Nachhaltige Sekundärprävention bei Koronarkranken – stellen kognitive Beeinträchtigungen Barrieren dar?
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Dr. Annett Salzwedel und Prof. Dr. Heinz Völler, Potsdam
Einleitung
Die multimodale kardiologische Rehabilitation beinhaltet neben Sport- bzw. Physiotherapie und medizinischer Versorgung vor allem psychoedukative Interventionen. Insbesondere Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) erhalten umfangreiche krankheitsbezogene Schulungen während der Rehabilitation, deren Ziel die Vermittlung von Wissen zur langfristigen Verbesserung der Therapieadhärenz und der Handlungskompetenz in Bezug auf die Herzerkrankung ist. Hierbei wird eine adäquate kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten vorausgesetzt, obgleich kardiovaskuläre Erkrankungen mit kognitiven Beeinträchtigungen, auch bereits im mittleren Lebensalter, assoziiert sind.
Ziel vorliegender Studie war es, die Prävalenz Kognitiver Beeinträchtigung (KB) und deren Einfluss auf den Schulungserfolg bei Patienten mit Koronarer Herzerkrankung (KHK) unter 65 Jahren in der kardiologischen Anschlussheilbehandlung zu untersuchen.
Methode
Zwischen 09/2014 und 08/2015 wurden in zwei Rehabilitationskliniken 497 Patienten (54,5 ± 6,2 Jahre, 79,8 % männl., Akuttherapie: 67,5 % PCI, 28,2 % CABG, 4,3 % konservativ) in die prospektive Beobachtungsstudie eingeschlossen. Die kognitive Leistungsfähigkeit der Patienten wurde zu Beginn und vor der Entlassung aus der CR mit dem Montreal Cognitive Assessment ermittelt (MoCA; max. 30 Punkte, Cutoff für KB: <26 Punkte). Der Schulungserfolg wurde über ein Wissensquiz operationalisiert, das bei Aufnahme und Entlassung sowie 6 Monate nach der CR durchgeführt wurde. Es beinhaltete zwei Skalen zu medizinischem Wissen (22 Fragen) bzw. zu gesundem Lebensstil und Verhalten (12 Fragen). Darüber hinaus wurde eine Vielzahl potentiell einflussnehmender Parameter dokumentiert (z. B. Bildungsgrad, Medikation, kardiovaskuläre Risikofaktoren, Komorbiditäten, körperliche Leistungsfähigkeit und Fitness). Der Wissenszuwachs während und die Entwicklung des Wissens nach der Rehabilitation wurden in multivariaten Regressionsmodellen analysiert.
Ergebnisse
Bei 182 Patienten (36,7%) wurde zu Beginn der CR eine KB festgestellt, während bei Entlassung 163 Patienten (32,9%; p<0,001) betroffen waren. Die Ausprägung der Beeinträchtigungen kann dabei der sogenannten Leichten Kognitiven Beeinträchtigung (LKB) zugeordnet werden, da in der untersuchten Population lediglich für neun Patienten mäßig bis starke Beeinträchtigungen festgestellt wurden. Durchschnittlich wurden im MoCA 26,0±3,1 bzw. 26,4±2,9 Punkte erzielt (p<0.001).
Während der Rehabilitation konnte das krankheitsbezogene Wissen in beiden Skalen signifikant vermehrt werden. 6 Monate nach Entlassung war jedoch das medizinische Wissen signifikant reduziert, währenddessen das Wissen zum Lebensstil auf einem stabilen Niveau erhalten blieb (Abb. 1). Darüber hinaus deutete das patientenseitig in der Follow-up-Befragung berichtete Ernährungs- und Aktivitätsverhalten darauf hin, dass diesbezügliche Empfehlungen aus der Rehabilitation zumindest teilweise umgesetzt werden konnten. So war der Anteil der Patienten, die angaben, mindestens einmal pro Woche Obst bzw. Fisch zu konsumieren, signifikant höher als zu Beginn der Rehabilitation (Abb. 2). Außerdem gaben die Patienten an, an deutlich mehr Tagen in der Woche sportlich aktiv zu sein als vor dem Koronarereignis.
Der Schulungserfolg zum Ende der CR wurde von der kognitiven Leistung der Patienten bei Aufnahme in die Rehabilitation beeinflusst (Änderung des medizinischen Wissens pro Punkt im MoCA: 0,09, 95% CI 0,01-0,18, p=0,032; Lebensstil: 0,08, 95% CI 0,03-0,13, p=0,002). Weitere Einflussfaktoren waren Vorwissen, Bildungsgrad, vorhandene Komorbidität und Fitness. Der Erhalt des Wissens nach der Rehabilitation hingegen hing wesentlich von den Ergebnissen im MoCA bei Entlassung aus der CR ab (medizinisches Wissen: 0,28, 95% CI 0,17-0,38, p<0,001; Lebensstil: 0,09, 95% CI 0,03-0,14, p=0,006). Zusätzlich wurde die Nachhaltigkeit der Schulung durch das Vorwissen, die Fitness und Depressivität bei Entlassung aus der CR bedingt.
Schlussfolgerung
Die Patientenschulung in der kardiologischen Rehabilitation führt zu einer Erhöhung des krankheitsbezogenen Wissens der Patienten, wobei medizinische weniger gut als praxis- und lebensnahe Inhalte verinnerlicht werden. Der individuelle Schulungserfolg hängt jedoch wesentlich von der kognitiven Leistungsfähigkeit des Patienten ab. Da ca. ein Drittel der Patienten mit KHK in der Anschlussheilbehandlung von kognitiven Beeinträchtigungen betroffen ist, sollten Schulungsinhalte priorisiert und mithilfe geeigneter didaktischer Methoden vermittelt werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org