Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse nach renaler Denervation bei Bluthochdruck-Patienten: Eine Modellschätzung auf Basis von Drei-Jahres-Daten des Global Symplicity Registers
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Dr. Jan Pietzsch, Menlo Park, CA, USA und Prof. Dr. Roland Schmieder, Erlangen
Einleitung
Die arterielle Hypertonie gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit und ist ein Hauptrisikofaktor für kardiovaskuläre Morbidität und Sterblichkeit. In Deutschland hat jeder dritte Erwachsene Bluthochdruck. Trotz guter Medikamente sind Bluthochdruck-Patientinnen und – Patienten zum Teil unzureichend eingestellt, und etwa 5 bis 15 % aller Patienten weisen eine therapieresistente arterielle Hypertonie auf, die das kardiovaskuläre Risiko dieser Patienten deutlich erhöht. Die überaktivität des sympathischen Nervensystems spielt eine maßgebliche Rolle in der Pathophysiologie der Erkrankung. Mit der interventionellen renalen Denervation (RDN) steht ein komplikationsarmes Verfahren zur Modulation der renalen Sympathikusaktivität für Patienten mit einer unkontrollierten arteriellen Hypertonie zur Verfügung, die in mehreren aktuellen kontrollierten Studien eine Senkung des systolischen Blutdrucks gezeigt hat und eine attraktive Behandlung für Patientinnen und Patienten, vor allem mit hohem kardiovaskulärem Risiko, darstellen könnte. Ziel der hier berichteten Arbeit war die Abschätzung der mit RDN-Therapie verbundenen Reduktion des kardiovaskulären Risikos auf Basis kürzlich veröffentlichter globaler Registerdaten.
Methoden
Das globale SYMPLICITY-Register (Global SYMPLICITY Registry, GSR) erfasst Daten zur Sicherheit und Effektivität der RDN-Therapie im Langzeit Follow-Up. Im Jahr 2020 wurden Drei-Jahresdaten von über 2.600 mit RDN behandelten Hochrisikopatienten – davon 1.125 in Deutschland – berichtet [1], einschließlich der in diesem Zeitraum beobachteten Inzidenz von Schlaganfall, akutem Herzinfarkt, kardiovaskulärer Mortalität und neu aufgetretener dialysepflichtiger Niereninsuffizienz. Diese Ereignisraten wurden in der hier berichteten Arbeit als Ausgangsgröße herangezogen (siehe Tabelle 1 / Spalte 1). Die Berechnung der Risikoreduktion erfolgte in drei Schritten: 1.) Auf Basis der in der GSR beobachteten Blutdruckveränderung nach RDN-Therapie wurde die durchschnittliche Verringerung des systolischen Blutdrucks (SBP) über den Drei-Jahreszeitraum ermittelt. 2.) Diese Blutdruckänderung, im Vergleich zum Blutdruckwert vor Behandlung, wurde in Folge herangezogen, um hieraus auf Basis publizierter Meta-Regressionsdaten von Bluthochdruckpatienten [2] relative Risiken für die einzelnen kardiovaskulären Ereignisse zu berechnen (siehe Tabelle 1/Spalte 2). 3.) In einem abschließenden Schritt konnten somit aus den in der GSR beobachteten Ereignisraten ein Schätzwert für die Ereignisse für ein Szenario ohne RDN-Behandlung bestimmt werden, unter der Annahme, dass der Blutdruckausgangswert unverändert geblieben wäre (siehe Tabelle 1 / Spalte 3). Hieraus wurden die durch RDN-Therapie vermiedenen Ereignisse im 3- Jahreszeitraum für jeden einzelnen Endpunkt sowie einen aus Schlaganfall, Herzinfarkt und kardiovaskulärem Tod kombinierten Endpunkt (MACE – Major Adverse Cardiovascular Events) errechnet. Zudem wurde rechnerisch die Anzahl der Behandlungen ermittelt, die notwendig wären, um das jeweilige Ereignis über den Drei-Jahreszeitraum zu vermeiden (NNT- Numbers Needed to Treat). Die Analysen wurden sowohl für das Kollektiv der Patienten mit therapieresistenter Hypertonie (Resistant Hypertension – RH) wie auch für die Untergruppe von behandlungspflichtigen Bluthochdruckpatienten mit Typ-2 Diabetes (T-2D) durchgeführt.
Ergebnisse
Der durchschnittliche SBP vor Behandlung und die durchschnittliche SBP-Reduktion betrugen 175,4 ± 19,8 und -21,6 für die RH Kohorte, und 165,4 ± 22,6; und -14,8 mmHg für die T-2D-Kohorte. Die errechneten relativen Risiken reichten von 0,58 für den Endpunkt Schlaganfall in der RH-Kohorte bis zu 0,92 für den Endpunkt Gesamt-Mortalität in der T-2D Kohorte (siehe Tabelle). MACE in der RH und T-2D Kohorte waren über den Drei-Jahreszeitraum um absolut 5,2 % und 3,8 % niedriger, woraus sich respektive NNTs von 19 und 27 errechneten (siehe Tabelle). Das bedeutet, dass für jede 19 beziehungsweise 27 Patienten, die mit RDN behandelt werden, 1 MACE vermieden werden könnte.
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Patienten mit therapie-resistenter Hypertonie | Patienten mit Typ-2 Diabetes und unkontrollierter Hypertonie | ||||||
RDN
(36 Mon.) |
RR | Schätzwert ohne RDN | NNT | RDN
(36 Mon.) |
RR | Schätzwert ohne RDN | NNT | |
Tod | 5.7% | 0.91 | 6.3% | 181 | 7.1% | 0.92 | 7.7% | 172 |
Kardiovaskulärer Tod | 2.8% | 0.78 | 3.6% | 128 | 4.0% | 0.84 | 4.8% | 130 |
Akuter Herzinfarkt | 2.3% | 0.74 | 3.1% | 121 | 3.5% | 0.79 | 4.5% | 105 |
Schlaganfall | 4.8% | 0.58 | 8.4% | 28 | 4.0% | 0.66 | 6.1% | 49 |
Neu eingetretene dialysepflichtige Niereninsuffizienz | 1.9% | 0.89 | 2.1% | 426 | 2.8% | 0.91 | 3.1% | 363 |
MACE (berechnet) | 9.9% | 0.66 | 15.1% | 19 | 11.5% | 0.75 | 15.3% | 27 |
Abbildung: Beobachtete Ereignisraten in der Globall Symplicity Registry und die daraus errechneten Schätzwerte zu Ereignisraten ohne RDN-Behandlung. Ergebnisse für das Patientenkollektiv mit therapie-resistenter Hypertonie (links) und mit Typ-2 Diabetes und unkontrollierter Hypertonie (rechts).
Schlussfolgerungen
Die vorliegenden Modellrechnungen ermöglichen die Ermittlung der durch RDN-Therapie über einen Drei-Jahreszeitraum potenziell vermeidbaren kardiovaskulären Ereignisse. Die Ergebnisse bieten Klinikern und anderen Entscheidungsträgern somit eine Basis, um die längerfristig zu erwartenden klinischen und gesundheitsökonomischen Implikationen der RDN-Therapie abzuschätzen.
Literatur:
[1] Mahfoud F, Mancia G, Schmieder R, Narkiewicz K, Ruilope L, Schlaich M, Whitbourn R, Zirlik A, Zeller T, Stawowy P, Cohen SA, Fahy M, Böhm M. Renal Denervation in High-Risk Patients With Hypertension. J Am Coll Cardiol. 2020 Jun 16;75(23):2879-2888. doi: 10.1016/j.jacc.2020.04.036. PMID: 32527396.
[2] Thomopoulos C, Parati G, Zanchetti A. Effects of blood pressure lowering on outcome incidence in hypertension. 1. Overview, meta-analyses, and meta-regression analyses of randomized trials. J Hypertens. 2014 Dec;32(12):2285-95. doi: 10.1097/HJH.0000000000000378. PMID: 25255397.
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