Das m6A Methylom in gesundem und erkranktem Myokardium
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Vivien Serbent, Heidelberg
Der Herzmuskel kann sich durch Plastizität in der Proteinexpression an veränderte Lastbedingungen oder ischämischen Stress adaptieren. Dies wird über komplexe Mechanismen auf genetischer, epigenetischer und translationaler Ebene reguliert. Interessanterweise korreliert aber die Menge von Transkripten einer bestimmten mRNA häufig nicht mit der intrazellulären Konzentration des kodierten Proteins. Ursächlich dafür scheinen nicht nur eine Regulation der mRNA Stabilität oder Proteindegradation zu sein, sondern auch eine direkte Kontrolle der Proteinsynthese auf translationaler Ebene.
Ebenso wie DNA und Proteine können auch mRNAs chemisch modifiziert werden. Diese post-transkriptionalen, biochemischen Veränderungen der mRNA (Epi-Transkriptom) beeinflussen die strukturellen und funktionalen Eigenschaften der mRNA. Dadurch haben mRNA Modifikationen eine Wirkung auf Aktivität, Lokalisation und Stabilität der mRNA und darüber direkten Einfluss auf Genexpression und Proteinbiosynthese.
Die am häufigsten vorkommende mRNA-Modifikation in Eukaryoten ist die Methylierung des Adenosin zu N6-Methyladenosin (m6A). Die Methylierung des Adenosins wird durch einen Enzym-Komplex aus den Methyltransferase like 3 und 14 (METTL3 und METTL14) katalysiert, der zusätzlich mit dem Splicing-Faktor Wilms tumor associated protein (WTAP) interagieren kann. Die reverse Demethylierung wird durch das Fat mass and obesity-associated protein (FTO) katalysiert. m6A ist eine dynamische Modifizierung. Bisherige Studien haben bereits gezeigt, dass m6A Modifizierungen in fast allen Aspekten des RNA Metabolismus eine Rolle spielen. So haben m6A Modifizierungen einen direkten Einfluss auf mRNA Stabilität, Splicing, nukleären Transport, Translationsrate wie auch auf die mRNA Degradation. Unter anderem reguliert und beeinflusst das Vorhandensein von m6A in bestimmten Regionen der mRNA die Translation von spezifischen Transkripten in zellulären Stress-Konditionen. Mechanistisch ist bekannt, dass m6A-Modifikationen in Transkripten die Rekrutierung von ribosomalen Untereinheiten induzieren können. Die mRNA ist somit nicht nur Informationsüberträger der DNA, sondern agiert ebenso als Modifikator, Verstärker und Dämpfer dieser Informationen für viele biologische Prozesse in der Zelle.
Bisher ist die Rolle von m6A in kardialer Biologie und Pathophysiologie allerdings nicht untersucht worden. Dysfunktionale Kardiomyozyten zeichnen sich durch eine veränderte Wachstumskinetik, metabolische Veränderungen und erhöhte Apoptose-Anfälligkeit aus. Unklar ist, ob veränderte m6A-Modifikationen in spezifischen Transkripten in erkrankten Kardiomyozyten ursächlich für diese Veränderungen sind.
Das Ziel dieser Studie war es daher zum einen das mRNA-Methylom von gesunden und erkrankten humanen und murinen Herzen zu analysieren und zu vergleichen. Differentiell methylierte Transkripte sollten identifiziert werden. Zum anderen wurde die Rolle der m6A Methylase und Demethylase METTL3 und FTO in Bezug auf das Wachstum und Überleben von Kardiomyozyten in vitro und auf Herzfunktion in vivo untersucht. Für die Analyse des m6A-mRNA-Methloms (m6A- Sequencing oder MeRIP-Sequencing) wird eine Immunpräzipitation mit einem Antikörper gegen m6A durchgeführt.
m6A und RNA- Sequenzierungen wurden durchgeführt an RNAs von DCM, ICM und gesunden Herzgewebeproben. Wie erwartet wurde nur ein Teil der im Input analysierten Transkripte durch die m6A-Sequenzierung identifiziert. Vergleichbare Ergebnisse gab es nach m6A und RNA Sequenzierungen aus murinen Herzen nach akuter Druckbelastung oder Myokardinfarkt. In aktuellen Untersuchungen wird nun der Effekt der m6A Modifikation auf die Stabilität und Translation von spezifischen identifizierten mRNAs untersucht.
Außerdem wurde die Funktion von Mettl3 und FTO in Kardiomyozyten in „loss-of/gain-of“ Versuchen untersucht. Ein verminderte mRNA-Methylierung führte zum einen zu erhöhter Kardiomyozyten-Zellgröße, und verstärkter Expression von Hypertrophie Markern. Zum anderen führte sowohl eine vermehrte wie reduzierte mRNA Methylierung zu einem verminderten Zellüberleben nach Hypoxie. Eine vermehrte mRNA Methylierung in Kardiomyozyten durch eine spezifische Überexpression von METTL3 in vitro führt zu einem verminderten Zellwachstum. Eine AAV9 vermittelte Überexpression von Mettl3 in vivo führt zu einer verringerten LV Masse und kardialer Dysfunktion nach Druckbelastung. In weiterführenden Untersuchungen wurden mittels Ribo-Seq Analysen in vitro und in vivo der Einfluss von Mettl3 auf die Translation von spezifischen Transkripten untersucht.
Zusammenfassend konnte in der vorliegenden Arbeit zum ersten Mal das mRNA Methylom von humanen Kardiomyopathien und murinen Kardiomyopathiemodellen identifiziert und analysiert werden. Es konnten hunderte methylierte Transkripte in humanen Kardiomyopathien und in murinen Krankheitsmodellen identifiziert werden. Außerdem bewirkt eine dysregulierte mRNA Methylierung eine Veränderung der Kardiomyozyten Funktion in vitro und in vivo. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass m6A einen Einfluss auf die myokardiale Funktion und den pathologischen Phänotyp hat. Die Adenosin-mRNA Methylierung bietet somit einen zusätzlichen Ansatz zur Kontrolle der Genexpression im Myokardium.
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