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STEMI offenbart bessere Prognose als NSTEMI bei Patienten mit malignen Arrhythmien und plötzlichem Herztod

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Priv.-Doz. Dr. Michael Behnes , Mannheim

Maligne Herzrhythmusstörungen und der plötzliche Herztod (PHT) sind oft durch ein akutes Koronarsyndrom verursacht und mit ungünstigen klinischen Ereignissen assoziiert.1-4 Patienten mit einem ST-Streckenhebungs-Myokardinfarkt (STEMI) sollten eine Koronarangiographie innerhalb von 90 bis 120 Minuten erhalten, während Patienten mit einem Nicht-ST-Streckenhebungs-Myokardinfarkt (NSTEMI) innerhalb von 72 Stunden invasiv untersucht werden sollten.5 Das Risiko einer irreversiblen Myokardischämie ist innerhalb dieser 72 Stunden am größten und stellt damit eine Quelle für arrhythmogene Foci dar, die die Entwicklung von ventrikulären Tachykardien (VT) und Kammerflimmern (VF) begünstigt.6, 7 Darüber hinaus können auch andere Erkrankungen, wie etwa Kardiomyopathien, Ionenkanalerkrankungen, eine Myokarditis oder Elektrolytverschiebungen maligne Herzrhythmusstörungen verursachen.8 Im Falle einer begleitenden Freisetzung von kardialem Troponin ist die Ursache dann ein Myokardinfarkt Typ 2.9, 10 Das Eintreten von lebensbedrohlichen malignen Arrhythmien, hämodynamischer Instabilität, einem kardiogener Schock sowie Herzstillstand sind gefürchtete Komplikationen, die einen Patienten mit einem Hochrisiko-Myokardinfarkt charakterisieren. Jedoch wurden solche Hochrisiko-Patienten von den meisten randomisiert-kontrollierten Studien ausgeschlossen, so dass prognostische Daten über diese wichtige Patientengruppe kaum vorhanden sind. Entsprechend sind Empfehlungen in internationalen Leitlinien heterogen.9

Die vorliegende Studie untersucht deshalb, wie sich die Prognose von Patienten mit malignen Herzrhythmusstörungen (VT und VF) und PHT unterscheidet, wenn diese durch ein akutes Koronarsyndrom (STEMI versus NSTEMI) verursacht wurde. Insgesamt wurden dafür alle Patienten (n=2.813), die sich konsekutiv mit malignen Herzrhythmusstörungen und PHT bei Aufnahme in der Universitätsmedizin Mannheim von 2002 bis 2016 vorstellten, retrospektiv untersucht. Der primäre prognostische Endpunkt war die Gesamt-Mortalität nach 30 und 180 Tagen, sowie nach 2,5 Jahren.

In dieser „real-life“ Kohorte litten 29% aller Hoch-Risiko-Patienten an einem akuten Myokardinfarkt als Ursache für die malignen Arrhythmien (hiervon 10% STEMI und 19% NSTEMI). VF wurde häufiger bei Patienten mit Herzinfarkt (54% versus 31%), während VT häufiger bei Patienten ohne Herzinfarkt (56% versus 30%) beobachtet wurden. Ein plötzlicher Herztod trat häufiger infolge eines Herzinfarktes auf (35% versus 27%). Das mediane Alter betrug 68 Jahre, mit einem größeren Anteil an Männern (74%) und einem ausgeglichenen kardiovaskulären Risikoprofil. NSTEMI Patienten waren häufiger an einer Herzinsuffizienz erkrankt (LVF <35%, 22% versus 17%) und waren häufiger akut dekompensiert (16% versus 7%), während ein kardiogener Schock vergleichbar häufig in beiden Gruppen auftrat (33% versus 35%). Eine PCI wurde häufiger bei STEMI als NSTEMI Patienten durchgeführt (93% versus 76%), wobei die Vorderwand- und rechte Herzkranzarterie die häufigsten Zielgefäße waren. Ein intrakoronarer Thrombus war in 25% aller STEMI Patienten nachweisbar. Die PCI-Rate bei Patienten ohne Herzinfarkt lag bei 21%. Das Auftreten einer VT 48 Stunden nach Infarktbeginn war bereits mit einer höheren 30-Tages Mortalität assoziiert verglichen einer VT innerhalb von 48 Stunden, unabhängig von der Art des Herzinfarktes (STEMI/NSTEMI) (not matched, log rank p < 0.001).

Nach retrospektiven Matching mittels “Propensity-Scores” ergaben sich Patienten-Kohorten, die hinsichtlich Alter, Geschlecht, Diabetes, Herzinsuffizienz, koronarer Herzerkrankung, implantiertem Defibrillator (ICD), Niereninsuffizienz, maligner Arrhythmie und kardiopulmonaler Reanimation gleichverteilt waren (Herzinfarkt versus kein Herzinfarkt, je n=353; STEMI versus NSTEMI, je n=156).

Dadurch konnte gezeigt werden, dass Hochrisiko-Patienten ohne Herzinfarkt zu jedem Follow-Up-Zeitpunkt (30, 180 Tage und 2,5 Jahre) ein signifikant schlechteres Überleben als Patienten mit Herzinfarkt vorwiesen (Mortalitätsraten nach 2,5 Jahren: 46% versus 36%; log rank p=0.024; HR = 1.302; 95% CI 1.032-1.642; p=0.026) (Abbildung 1 links). Demgegenüber wiesen auch Patienten mit NSTEMI zu jedem Follow-Up Zeitpunkt ein signifikant schlechteres Überleben auf als STEMI Patienten (Mortalitätsraten nach 2,5 Jahren: 38% versus 26%; log rank p=0.031; HR = 1.521; 95% CI 1.031 – 2.241; p=0.035) (Abbildung 1 rechts). Die Durchführung einer Koronarangiographie, VF und ein ICD hatten einen günstigen Einfluss auf Überleben, während eine chronische Niereninsuffizienz, kardiogener Schock, Reanimation und VT die Prognose verschlechterten.

Zusammenfassend konnte bei Hochrisiko-Patienten mit malignen Herzrhythmusstörungen und PHT ohne zugrundeliegenden Herzinfarkt die schlechteste Prognose beobachtet werden, während Patienten mit NSTEMI ein schlechteres Outcome im Vergleich zu STEMI Patienten vorwiesen. Entsprechend wiesen Herzinfarkt-Patienten mit VT nach 48 Stunden eine schlechtere Prognose auf verglichen mit einer VT innerhalb von 48 Stunden. Eine frühe invasive Abklärung per Koronarangiographie und PCI ist entsprechend der vorliegenden Daten, wenn auch „nur“ retrospektiv erhoben, bei Hochrisiko-Patienten mit Herzinfarkt zu befürworten, unabhängig davon ob ein NSTEMI oder STEMI vorliegt. Patienten ohne Myokardinfarkt sollten ebenfalls frühzeitig angiographiert werden, da sie mit der schlechtesten Langzeit-Prognose assoziiert waren.

Referenzen

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  8. Priori SG, Blomstrom-Lundqvist C, Mazzanti A, Blom N, Borggrefe M, Camm J, Elliott PM, Fitzsimons D, Hatala R, Hindricks G, Kirchhof P, Kjeldsen K, Kuck KH, Hernandez-Madrid A, Nikolaou N, Norekval TM, Spaulding C and Van Veldhuisen DJ. 2015 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death: The Task Force for the Management of Patients with Ventricular Arrhythmias and the Prevention of Sudden Cardiac Death of the European Society of Cardiology (ESC). Endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC). Eur Heart J. 2015;36:2793-867.
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