Der Einfluss von Übergewicht auf die Rekanalisation chronischer Koronarverschlüsse
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Dr. Jan-Erik Gülker, Krefeld
Ein chronischer Verschluss eines Koronargefäßes (CTO = chronic total occlusion) wird bei bis zu 20% jeder diagnostischen Herzkatheteruntersuchung nachgewiesen. Die Rekanalisation dieser Läsionen bleibt eine Herausforderung in der interventionellen Kardiologie. Aufgrund neuer Techniken wie der retrograden Rekanalisationstechnik und neuer Materialien wie innovativer Interventionsdrähte und Entwicklung spezieller Mikrokatheter kann in erfahrenen Zentren eine Rekanalisationsrate von mehr als 90% erreicht werden. Bestehen Angina Pectoris Beschwerden, kann Viabilität und/oder Ischämie von mehr als 10% des betroffenen Myokardareals nachgewiesen werden, ist eine Revaskularisation anzustreben auch bei Vorliegen einer Kollateralenversorgung.
Übergewicht ist ein etablierter Teil des kardiovaskulären Risikoprofils. Es ist, mit seinen assoziierten Risikofaktoren, dem arteriellen Bluthochdruck, Diabetes Mellitus und Dyslipidämie, vergesellschaftet mit einer erhöhten kardiovaskulären Morbidität und Mortalität.
Wir untersuchten in einer retrospektiven Studie den Zusammenhang zwischen Body-Mass-Index (BMI) und den intrahospitalen Ergebnissen nach Rekanalisation einer CTO. Zwischen 2012 und 2018 wurden in unserem Zentrum 600 Patienten eingeschlossen. Antegrade und retrograde Rekanalisationstechniken wurden ebenso verwendet wie eine kontrallaterale Injektion zur Darstellung der Kollateralenversorgung. Der BMI wurde gemäß der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO = World Health Organisation) berechnet und die Patientenkohorte wurde in vier Gruppen unterteilt: in normgewichtige Patienten (18.5-24.9 kg/m²), übergewichtige Patienten (25-29.9 kg/m²), adipöse Patienten (30-34.9 kg/m²) und sehr adipöse Patienten (≥35 kg/m²).
Die Mehrheit der Patienten war männlich (84,6%), und das Durchschnittsalter betrug 62 Jahre. Von den 600 Patienten hatten 77 (15,2%) ein normales Gewicht, 286 (56,3%) waren übergewichtig, 106 (20,9%) adipös und 39 (7,7%) sehr adipös (Abb.1).
Die Prävalenz der meisten kardiovaskulären Risikofaktoren wie Diabetes Mellitus, arterieller Hypertonus und familiäre Veranlagung für eine koronare Herzerkrankung (KHK) nahm parallel zu steigenden BMI-Kategorien zu. Der J-CTO-Score, welcher die Komplexität der Koronarläsion beschreibt und u.a. die Länge des Verschlusses, die Morphologie der proximalen Verschlusskappe und die Kalzifikation des Verschlusses umfasst, war in allen BMI-Kategorien vergleichbar. Die Menge an Kontrastmitteln und die Durchleuchtungszeit stiegen tendenziell zu steigenden BMI Kategorien, während die Strahlendosis bei erhöhten BMI-Kategorien signifikant anstieg, ohne allerdings akute strahleninduzierte Hautläsion hervorzurufen. Normalgewichtige Patienten hatten im Vergleich zu adipösen Patienten eine kürzere Untersuchungszeit. Die Erfolgsraten waren in allen BMI-Kategorien ähnlich (Abb. 2). Intrahospitale Komplikationen waren selten und zeigten keinen statistisch signifikanten Unterschied. Sie umfassten meist vaskuläre Komplikationen wie ein lokales Hämatom an der Punktionsstelle sowie eine Perikardamponade, die mit einer Perikardpunktion und ohne weitere Folgen behandelt werden konnte. Wir beobachteten keine schweren Komplikationen wie periprozedural Tod oder ST-Hebungsinfarkt.
Unsere retrospektive Analyse zeigt, dass bei Patienten mit Übergewicht, unabhängig vom Grad des Übergewichts, eine erfolgreiche Rekanalisation komplexer Läsionen, wie einer CTO durchgeführt werden können. Allerdings muss man sich des Problems der längeren Untersuchungs- und Durchleuchtungszeiten sowie einer erhöhten Strahlendosis bewusst sein.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org