Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

Hervorragende Datenlage für TAVI auch bei Patienten mit niedrigem Operationsrisiko

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Statement Prof. Dr. Helge Möllmann, stellvertretender Sprecher der Arbeitsgruppe Interventionelle Kardiologie (AGIK) der DGK, 25. April 2019 

Der interventionelle Ersatz der Aortenklappe (TAVI) ist bisher das Standardverfahren für Patienten mit hohem und mittlerem Operationsrisiko. Patienten mit einem niedrigen Risiko für einen operativen Eingriff sollten hingegen mit dem für sie als Goldstandard geltenden chirurgischen Aortenklappenersatz (AKE) behandelt werden, da belastbare Vergleichsdaten zu dieser Patientengruppe bisher fehlten.

Das hat sich mit der Veröffentlichung der PARTNER 3-Studie und des Evolut Low Risk Trials im März verändert. Beide Studien untersuchten, ob eine transfemoral durchgeführte TAVI verglichen mit dem AKE auch für Niedrig-Risiko-Patienten eine mindestens gleichwertige, wenn nicht sogar bessere Therapiealternative darstellen könnte.

In die dritte PARTER-Studie wurden 1.000 Patienten mit einem mittleren Altern von 73 Jahren und einem niedrigen Operationsrisiko (STS-Score 1,9%) eingeschlossen. Die Patienten wurden zu einem AKE mit biologischer Klappenprothese oder einer TAVI mit der an häufigsten eingesetzten Transkatheterklappe, der ballonexpandierenden Sapien 3-Prothese randomisiert. Als primärer Endpunkt galt in der Studie eine Kombination aus Tod, Schlaganfall oder Rehospitalisierung nach 12 Monaten. Die Ergebnisse fielen deutlich zugunsten der TAVI aus: Den Endpunkt erreichten nur 8,5% der TAVI-Patienten. Bei den chirurgisch behandelten Patienten waren es hingegen 15,1%. Dies bedeutet ein um 46% geringeres Risiko für TAVI-Patienten, dass eines der im Endpunkt formulierten Ereignisse eintritt. Die Mortalität lag in der TAVI-Gruppe nach einem Jahr gerade einmal bei 1% (gegenüber 2,5% in der AKE-Gruppe).

Wenn bei Patienten in der Frühphase nach dem Eingriff so harte Endpunkte wie Schlaganfall oder Tod signifikant seltener eintreten, ist das ein mehr als überzeugendes Argument für die TAVI.

Ganz besonders stechen bei den Studiendaten zwei Aspekte hervor: Schlaganfälle traten nur bei 1,2% der TAVI-Patienten auf. Hingegen erlitten 3,1% der Patienten aus der AKE-Gruppe einen Schlaganfall, als fast zwei Drittel mehr als bei TAVI. Die Notwendigkeit erneuter Krankenhausaufenthalte lag bei TAVI-Patienten bei 7,3% und bei chirurgisch behandelten Patienten deutlich höher, nämlich bei 11%.

Die Studie lieferte zudem ein überraschendes Ergebnis: Es zeigte sich im Vergleich zwischen TAVI und AKE kein statistisch signifikanter Unterschied in der Rate der nach dem Eingriff erforderlichen Schrittmacherimplantationen.

Sobald für eine neue Methode eine solche Überlegenheit gezeigt wurde, wie jetzt durch die neuen Daten bei TAVI geschehen, muss der alte Goldstandard grundsätzlich infrage gestellt werden. Dies wird durch die Daten des Evolut Low Risk Trials zusätzlich unterstützen, die mindestens eine Gleichwertigkeit der beiden Verfahren bescheinigen.

Die neuen Daten bestätigen ohnehin, was in Deutschland längst Versorgungsrealität ist. Ein nicht unerheblicher Teil der mit TAVI behandelten Patienten sind schon jetzt der Niedrig-Risiko-Gruppe zuzuordnen, wie eine Auswertung des Deutschen Aortenklappenregisters GARY zeigt. Es gibt viele Faktoren, die nicht in die üblichen, standardisierten Risiko-Scores einberechnet werden können, in den lokalen Herzteams aber die Entscheidung zugunsten einer TAVI ausfallen lassen, beispielsweise, wenn ein Patient vorgealtert ist. Die Daten spiegeln also wider, was wir im klinischen Alltag schon erleben.

Immer wieder begegnen wir allerdings dem Einwand, es lägen keine Langzeitdaten zur Haltbarkeit der TAVI-Prothesen vor, was jedoch nicht stimmt. Erst im Februar wurden Daten veröffentlicht, die zeigten, dass 91% der untersuchten Klappen 5 bis 10 Jahre nach der Implantation keinerlei Anzeichen für Degenerationen aufwiesen und schwerwiegende Degenerationen nur in unter 1% der Fälle auftraten. Diese Bedenken können wir damit also endgültig ausräumen, denn ein frühzeitigerer Verschleiß der TAVI-Klappen deutet sich in keiner Studie an.

Für die Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses zu TAVI sollten sich daraus folgende Änderungen ergeben: Zum einen müssten die Altersgrenzen kritisch hinterfragt werden. Es ist aufgrund der belastbaren und brandaktuellen Daten naheliegend, die Altersgrenze von momentan 75 Jahren auf zumindest 70 zu senken. Außerdem sollte die TAVI, sofern Sie anatomisch gut durchführbar ist, als Standardbehandlung erwogen und der chirurgische Klappenersatz bei Patienten ab 70 nur als Alternative in Erwägung gezogen werden. Dementsprechend sollte der nach Zuweisung initial chirurgisch geplante Klappenersatz nur nach Einverständnis von interventionellen Kardiologen durchgeführt werden.

Keine Daten liegen uns bisher für die ganz jungen Patienten um die 50 vor, daher wäre es sicher nicht angebracht, bei dieser Gruppe die Aortenklappe katheterinterventionell zu ersetzen. Hier bleibt der chirurgische Klappenersatz nach wie vor das Mittel der Wahl.

Literatur:

https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1814052

https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1816885

http://www.onlinejacc.org/content/73/5/537