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Antientzündliche Therapiestrategien können die Behandlung von Herzerkrankungen wesentlich verändern.

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Statement Prof. Dr. Stephan Baldus, Präsident der 85. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V., 24. April 2019

 Trotz aller interventionellen, operativen und auch grundlagenwissenschaftlichen Fortschritte in unserem Fach ist die Behandlung der chronischen Gefäßentzündung, also der Atherosklerose, bisher unbefriedigend. Weder mit der Bypass-Operation noch mit der Implantation von koronaren Stents können wir dieser Erkrankung in ihrem Fortschreiten Einhalt gebieten. Folgerichtig sind neue Forschungsansätze und vor allen Dingen auch translationale Bemühungen notwendig, um neue pharmakologische Therapieverfahren für diese Erkrankung zu entwickeln. Meine feste Überzeugung ist, dass noch zu entwickelnde antiinflammatorische, also antientzündliche Therapiestrategien hier das Potential haben, die Behandlung der Atherosklerose ganz wesentlich und positiv zu verändern

Das Wissen, dass es sich bei der Atherosklerose um eine entzündliche Erkrankung handelt, reicht bis in das 19. Jahrhundert zurück. In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts haben wir dann sehr viel besser verstanden als noch zu Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts, wie wesentlich die Kontribution von Entzündungszellen bei der Entstehung der Atherosklerose ist. Vor anderthalb Jahren hat eine groß angelegte Studie mit einem Antikörper gegen solche Entzündungsmediatoren von Entzündungszellen erstmals zeigen können, dass eine pharmakologische Therapie möglich ist. Die CANTOS-Studie überprüfte die Wirksamkeit eines gegen Interleukin-1ß gerichteten Antikörpers und konnte dabei nachweisen, dass der Inflammation als therapeutisches Ziel Bedeutsamkeit beigemessen werden muss. Die in dieser Studie publizierten Effekte sind jedoch leider noch begrenzt und die Euphorie hinsichtlich der Nachweisbarkeit dieses Mechanismus hat sich leider bisher nicht in einer noch effektiveren Therapie umgesetzt.

Neue Untersuchungen zu etwas unspezifischer wirkenden antientzündlichen Strategien konnten zuletzt nicht überzeugen. Aber die Tatsache, dass so groß angelegte Studien zu antiinflammatorischen Mediatoren unternommen werden, zeigt auf der einen Seite den festen Willen, in dieser Richtung neue Therapieformen zu entwickeln, und zeigt aber auch, dass wir leider noch viel Forschung brauchen, um für die Patienten etwas Konkretes anbieten zu können.

Es wäre sicherlich naiv zu glauben, dass man mit einer Substanz ein so komplexes Krankheitsbild wie die Athersoklerose rückgängig machen oder ihre Entstehung verhindern kann, aber wir sind auf dem richtigen Weg, in Analogie zu anderen Fachdisziplinen, z.B. der Onkologie, konkret Signalkaskaden zu attackieren, wie es in der CANTOS-Studie gemacht wurde. Auch die Idee, eine Impfung gegen Epitope von Cholesterinpartikeln, die besonders atherogen wirken, zu entwickeln, ist sehr attraktiv und gegenwärtig Teil der Forschung. Ich bin optimistisch, dass wir von den Versuchen, gezielt Signalkaskaden zu attackieren, in Zukunft noch viel Neues hören werden. Zugleich hoffe ich, dass sich dies in einer Verbesserung der Therapieoptionen dieser Erkrankung niederschlägt, die wahrscheinlich nicht mit einem einzigen Medikament zurückzudrängen oder zumindest zum Stillstand zu bringen ist.

In den Sitzungen des Tagungspräsidenten werden wir in den nächsten Tagen den aktuellen Stand der Wissenschaft in diesem Bereich intensiv diskutieren und ich freue mich darüber, dass wir sehr positive Resonanzen auf die Einladungen der Referenten erhalten haben, insbesondere von unseren internationalen Gästen. Ich möchte Ihnen zwei Sitzungen besonders ans Herz legen.

Am Donnerstag diskutieren wir ab 16:00 Uhr in Saal 5 in einer grundlagenwissenschaftlich ausgerichteten Sitzung die wichtigsten – nicht nur inflammatorischen – molekularen Mechanismen bei Atherosklerose, Herzinsuffizienz und Arrhythmien.
Am Freitag befassen wir uns ab 11:30 Uhr an gleicher Stelle damit, welche inflammatorischen Signalwege zu Therapien führen. Dies ist eine aus meiner Sicht besonders attraktive Sitzung im Rahmen des Programms des Tagungspräsidenten. Professor Klaus Ley aus Kalifornien, einer der Pioniere des immunologischen Verständnisses der koronaren Herzerkrankung, wird das neueste Wissen aus seinem Spezialgebiet referieren. Professor Dieter Reinhardt aus Montreal berichtet von der Bedeutung inflammatorischer Signalwege bei den Aortenerkrankungen, einer Erkrankung, die wir noch nicht umfassend verstanden haben. Da wir mittlerweile auch Hinweise darauf haben, dass Arrhythmien ganz wesentlich durch Entzündungsstimuli begünstigt werden, widmen wir uns auch diesem Thema. Für die Herzinsuffizienz schließlich, die wahrscheinlich größte Herausforderung unseres Faches, ist die inflammatorische Basis ebenfalls etabliert und wird in der Session diskutiert. Alle Redner werden die Perspektive, inflammatorische Signalwege medikamentös zu attackieren, aufgreifen und uns zeigen, in welchem Bereich künftig realistisch betrachtet neue Therapien zu erwarten sind.

Dass Kardiologen sich unter dem Dach dieses Kongresses mit kardiovaskulärer Inflammation intensiv auseinandersetzen, ist auch deswegen von großer Bedeutung, weil mit Sicherheit die isolierte Behandlung der Gefäßerkrankungen durch cholesterinsenkende Therapie nicht ausreichen wird. Weder Gefäßerkrankungen, noch die Herzinsuffizienz oder Arrhythmien sind hiermit ausreichend behandelbar.

Das bedeutet: Für diese drei großen Krankheitsbilder erhoffe ich mir, dass – in Anbetracht der Dringlichkeit, Medikamente zu entwickeln und der schlechten Prognose unserer Patienten mit diesen Erkrankungen – auf dem Gebiet der Entzündungsforschung neue Signalwege definiert werden, die sich in pharmakologische Therapien übersetzen lassen. Ich hoffe, dass der nächste große, innovative Schritt pharmakologischer Art in der Tat im Bereich inflammatorischer Therapiestrategien für diese Erkrankungen liegen wird.

Die Jahrestagung der DGK vereint unter einem Dach nicht nur klinisch tätige und niedergelassene Kardiologen, sondern eben auch Grundlagenforscher, die die Basis dafür liefern, Mechanismen zu diskutieren, die unser Fach weiter voranbringen. Diese Kombination ist heutzutage, wo die Diversifizierung unseres Faches voranschreitet und auch Kongresse immer öfter nur eng umschriebene Themengebiete behandeln, etwas Besonderes. Dies macht, so denke ich, die enorme Attraktivität des DGK-Kongresses aus.