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Analyse einer großen Long COVID Kohorte: Die diagnostische Unterscheidung zwischen Organschaden und Konditionsverlust

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Dr. Johannes Kersten, Priv.-Doz. Dr. Dominik Buckert, Ulm

Hintergrund und Untersuchung an der Universitätsklinik Ulm

Die Klinik für Innere Medizin II der Universitätsklinik Ulm hat im Februar 2021 im Rahmen einer Spezialsprechstunde und unter der Leitung von Priv.-Doz. Dr. Dominik Buckert angefangen, sich mit den kardiopulmonalen Langzeitfolgen einer COVID-19-Erkrankung auseinanderzusetzen. Erste vorläufige Ergebnisse konnten kürzlich publiziert und nunmehr auf den DGK Herztagen vorgestellt werden.

In der aktuellen Analyse wurden Daten von 231 Patient*innen mit einer durchgestandenen COVID-19-Erkrankung untersucht. Wesentliche Einschlusskriterien waren ein positiver PCR-Test auf SARS-CoV-2 in der Vergangenheit und persistierende Beschwerden. Das Quarantäne-Ende musste mindestens einen Monat zurückliegen. 

Methodik der Studie

Es wurde ein stufenweises Diagnostikkonzept etabliert. Hierbei wurden alle Patient*innen in einer ersten Stufe mittels Ruhe-EKG, Blutuntersuchungen, transthorakaler Echokardiographie, Bodyplethysmographie, kapillärer Blutgasanalyse und Sechs-Minuten-Gehtest untersucht. Im Fall von auffälligen Befunden, welche nicht durch andere Komorbiditäten zu erklären waren, wurde eine weitere Abklärung mittels Kardio-MRT und Spiroergometrie indiziert. Sollte hiernach noch weiterer Abklärungsbedarf bestehen, wurde in einer sich anschließenden individualisierten Diagnostikstufe zum Beispiel eine pulmologische oder neurologische Vorstellung veranlasst. 

Weniger als die Hälfte der Post-Covid-Patient*innen in ihrer Leistung eingeschränkt

Die häufigsten Beschwerden der Patient*innen waren Dyspnoe (48,3 %), Fatigue (42 %), neuropsychologische Beschwerden wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen (28,8 %) und Brustenge (24,4 %). In der Vergangenheit waren Untersuchungen zu Post-COVID häufig auf Patient*innen mit schweren Verläufen konzentriert. Mit lediglich 7,8 % wegen COVID-19 hospitalisierten Patient*innen und sogar 14,7 % niedrig-symptomatischen bzw. asymptomatischen Patient*innen repräsentiert unsere Untersuchung ein breiteres Patient*innenkollektiv.

Der häufigste auffällige Befund in den Basisuntersuchungen der Stufe 1 war eine auffällige Lungenfunktionsuntersuchung mit reduzierter Diffusionsleistung sowie eine Entsättigung im Sechs-Minuten-Gehtest. Bei den Patient*innen, die in Stufe 2 weitergehend untersucht wurde, zeigten sich in 44 % der Fälle Hinweise auf kardiopulmonale Residuen im Sinne einer kardial oder pulmonal bedingten Leistungslimitation. Weiterhin konnten im Kardio-MRT in 27,8 % der Fälle Anzeichen einer abgelaufenen Herzmuskelentzündung nachgewiesen werden.

Charakteristika Wert
COVID-19 Anamnese

– oligosymptomatischer/asymptomatischer Verlauf, n (%)

– Hospitalisation wegen COVID-19, n (%)

– Invasive Beatmung, n (%)

 

34 (14.7)

18 (7.8)

6 (2.6)

Vorerkrankungen

– kardial, n (%)

– pulmonal, n (%)

– maligne, n (%)

 

12 (5.2)

29 (12.6), Asthma bronchiale 23 (10.0)

9 (3.9)

Long-COVID Symptome

– thorakaler Durck/Brennen, n (%)

– Dyspnoe, n (%)

– Fieber, n (%)

– Anosmie/Ageusie, n (%)

– Kopfschmerzen, n (%)

– Schlafstörungen, n (%)

– Fatigue, n (%)

– Konzentrations-/Gedächtnisstörungen, n (%)

 

56 (24.2)

114 (49.4)

5 (2.2)

29 (12.6)

19 (8.2)

26 (11.3)

122 (52.8)

64 (27.7)

Laboruntersuchung

– C-reaktives Protein, mg/l (norm: <5.0)

– D-Dimere, mg/IFEU (norm: <0.50)

– Troponin T, ng/l (norm: <15.0)

– NT-proBNP, pg/ml (norm: <130.0)

 

2.8 ± 8.0

0.27 ± 0.20

4.8 ± 3.4

74.0 ± 67.6

Transthorakale Echokardiographie

– LVEF < 55% or LV GLS < -15%, n (%)

 

22 (9.5)

Bodyplethysmographie

– DLCO <80% vom Soll, n (%)

– FVC <80% vom Soll, n (%)

– FEV1 <80% vom Soll, n (%)

– FEV1/FVC <80% vom Soll, n (%)

 

51 (22.1)

23 (10.0)

24 (10.4)

1 (0.4)

6-Minuten-Gehtest

– reduzierte Gehstrecke, n (%)

– Desaturierung von mehr als 7% oder <90%, n (%)

– Borg Skala (Dyspnoe) > 6, n (%)

– Borg Skala (Ermüdung) > 6, n (%)

 

55 (23.8)

26 (11.3)

9 (3.9)

8 (3.5)

Kapilläre Blutgasanalyse

– pO2 < 65 mmHg, n (%)

– pCO2 > 45 mmHg, n (%)

 

10 (4.3)

1 (0.4)

Tabelle: Auffälligkeiten und Befunde

Fazit: Nur ca. 15 % der Post-Covid-Patient*innen mit kardiopulmonalen Organveränderungen

Hochgerechnet auf die Gesamtkohorte muss man kardiopulmonale Organveränderungen bei 15,4 % der von uns untersuchten Patient*innen mutmaßen. Bei den Patient*innen des übrigen Kollektivs liegt der Hauptschwerpunkt der Beschwerden im neuropsychiatrischen Bereich, bzw. es liegt ein „funktionelles Post-COVID-Syndrom“ ohne organisch fassbare Korrelate vor. 

Originalpublikation: Kersten, J et al.: Long COVID: Distinction between Organ Damage and Deconditioning. J. Clin. Med. 2021, 10, 3782. https://doi.org/10.3390/jcm10173782

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie –Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit fast 11.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter-und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org

Wichtige Informationen für Nicht-Mediziner*innen30 stellt die DGK auf den Seiten ihres Magazins „HerzFitmacher“ zusammen: www.herzfitmacher.de