SPICE-Studie: Alternative Sondenlagen bei Defibrillatorpatienten beeinträchtigen nicht die Detektionsgenauigkeit der Geräte
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Prof. Dr. Christof Kolb, München
Der implantierbare Kardioverter Defibrillator (ICD) stellt eine Standardtherapie zur Vermeidung des plötzlichen Herztods bei Hochrisikopatienten dar. Alleine in Deutschland werden jährlich etwa 30.000 Patienten neu mit diesem speziellen Herzschrittmachersystem versorgt. Neben der gewöhnlichen Stimulationsfunktion eines Herzschrittmachers besteht beim ICD die Möglichkeit schnelle, lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen mittels Stimulationsalgorithmen (schmerzfrei) oder Elektroschocks (meist schmerzhaft) zu beenden und damit den plötzlichen Herztod abzuwenden.
Obwohl die ICD-Therapie seit 20 Jahren zum Standardrepertoire des Kardiologen zählt, besteht unter Fachleuten Uneinigkeit in welchem Bereich des Herzens die erforderlichen Elektroden idealerweise eingesetzt werden sollten. Traditionell wird die Sonde in der Spitze des rechten Herzens (apikale Sondenlage) platziert. Diese Sondenposition kann jedoch unter Stimulation zu einer desynchronisierten Kammerkontraktion führen und die Verschlechterung einer Herzschwäche nach sich ziehen. Das mittlere Septum gilt als ein Stimulationsort, an dem diese unerwünschten Effekte der rechtsventrikulären Stimulation weniger stark ausgeprägt sind. Allerdings liegen nur begrenzt Daten aus Studien vor, die diesen Stimulationsort umfassend charakterisieren.
Im Rahmen der internationalen SPICE-Studie (Septale Platzierung von ICD-Elektroden) wurden 299 Patienten mit Indikation zur ICD-Therapie an 20 Zentren randomisiert mit einer rechtsventrikulären Defibrillationselektrode in apikaler oder mittseptaler Lage versorgt und über 1 Jahr nachverfolgt. Die Studie umfasste ein typisches Kollektiv von ICD-Trägern (mittleres Alter 65 Jahre bei Implantation, 80 % Männer, 80% primärprophylaktische ICD-Indikationen, mittlere linksventrikuläre Ejektionsfraktion 28%, 1/3 kardiale Resynchronisationstherapie). Geleitet wurde die Studie von Prof. Dr. Christof Kolb (Deutsches Herzzentrum München), unterstützt wurde die Studie von St. Jude Medical (heute zu Abbott gehörend). Wesentliches Ziel der SPICE-Studie – wie auch einer parallel in Frankreich durchgeführten Studie zur selben Thematik – war es, die Sicherheit der neuen Sondenlage nachzuweisen, so Prof. Kolb. Dementsprechend konzentrierte sich der primäre Endpunkt auf akute Komplikationen, akute Elektrodenmesswerte und die Defibrillierbarkeit der Patienten. Beide Studien zusammengefasst, zeigte sich kein Unterschied zwischen den beiden Sondenpositionen bezüglich akuter Komplikationen.
Auf den Herztagen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in Berlin werden nun sekundären Analysen der SPICE-Studie durch Prof. Kolb (Deutsches Herzzentrum München) vorgestellt. Diese Analysen fokussieren sich auf die Häufigkeit von Arrhythmien und deren korrekte Klassifizierung durch den Defibrillator in Abhängigkeit vom Implantationsort der Elektrode. „Dies ist entscheidend, da wir sicher sein müssen, dass die neue Sondenposition nicht zu gehäuften Arrhythmien führt und dass die Detektionsalgorithmen der Defibrillatoren, die für eine apikale Sondenlage optimiert wurden, auch bei mittseptaler Sondenplatzierung greifen“, betont Prof. Kolb.
Insgesamt fanden sich nach einem Jahr bei einem Drittel der Patienten tachykarde Rhythmusstörungen in den Speichern der Defibrillatoren. Lebensbedrohliche Kammerarrhythmien traten mit gleicher Häufigkeit in beiden Gruppen auf (septal 17% der Patienten, apikal 16 % der Patienten). Alle diese Arrhythmien wurden korrekt von Defibrillator als lebensbedrohlich und therapiebedürftig erkannt. Bei etwa einem Fünftel der Patienten lagen zusätzlich supraventrikuläre Arrhythmien mit erhöhter Kammerfrequenz vor (23% der Patienten mit septaler Sondenlage, 18 % der Patienten mit apikaler Sondenlage, Unterschied statistisch nicht signifikant). Diese Arrhythmien wurden von den Defibrillatoren überwiegend korrekt als nicht behandlungsbedürftig klassifiziert. Jedoch kam es wegen Fehklassifikationen in beiden Gruppen bei 6 % der Patienten zu inadäquaten Schockabgaben.
Da weder eine erhöhte Arrhythmierate noch eine erhöhte Rate an Fehlklassifikationen von tachykarden Rhythmusstörungen bei mittseptaler Sondenlage im Vergleich zur traditionellen apikalen Sondenlage beobachtet wurde, ist nun der Weg frei für weitere Studien, erläutert Prof. Kolb. Diese können sich der langfristigen Untersuchung der Hämodynamik der verschiedenen Stimulationsorte widmen und ggf. den optimalen Stimulationsort für einzelne Patientengruppen bestimmen. Für solche langfristigen, differenzialtherapeutischen Ansätze war die SPICE-Studie nämlich nicht konzipiert.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org