Häufigkeit und Prädiktoren eines Herzinfarktes ohne relevante Einengungen einer Herzkranzarterie
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Dominik Dees, Prof. Dr. Willibald Hochholzer, Bad Krozingen
Hintergrund
Der Herzinfarkt ist eine schwere und lebensbedrohliche Erkrankung und zählt weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Meistens entsteht ein Herzinfarkt durch den Verschluss eines, den Herzmuskel versorgenden, Herzkranzgefäßes mit nachfolgendem Zelluntergang und benötigt umgehende Versorgung durch eine Wiedereröffnung der verschlossenen Gefäße in einer spezialisierten Klinik (1).
Die Erkrankung entsteht bei einem Großteil der Fälle aufgrund eines Blutgerinnsels, welches sich auf Grundlage einer Arteriosklerose (der sog. koronaren Herzkrankheit) bildet. Bei bis zu 10 % der Patienten, die sich mit einem Herzinfarktes vorstellen, zeigt sich allerdings in der Herzkatheteruntersuchung kein Hinweis auf eine relevante Verengung der Herzkranzgefäße, bzw. gar keine koronare Herzkrankheit. Für dieses Ereignis wurde kürzlich der Name „Herzinfarkt mit nicht verengten Koronargefäßen“ bzw. abgekürzt MINOCA eingeführt.
Entgegen aller Annahmen ist ein solches Ereignis aber kein gutartiger Herzinfarkt. Es zeigt eine erhöhte Sterblichkeit von ungefähr 5 % der erkrankten Patienten innerhalb eines Jahres (2).
Untersuchung an der Klinik für Kardiologie und Angiologie II
Im Rahmen einer Untersuchung an der Klinik für Kardiologie und Angiologie II des Universitäts-Herzzentrums Freiburg, Bad Krozingen wurden Daten von Patienten ausgewertet, die sich von
Oktober 2015 bis Dezember 2016 mit Verdacht auf einen Herzinfarkt vorgestellt hatten.
Patienten, die typische Symptome eines Herzinfarktes zeigten und erhöhte Infarktmarker im Blut (Troponin T) aufwiesen, erhielten eine Herzkatheteruntersuchung. Von 1532 untersuchten Patienten erfüllten 546 Patienten die geforderten Kriterien für die Diagnose eines Herzinfarktes. Bei 429 dieser Patienten wurde eine Verengung der Herzkranzgefäße als Ursache ihrer Beschwerden festgestellt („klassischer Herzinfarkt“). Die übrigen 117 Patienten zeigten keine höhergradigen Verengungen der Herzkranzgefäße.
Anhand der Empfehlungen eines Positionspapieres der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie zur Diagnostik von Patienten mit MINOCA (3) wurden diese Patienten weiter unterteilt. 88 der Patienten zeigten einen Myokardinfarkt Typ-II, der aufgrund eines Missverhältnisses zwischen Sauerstoffversorgung und Sauerstoffbedarf des Herzmuskels entsteht. Ursachen hierfür stellen z.B. schwere Infektionen oder auch schwere Herzrhythmusstörungen dar. Weitere zwei Patienten litten an einer Herzmuskelentzündung und vier Patienten an einer Embolie, bei der ein Blutgerinnsel aus der Herzkammer in ein Herzkranzgefäß gewandert war. Die verbliebenen 23 Patienten ließen sich der Kerngruppe von Patienten mit Herzinfarkt ohne verengte Koronargefäße zuteilen, bei denen die Ursache für dieses Ereignis nicht sofort erkennbar war. Erst verschiedene weitere Untersuchungen, wie beispielsweise Ultraschalluntersuchungen in den Herzkranzgefäßen oder eine Magnetresonanztomographie des Herzens, halfen hier die eigentliche Ursache des Herzinfarktes zu bestimmen. Dies waren vor allem aus den Herzkranzgefäßen stammende Embolien, Einrisse in der Gefäßwand, das Syndrom des gebrochenen Herzens oder ein Spasmus der Gefäße (Abbildung).
Weitere Untersuchungen zeigten als Risikofaktor für einen Herzinfarkt ohne verengte Koronargefäße vor allem das weibliche Geschlecht, Herzrhythmusstörungen, krankhafte Veränderungen an den Herzklappen sowie das Vorliegen einer Herzinsuffizienz.
Fazit
Zusammenfassend erfüllten insgesamt ungefähr 20 % der Patienten, die sich mit einem Herzinfarkt vorstellen, die Kriterien für einen Herzinfarkt ohne verengte Koronargefäße. Rechnet man aus dieser Gruppe die Patienten mit einem Typ-II-Herzinfarkt, bei denen die zentrale Ursache nicht von den Herzkranzgefäßen ausgeht, heraus, verbleiben 4 % der Patienten, welche die strengen Kriterien für einen MINOCA erfüllen. Risikofaktoren für einen Herzinfarkt ohne verengte Koronargefäße scheinen vor allem das weibliche Geschlecht sowie andere Herzerkrankungen darzustellen.
Literatur:
- Collet JP, Thiele H, Barbato E, Barthélémy O, Bauersachs J, Bhatt DL, et al. 2020 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation. Eur Heart J. 2020.
- Pasupathy S, Air T, Dreyer RP, Tavella R, Beltrame JF. Systematic review of patients presenting with suspected myocardial infarction and nonobstructive coronary arteries. Circulation. 2015;131(10):861-70.
- Agewall S, Beltrame JF, Reynolds HR, Niessner A, Rosano G, Caforio AL, et al. ESC working group position paper on myocardial infarction with non-obstructive coronary arteries. Eur Heart J. 2017;38(3):143-53.
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