Vorhofflimmern – schnell und nachhaltig behandeln
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Statement Prof. Dr. Isabel Deisenhofer, Tagungspräsidentin Deutsche Rhythmus Tage
Zur Behandlung von Vorhofflimmern stehen uns unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung: konservativ, also medikamentös, die Kardioversion und die Ablation. Eines ist aber klar: Aus den großen Studien der vergangenen Jahre haben wir gelernt, wie wichtig eine frühe Behandlung für unsere Patientinnen und Patienten ist.
Frühablation besonders wirksam
Die Ablation hat sich dabei inzwischen als wirksamste Methode zur Wiederherstellung bzw. Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus erwiesen, zumindest wenn wir sie zeitig nach dem ersten Auftreten von symptomatischem Vorhofflimmern einsetzen.
Die EAST-Studie hat uns anhand von ganz harten Endpunkten wie Tod und Schlaganfall ganz deutlich vor Augen geführt, dass es deutliche Vorteile für die Prognose der Erkrankten hat, wenn wir nicht nur eine reine Frequenzkontrolle, z.B. mittels medikamentöser Behandlung, anstreben, sondern ganz konsequent und hartnäckig versuchen, den Sinusrhythmus wiederherzustellen.
Leitlinienaktualisierung und neue Studien
Folgerichtig ist daher die Ablation als Therapie der ersten Wahl – also vor einem medikamentösen Therapieversuch – für symptomatische Vorhofflimmer-Patient*innen im Rahmen der letzten Aktualisierung der europäischen Leitlinien im Jahr 2020 zur IIa-Empfehlung aufgewertet worden. Ich persönlich hätte die Ablation sogar gern als Klasse I-Empfehlung gesehen. Als die Leitlinien geschrieben wurden, lagen zwei neue amerikanische Studien aus dem letzten Jahr noch nicht vor, in denen Patient*innen mit erst kürzlich neu aufgetretenem Vorhofflimmern randomisiert erstmals Antiarrhythmika erhalten haben oder eben als ersten Therapieschritt gleich abladiert wurden. Gezeigt haben die Studien, dass in diesen Fällen die Ablation signifikant erfolgreicher war als die Gabe von Antiarrhythmika. Daher kommt der Ablation bei der Therapie von Vorhofflimmern für meine Begriffe eine noch größere Rolle zu als es die Leitlinien gegenwärtig widerspiegeln. Plakativ gesprochen: Man kann nicht „zu früh“ abladieren, aber sehr wohl „zu spät“. Denn wahr ist auch: Je später wir abladieren, desto geringer sind die Erfolgsaussichten.
Wer profitiert?
Wir können aufgrund der Erfahrungen und sehr großen Studien inzwischen auch gut einschätzen, welchen Patient*innen wir mit der Ablation besonders helfen können. Dazu gehören insbesondere die jungen Patienten mit (noch) paroxysmalem Vorhofflimmern. Dagegen profitieren die Patient*innen über 80 und mit lange bestehendem, persistierenden Vorhofflimmern und diejenigen mit schon sehr großen, fibrotischen Vorhöfen, nicht so deutlich. Es ist eben nicht möglich, das Rad der Zeit komplett zurückzudrehen. Dennoch kann die Ablation auch hier eine Option sein, denn aufgrund der neuesten Datenlage wissen wir eben auch, dass das Risiko des Eingriffs sehr niedrig ist. Die Indikation ist hier aber mit Sicherheit nicht so dringlich zu stellen wie bei jüngeren Patient*innen mit neu aufgetretenem Vorhofflimmern.
Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz
Für eine Gruppe von Erkrankten ist die Ablation besonders sinnvoll, wie wir aus Subgruppenanalysen der CABANA-Studie und der CASTLE-AF-Studie wissen: Herzinsuffizienzpatient*innen mit Vorhofflimmern. Wenn diese Erkrankten statt einer medikamentösen Therapie eine Ablation erhielten, sank die Mortalität signifikant, aber auch die Rate der Rehospitalisierungen war signifikant geringer. Und sogar bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz beeinflusst die Ablation die Mortalität sehr günstig.
Bei Herzinsuffizienz ist es besonders wichtig, das Vorhofflimmern zurückzudrängen, denn die Patient*innen stecken in einem Teufelskreis: Die Herzinsuffizienz führt dazu, dass sich die Herzhöhlen erweitern, was das Vorhofflimmern begünstigt. Andererseits entstehen durch den unregelmäßigen Herzschlag bei Vorhofflimmern ungleiche Schlagvolumina und kombiniert mit dem Fehlen der atrialen Systole kann dies dazu führen, dass die Pumpfunktion um bis zu 20 Prozent einbricht. Dazu kommt noch, dass das Vorhofflimmern gerade beim Erstauftreten tachykard übergeleitet wird, wodurch die Pumpfunktion noch einmal einbricht. Diese Dreierkombination aus Fehlen der atrialen Systole, dem unregelmäßigen Herzschlag und der Tachykardie ist Gift für die Pumpfunktion des Herzens.
Personalisiert zu denken ist die Zukunft der Vorhofflimmer-Ablation
Bei persistierendem Vorhofflimmern, das wesentlich mehr Menschen betrifft als paroxysmales Vorhofflimmern, stehen wir in der Elektrophysiologie weiterhin vor unserem alten Problem: Wir verstehen nicht ganz, warum dieses Vorhofflimmern anhält und was der Nährboden ist, auf dem dieses Vorhofflimmern gedeiht und wächst. Dieses „Substrat“ hat wahrscheinlich ganz verschiedene Facetten. – und das daraus entstehende Verständnisproblem können wir meiner Meinung nach durch große Studien mit „one-size-fits-all“-Strategien nicht lösen, weil das persistierende Vorhofflimmern wahrscheinlich aus einem Sammelbecken von ganz verschiedenen pathosphysiologischen Mechanismen entsteht.
Uns stehen ja zusätzlich zur Pulmonalvenenisolation einige „Add-on“-Strategien zur Verfügung, mit denen wir bei persistierendem Vorhofflimmern das Substrat bearbeiten können, beispielsweise Ablationslinien, elektrogrammbasierte Ablationen, Voltage-geführte Ablation oder sogar Alkoholinjektion in die sog. Marshall-Vene. Bei der Entscheidung für eine dieser Add-on-Strategien müssen wir unsere Patient*innen allerdings ganz individuell betrachten und uns die Vorhöfe sehr genau ansehen, um die Frage zu beantworten, was das individuelle Substrat ist, auf dem das Vorhofflimmern gedeiht. Erst dann können wir die Add-on-Strategie wählen, die zu der Person passt. Dieses Vorgehen bekommt vor allem bei eventuell nötigen Zweitablationen zum Tragen.
Ich glaube, dass wir auf Dauer aus den großen Studien, in denen zusätzlich zur PVI immer nur eine Add-on-Strategie, also soz. immer nur ein Instrument aus unserem Werkzeugkasten untersucht wird, immer etwas ernüchternde Ergebnisse erhalten werden: Vorhofflimmer-Patienten haben wahrscheinlich einfach zu unterschiedliche Vorhöfe, und man muss wahrscheinlich individuell auf den Patienten angepasst die jeweils passende Add-on Strategie auswählen.
Viele Zentren in Deutschland führen bereits solche eher individuell ausgestalteten Therapiekonzepte durch und das ganz zu Recht, wie ich finde. Die Zukunft der Vorhofflimmerbehandlung kann aus meiner Sicht nur über diesen – zugegebenermaßen mühsamen – personalisierten Weg gehen. Wir stehen also vor der riesigen Frage: Was mache ich zusätzlich zur Pulmonalvenenisolation? Und diese Frage beantwortet weltweit im Moment jedes Zentrum für sich persönlich.
Vorhofflimmer-Ablation ist keine elektive Intervention
Die Corona-Pandemie hat uns in der Elektrophysiologie insofern getroffen, als dass unsere Behandlungen häufig als elektive Interventionen hintangestellt wurden. Im Lichte der Studienergebnisse, die an harten Endpunkten wie Tod, Schlaganfall und Rehospitalisierung bewiesen haben, wie wichtig eine frühzeitige Vorhofflimmerablation für unsere Patientinnen und Patienten ist, muss man solchen Entwicklungen deutlich entgegentreten. Es geht bei diesen Patient*innen nicht „nur“ um Lebensqualität, sondern um das Überleben.
Sitzungsempfehlungen Deutsche Rhythmustage
Neben dem Vorhofflimmern beschäftigen uns natürlich auch noch andere Themen, die wir bei den Deutschen Rhythmus Tagen aktiv behandeln werden.
Es gibt eine Sitzung, die mir besonders am Herzen liegt: „Arrhythmien und Gender“ am Freitag von 8:00 bis 08:30 Uhr. Das Thema haben wir über die letzten Jahre entdeckt. Es ist beispielsweise nachgewiesen, dass der plötzliche Herztod bei Frauen seltener ist, aber dafür unterschiedliche genetische Arrhythmie-Syndrome manchmal bei Männern, manchmal bei Frauen häufiger sind. Es gibt Geschlechterunterschiede bei Ionenkanalströmen, die dazu führen, dass manche Arrhythmien spezifisch eher bei Frauen und manche eher bei Männern auftreten. Und auch bei der Behandlung müssen wir auf Unterschiede achten: beispielsweise ist Vorhofflimmern bei Frauen schwieriger zu behandeln als bei Männern, vermutlich, weil sie mehr Fibrose im Vorhof aufweisen.
Es gibt außerdem am Samstag von 10:00 bis 10:30 Uhr eine virtuelle Sitzung zur Risikostratifizierung bei genetischen Arrhythmiesyndromen, die finde ich sehr spannend.
Auch die Debatten kann ich sehr empfehlen. In beiden „Great Debates“ (Donnerstag, 17:30 bis 19:00 Uhr und Samstag, 14-15:30) erwarten Sie spannende Themen gerade auch aus der Rhythmologie.