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Der präklinisch reanimierte Patient: Wann kathetern und wann nicht?

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Dr. Anna Lena Lahmann, München

Der außerklinische Herz-Kreislaufstillstand gehört zu den häufigsten Todesursachen in der westlichen Welt und ist, trotz vieler Fortschritte bei der präklinischen und intensivmedizinischen Versorgung in den letzten Jahren, immer noch mit einer sehr schlechten Prognose assoziiert.

Zu den Durchbrüchen der letzten Jahre gehören die Etablierung der Laienreanimation und die weite Verbreitung von automatischen externen Defibrillatoren (AEDs) an öffentlichen Plätzen sowie die Tatsache, dass Überleben und neurologischer Status durch Hypothermiebehandlung und Notfall-PCI verbessert werden konnten.

Da es sich bei den Überlebenden um eine sehr heterogene Patientengruppe handelt und in der Notfallsituation wichtige Informationen wie Komorbiditäten und Anamnese nicht vorliegen, bleibt die richtige Selektion der Patienten zur optimalen Diagnostik und Therapie, insbesondere die Triage zur umgehenden Herzkatheteruntersuchung, eine große Herausforderung für den internistischen Intensivmediziner.

Wir haben 519 Patienten, die zwischen 2003 und 2017 auf zwei kardiologischen Intensivstationen in Münchener Uniklinken nach präklinischer Reanimation aufgenommen wurden, retrospektiv analysiert. Primärer Endpunkt war das 30-Tages-Überleben, sekundärer Endpunkt der neurologische Status bei Entlassung, erhoben mit dem Cerebral Performance Category Index (CPC).

Die Patienten wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Diejenigen, die umgehend kathetert wurden und diejenigen, welche nicht primär koronarangiographiert wurden. Die Triage der Patienten zu umgehenden Herzkatheteruntersuchung unterlag der Entscheidungsfreiheit des behandelnden Intensivmediziners zusammen mit dem interventionellen Kardiologen. Wenn verfügbar, flossen die Informationen des Rettungsdienstes vor Ort, EKG und Echokardiographie direkt nach Aufnahme in die Entscheidungsfindung mit ein.

Unsere Studie repräsentiert eine der größten untersuchten Kohorten von Patienten nach präklinischer Reanimation mit Daten zur Koronarangiographie in Europa. Es war unser Ziel, dieses extrem heterogene und kritisch kranke Patientenkollektiv speziell in Hinblick auf den Einfluss einer umgehenden Koronarangiographie mit ggf. konsekutiver PCI zu charakterisieren. Vor diesem Hintergrund sind dies im Folgenden die hervorstechendsten Ergebnisse:

Die meisten unserer Patienten zeigten im initialen EKG nach Wiedererlangung eines Spontankreislaufes (ROSC) Kammerflimmern (51.6%), gefolgt von Asystolie in 30.9% der Fälle.

Die häufigsten Ursachen des Herz-Kreislaufstillstandes waren der ST-Hebungsinfarkt (21.4%) und Nicht-ST-Hebungsinfarkt (27.4%).

Bei 62.0% der Patienten, die notfallmäßig kathetert wurden, war der initiale Rhythmus Kammerflimmern, demgegenüber stehen 20.8% der Patienten mit Kammerflimmern als erstem dokumentiertem Rhythmus in der nicht umgehend koronarangiographierten Gruppe.

Was das präklinische Setting angeht, so wurden Patienten mit sofortiger Koronarangiographie signifikant häufiger laienreanimiert (259 [73.0%] vs. 77 [62.1%], p=0.02) und der Herz-Kreislaufstillstand wurde deutlich häufiger beobachtet (295 [81.0%] vs. 86 [69.9%], p=0.01). Patienten in der nicht sofort koronarangiographierten Gruppe wurden signifikant häufiger zu Hause aufgefunden (91 [71.7%] vs. 207 [54.5%], p<0.001).

385 von 519 Patienten (74.1%) wurden direkt nach Aufnahme notfallmäßig in den Herzkatheter verbracht und dargestellt. Eine koronare Herzkrankheit zeigte sich bei 76.1% der Patienten, eine culprit lesion wurde in 247 von 385 Patienten identifiziert (64.2%) und mittels PCI versorgt.

Das 30-Tagesüberleben der 519 eingeschlossenen Patienten lag bei 49.8% und war signifikant höher bei Patienten die sofort einer Herzkatheteruntersuchung unterzogen wurden (59.6% versus 22.5%, p<0.001). ROSC bei Aufnahme im Krankenhaus (OR, 4.09; 95% CI, 1.58-10.54) und der beobachtete Herz-Kreislaufstillstand (OR, 4.27; 95% CI, 1.95-9.35) waren in der multivariaten Analyse mit besserem 30-Tagesüberleben assoziiert.

Der bei Entlassung erhobene neurologische Status der Patienten zeigte ein positives Outcome, definiert als CPC 1 und 2, bei signifikant mehr Patienten in der Herzkathetergruppe (CPC 1 and 2 in 57.9% vs. 34.2%, p=0.01).

In der multivariaten Analyse waren der Herz-Kreislaufstillstand zu Hause (OR, 0.45; 95% CI, 0.23-0.88) und eine Asystolie im initialen EKG (OR, 0.17; 95% CI, 0.06-0.50) prädiktive Faktoren für ein schlechtes neurologisches Outcome.

Zusammenfassung:

Unsere Ergebnisse heben die Bedeutung der Laienreanimation als einer der wichtigsten Faktoren für das Überleben nach präklinischer Reanimation hervor. Wie kürzlich von Blom et al gezeigt werden konnte, ist auch die Verbreitung von AEDs an öffentlichen Plätzen mit verbessertem Überleben assoziiert, was die Wichtigkeit der Qualität der präklinischen Versorgung unterstreicht. Damit einhergehend, haben wir in unserem Patientenkollektiv nur ROSC bei Aufnahme und den beobachteten Herz-Kreislaufstillstand als prädiktive Faktoren für ein besseres 30-Tagesüberleben identifiziert.

Weder die notfallmäßige Koronarangiographie noch die sofortige PCI waren Prädiktoren für ein besseres 30-Tages-Überleben in dieser Patientengruppe, was sich sicherlich durch die Selektion der Patienten erklärt und die Relevanz von effektiven Screening-Algorithmen bei Aufnahme unterstützt.

Ob der Notfall-Herzkatheter mit anschließender PCI mit verbessertem Outcome verbunden ist oder Komorbiditäten und bisher unbekannte Faktoren das Überleben dieser kritisch kranken Patientengruppe determinieren, müssen prospektiv-randomisierte Studien wie TOMAHWK, COACT und DISCO zeigen – wenn die Ergebnisse vorliegen, wissen wir mehr…

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org