Risikofaktoren für das Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen in einem Vorhofflimmerkollektiv – eine retrospektive Singlecenter Studie
Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial
Dr. Johannes Siebermair, Essen
Hintergrund
Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Herzrhythmusstörung des Menschen, mit dramatisch steigender Häufigkeit mit zunehmendem Lebensalter (1). Neben Symptomen wie Palpitationen, Herzrasen oder Dyspnoe sind es vor allem die schwerwiegenden Komplikationen ischämischer Schlaganfall und Herzinsuffizienz, welche mit einer erheblichen Morbidität und Mortalität vergesellschaftet sind. Neben der klinischen Bedeutung für den individuellen Patienten lässt sich aus geschätzten 600 bis 7700 Euro Behandlungskosten pro Patient und Behandlungsjahr die zusätzliche enorme sozioökonomische Belastung von Vorhofflimmern für das Gesundheitssystem abschätzen (2). Dabei stellten randomisierte Studien der jüngeren Vergangenheit vorwiegend die Rezidivraten von VHF nach interventioneller oder medikamentöser Behandlung in den Vordergrund. Ziel dieser großen Querschnittsstudie war, a) die Häufigkeit „harter“ klinischer Endpunkte in einem „real-world“ Kollektiv von Patienten mit Vorhofflimmern zu analysieren. In einem zweiten Schritt (b) wurden Einflussfaktoren identifiziert, welche mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse assoziiert waren, mit dem Ziel, ein Hochrisikokollektiv innerhalb der Patienten mit Vorhofflimmern zu identifizieren.
Methodik
Ausgewertet wurden zum Stichtag 31.12.2017 alle Patienten, welche sich zwischen 1.1.2012 und 30.06.2015 mit der Hauptdiagnose „Vorhofflimmern“ an der Medizinischen Klinik I des Klinikums der Universität München stationär vorgestellt hatten. Dabei wurden sowohl Patienten mit der Erstdiagnose Vorhofflimmern als auch Patienten mit bereits bekannter Diagnose von Vorhofflimmern in die Untersuchung eingeschlossen. Daten zu den vordefinierten Endpunkten wurden primär den Patientenakten und dem klinikinternen Patienteninformationssystem entnommen, zudem wurden alle Patienten telefonisch, nach Einholung eines mündlichen Einverständnisses, kontaktiert und befragt. Der kombinierte Endpunkt (MACCE) setzte sich zusammen aus Tod jeglicher Ursache, Hospitalisierung wegen Verschlechterung einer Herzinsuffizienz, TIA/Schlaganfall, sowie sonstige nicht-VHF bedingte Hospitalisationen. Klinische und demographische Patientencharakteristika wurden in Bezug auf deren Einfluss auf die definierten Endpunkte mittels Regressionsanalyse untersucht, zudem erfolgte eine Adjustierung des Modelles für signifikante Variablen.
Ergebnisse
Das mittlere Alter der untersuchten Patienten betrug 72.8 ± 10.7 Jahre (58.2% Männer, davon 44.4 % der Patienten mit persistierendem oder permanentem Vorhofflimmern). Der kombinierte Endpunkt wurde in 242/996 (24.3%) der Patienten nach einer durchschnittlichen Zeit von 3.5 ± 0.1 Jahren erreicht (Abbildung 1). Abbildung 2 schlüsselt die Aufteilung des kombinierten Endpunktes wieder, wobei nicht-VHF assoziierte Hospitalisationen den quantitativ wichtigsten Endpunkt darstellten. In der univariaten Analyse waren koronare Herzerkrankung (KHK), Herz- sowie Niereninsuffizienz am stärksten mit MACCE assoziiert. Das adjustierten Modell bestätigte Alter (HR 1,02; p<0,03), KHK (HR 1,80; p<0,01), Herzinsuffizienz (HR 1,64; p=0.02) sowie Niereninsuffizienz (HR 1,44; p=0.02) als signifikant mit dem Auftreten von MACCE assoziiert (Tabelle 1).
Diskussion und Ausblick
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass kardiovaskuläre Ereignisse mit 25% nach durchschnittlich 3,5 Jahren relativ häufig bei Patienten auftreten, welche mit der Diagnose VHF hospitalisiert wurden. Als stärkste Risikofaktoren erscheinen das Vorliegen einer KHK, Herzinsuffizienz oder einer Niereninsuffizienz. Basierend auf diesen Daten sollten vor allem diese VHF-Hochrisikopatienten Ziel von zukünftigen Interventionsstudien sein, mit dem Ziel der Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse.
Univariat | Adjustiert | |||
HR | p-value | HR | p-value | |
Alter | 1,03 | <0,01 | 1,02 | 0,03 |
Weibl. Geschlecht | 0,92 | 0,52 | 0,83 | 0,18 |
Hypertonus | 1,51 | <0,01 | 1,06 | 0,77 |
KHK | 2,10 | <0,01 | 1,80 | <0,01 |
Diabetes | 1,58 | <0,01 | 1,21 | 0,23 |
Herzinsuffizienz | 2,02 | <0,01 | 1,64 | 0,02 |
Niereninsuffizienz | 2,00 | <0,01 | 1,44 | 0,02 |
Permanentes VHF | 1,68 | <0,01 | 1,25 | 0,29 |
Frequenzkontrolle | 1,49 | <0,01 | 1,17 | 2,27 |
Tabelle 1: Uni- und multivariate Assoziation klinischer und demographischer Charakteristika mit dem kombinierten Endpunkt
- Kirchhof P, Benussi S, Kotecha D et al. 2016 ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS. Eur Heart J 2016;37:2893-2962.
- Bruggenjurgen B, Reinhold T, McBride D, Willich SN. [Atrial fibrillation–epidemiologic, economic and individual burden of disease]. Dtsch Med Wochenschr 2010;135 Suppl 2:S21-5.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org