben
- Ray KK, et al. Eur J Prev Cardiol 2021 Sep 20;28(11):1279-1289
- Katzmann JL, et al. Clin Res Cardiol 2020 Sep 19. doi: 10.1007/s00392-020-01740-8.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit fast 11.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org