Grafenberger Allee 100
40237 Düsseldorf
Tel.: + 49 211 600692-0
Fax: + 49 211 600692-10
info@dgk.org

Lebensqualität nach akuter Lungenarterienembolie

Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial

Dr. Karsten Keller, Mainz 

Hintergrund: Zu den möglichen Langzeitfolgen einer akuten Lungenembolie (LE) zählen ein Lungenembolie-Rezidiv, die Entwicklung einer tiefen Venenthrombose, eines postthrombotischen Syndroms nach tiefer Beinvenenthrombose sowie einer chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie (CTEPH) als auch Blutungen aufgrund der notwendigen Antikoagulation. Neben diesen beschriebenen Komplikationen haben einige Studien gezeigt, dass ca. die Hälfte der Patienten nach einer Lungenembolie an persistierenden Symptomen, wie zum Beispiel anhaltender Dyspnoe, und funktionellen Einschränkungen leiden sowie über eine eingeschränkte Lebensqualität berichten. Obwohl die Lebensqualität bei Patienten mit anderen kardiovaskulären Krankheitsbildern, wie Herzinsuffizienz und pulmonal-arterieller Hypertonie, gut untersucht ist, eine reduzierte Lebensqualität mit einer schlechteren Prognose in Zusammenhang steht und in klinischen Studien bereits als Endpunkt Verwendung findet, war die Lebensqualität nach überlebter akuter Lungenembolie bislang nur im Fokus weniger Studien.

Daher bestand das Ziel der vorliegenden Studie darin, den deutschsprachigen krankheitsspezifischen Lebensqualitäts-Fragebogen für Patienten nach einer Lungenembolie (englische Bezeichnung: Pulmonary Embolism Quality of Life [PEmb-QoL] [1]) zu validieren, Assoziationen zwischen der Lebensqualität und sowohl klinischen als auch funktionalen Parametern sechs Monate nach dem Lungenembolie-Ereignis zu identifizieren und die prognostische Relevanz der erfassten Lebensqualität in Bezug auf das Langzeitüberleben zu untersuchen.

Hierfür wurde den Patienten mit einer akuten Lungenembolie, die im Zeitraum zwischen Januar 2011 und August 2013 in das „Lungenembolie-Register Göttingen“ (Pulmonary Embolism Registry Göttingen [PERGO]) eingeschlossen worden waren, angeboten, sich sechs Monate nach dem Lungenembolie-Ereignis zu einem Nachuntersuchungstermin vorzustellen. Beim Nachuntersuchungstermin wurden sowohl eine erneute Anamnese erhoben als auch eine klinische Untersuchung, eine transthorakale Echokardiographie und eine Blutuntersuchung durchgeführt. Die Lebensqualität der Patienten wurde anhand der deutschsprachigen Version des PEmb-QoL Fragebogens erfasst, welcher sich aus sechs Fragenkategorien zusammensetzt („Häufigkeit der Beschwerden“, „Beeinträchtigungen bei Aktivitäten des Alltags“, „Beeinträchtigungen bei Aktivitäten des Berufslebens“, „soziale Beeinträchtigungen“, „Intensität der Beschwerden“, „emotional-psychische Beeinträchtigungen“), ermittelt [1].

Echokardiographische Zeichen einer rechtsventrikulären Dysfunktion zum Zeitpunkt des Nachuntersuchungstermins waren definiert als Vorhandensein eines der folgenden Kriterien [2, 3]: basaler Durchmesser des rechten Ventrikels >4.2 cm, tricuspid annular plane systolic excursion (TAPSE) <1.6 cm, erhöhter rechts-atrialer Druck bei fehlendem inspiratorischen Kollaps der Vena cava inferior, Geschwindigkeit des Trikuspidalklappeninsuffizienzjets ≥2.8 m/s und/oder das Vorliegen eines Perikardergusses.

Ein “post-Lungenembolie-Syndrom” war definiert als eine Kombination aus dem Vorliegen einer rechtsventrikulären Dysfunktion (wie oben beschrieben) und zusätzlich dem Vorhandensein von mindestens einem klinischen Zeichen oder erhöhtem Labor-Parameter bestehend aus peripheren Ödemen, Dyspnoe/Ermüdbarkeit (NYHA Klasse III/IV) oder erhöhten geschlechts- und altersspezifischen NT-proBNP-Blutplasmawerten [3].

Die interne Konsistenz-Reliabilität, die Konstruktvalidität und die Zusammenhänge zwischen den PEmb-QoL-Ergebnissen und klinischen Patientencharakteristika als auch Untersuchungsergebnissen und dem sozio-ökonomischen Status (Familienstand, Kinder, Wohnort [Stadt oder Land], Ausbildung, Beruf und Einkommen) wurden mit standardisierten statistischen Verfahren untersucht. Weiterhin wurde der Einfluss der Lebensqualitätsergebnisse auf das Langzeitüberleben der Patienten analysiert. Insgesamt nahmen 101 Patienten (medianes Alter 69 [IQR 57-75] Jahre, 48,5% Frauen) die Einladung an, sich im Median 208 (185-242) Tage nach der akuten Lungenembolie untersuchen zu lassen; der PEmb-QoL Fragebogen wurde von 86% der Patienten komplettiert.

Die interne Konsistenz-Reliabilität war als ausreichend zu betrachten (Cronbach α=0,77-0,91) mit Ausnahme der Fragen-Kategorie “Intensität der Beschwerden” (α=0,54). Die Konstruktvalidität zeigte akzeptable Assoziationen der Einzelfragen mit den vorgesehenen Eingruppierungen im Gesamtfragebogenkonstrukt, jedoch ließen einige der Fragenkategorien deutliche Bodeneffekte beobachten (12,0-59,2%).

Insgesamt entwickelten 12,9% der Patienten ein postthrombotisches Syndrom, 4,0% eine CTEPH, bei 5,9% wurde eine Krebserkrankung neu diagnostiziert und kein Patient erlitt ein Lungenembolie-Rezidiv. 18,8% der Patienten berichteten zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung über Dyspnoe bereits bei leichten körperlichen Belastungen (NYHA Klasse III/IV), bei 25,3% wurde ein “post-Lungenembolie-Syndrom” diagnostiziert und bei 15,7% wurde eine Depression festgestellt.

Während eine Dyspnoe (NYHA Klasse III/IV) mit allen Fragenkategorien außer „emotional-psychische Beeinträchtigungen” in Zusammenhang stand, war ein “post-Lungenembolie-Syndrom” nur mit der Fragenkategorie “Beeinträchtigungen bei Aktivitäten des Berufslebens” (OR 3,4 [95% CI 1,1-10,8]; p=0,041) assoziiert. Im Gegensatz dazu wurden die verschiedenen Kategorien des PEmb-QoLs weder durch eine Depression, noch durch eine Krebserkrankung oder eine rechtsventrikuläre Dysfunktion beeinflusst und der sozio-ökonomische Status wirkte sich nur gering auf die Lebensqualität aus (Abbildung 1A).

Insgesamt verstarben 12 Patienten (11,9%) im Langzeitbeobachtungszeitraum (3,6 [IQR, 3,1-4,5] Jahre). Die Fragendimensionen „Beeinträchtigungen bei Aktivitäten des Alltags”, „Beeinträchtigungen bei Aktivitäten des Berufslebens”, „soziale Beeinträchtigungen” und „emotional-psychische Beeinträchtigungen” waren jeweils mit einem erhöhten Risiko assoziiert, im Langzeitverlauf zu versterben (Abbildung 1B). Im Gegensatz dazu, hatten alle anderen untersuchten Parameter zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung – einschließlich des “post-Lungenembolie-Syndroms” – keinen relevanten Einfluss auf das Langzeitüberleben.

Folgende Schlussfolgerungen sind daraus ableitbar: Der deutschsprachige PEmb-QoL Fragebogen ist ein validiertes, zuverlässiges Instrument, um die Lebensqualität von Patienten sechs Monate nach einer Lungenembolie zu untersuchen; trotzdem zeigte unsere Untersuchung Schwächen des Fragebogens auf, welche durch größere Bodeneffekte der Fragenkategorien gekennzeichnet sind.

Wichtige Einflussfaktoren mit Auswirkungen auf die Lebensqualität sind Dyspnoe (NYHA Klasse III/IV) und das Vorliegen eines “post-Lungenembolie-Syndrom” sechs Monate nach dem Lungenembolie-Ereignis. Darüber hinaus war eine reduzierte Lebensqualität mit einem erhöhten Risiko verbunden, im Langzeitverlauf zu versterben.

Literatur:

  1. Klok, F.A., et al., Quality of life after pulmonary embolism: validation of the PEmb-QoL Questionnaire. J Thromb Haemost, 2010. 8(3): p. 523-32.
  2. Rudski, L.G., et al., Guidelines for the echocardiographic assessment of the right heart in adults: a report from the American Society of Echocardiography endorsed by the European Association of Echocardiography, a registered branch of the European Society of Cardiology, and the Canadian Society of Echocardiography. J Am Soc Echocardiogr, 2010. 23(7): p. 685-713; quiz 786-8.
  3. Konstantinides, S.V., et al., Late outcomes after acute pulmonary embolism: rationale and design of FOCUS, a prospective observational multicenter cohort study. J Thromb Thrombolysis, 2016. 42(4): p. 600-9.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org