Genetik der Aortenklappenstenose: Lipoprotein(a) ein Risikogen?
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Dr. Teresa Trenkwalder, München
Die kalzifizierte Aortenklappenstenose ist der häufigste erworbene Herzklappenfehler in Industrienationen. Bei Personen in der Altersgruppe über 65 Jahre kommt es bei 1/4 der Patienten zunächst zu einer Sklerose der Aortenklappe ohne funktionelle Einengung. Diese stellt jedoch die Vorstufe für die spätere Entwicklung einer hämodynamisch relevanten Stenosierung dar. Die Genese der Erkrankung ist ein multifaktorieller Prozess, der nicht nur durch Umweltfaktoren bedingt ist, sondern auch durch interne genetische Veranlagungen beeinflusst wird (Abbildung 1).
Als Umweltfaktoren wurden vor allem die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren identifiziert. Daher ist es nicht verwunderlich, dass im klinischen Alltag eine große Überlappung von Patienten mit Aortenklappenstenose und koronarer Herzerkrankung besteht. Ein Teil der Patienten entwickelt jedoch eine Stenosierung der Aortenklappe ohne begleitende Verengung der Koronararterien. Dies lässt vermuten, dass auch von der koronaren Herzerkrankung unabhängige Faktoren in der Pathogenese der kalzifizierten Aortenklappenstenose eine Rolle spielen.
Um dies näher zu untersuchen, führten wir eine genetische Analyse bei 1.023 Patienten mit einer isolierten, hämodynamisch relevanten Aortenklappenstenose durch. Patienten mit einer infektiösen Genese oder mit angeborener Aortenklappenerkrankung wurden von der Studie ausgeschlossen. Die Ergebnisse wurden mit einer Kontrollgruppe aus 1.500 Patienten ohne Aortenklappenstenose verglichen. Eine koronare Herzerkrankung war sowohl bei den Fällen als auch bei den Kontrollen angiographisch ausgeschlossen worden.
Es erfolgte die Genotypisierung des führenden Risikogens für die koronare Herzerkrankung, 9p21 (SNP rs1333049), sowie die Analyse des bisher einzig beschriebenen Risikogens für eine morphologische Kalzifizierung der Aortenklappe, Lipoprotein(a) (SNP rs10455872).
Nach Adjustierung für Alter und Geschlecht zeigte sich eine signifikante Assoziation des Lipoprotein(a)-Gens mit der isolierten Aortenklappenstenose. Das bekannte Risikogen der koronaren Herzerkrankung 9p21 zeigte hingegen keinen Zusammenhang mit der kalzifizierten Aortenklappenstenose. Erfreulicherweise konnte eine weiterführende Meta-Analyse unserer Daten zusammen mit einer Kohorte der Universität Leicester aus Großbritannien die Ergebnisse bestätigen. Die Meta-Analyse ergab ebenfalls ein signifikantes Ergebnis für die Assoziation des Risikogens Lipoprotein(a) mit der isolierten Aortenklappenstenose. Auch hier zeigte sich kein Zusammenhang der Aortenklappenstenose mit dem koronaren Risikogen 9p21.
Die Ergebnisse der Untersuchung untermauern einen multifaktoriellen Prozess in der Entstehung der kalzifizierten Aortenklappenstenose. So gibt es eine große Überschneidung der Risikofaktoren für die koronare Herzerkrankung mit der kalzifizierten Aortenklappenstenose, und auch für das Risikogen Lipoprotein(a) wurde bereits ein Zusammenhang mit der koronaren Herzerkrankung beschrieben. Interessanterweise scheint es sich jedoch bei der Genese der Aortenklappenstenose nicht ausschließlich um einen atherosklerotischen Prozess ähnlich der koronaren Herzerkrankung zu handeln. Vielmehr deutet die Datenlage darauf hin, dass es weitere spezifische Faktoren gibt, welche die Entstehung der isolierten Aortenklappenstenose begünstigen. Pathophysiologisch zeigt sich bei der Aortenklappenstenose in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel von der passiven Kalzifizierung in Richtung eines aktiven Prozesses, der durch gestörte Fettstoffwechselprozesse und entzündliche Reaktionen beeinflusst wird. Da das Risikogen von Lipoprotein(a) mit erhöhten Plasmaspiegeln an Lipoprotein(a) einhergeht, wäre hier perspektivisch ein therapeutischer Ansatz durch medikamentöse Senkung des Lipoprotein(a)-Spiegels denkbar.
Unsere Arbeit konnte eine Assoziation zwischen dem Lipoprotein(a)-Gen mit der hämodynamisch relevanten Aortenklappenstenose zeigen und ist ein erster Schritt zur Aufklärung des genetischen Hintergrunds dieser zunehmenden Erkrankung. Weitere groß angelegte Studien werden mit Spannung erwartet, um das Verständnis der kalzifizierten Aortenklappenstenose zu erweitern und damit auch neue therapeutische Möglichkeiten zu entwickeln.
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