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Langzeit Follow-up von Patienten mit stabiler Angina pectoris und nicht-obstruktiver koronarer Herzerkrankung – Koronarsklerose ein nicht so benigner Befund

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Dr. Christine Kissel, Zürich

Die nicht-obstruktive koronare Herzerkrankung oder Koronarsklerose (Stenose <50%, kurz NOCAD) ist ein häufiger Befund bei Patienten, die sich einer Koronarangiographie, zur Evaluation einer stabilen Angina pectoris (AP) unterziehen. Bis zu 65% der Patientinnen und 30% der Patienten weisen dabei nicht-obstruktive Stenosierungen auf. In der Vergangenheit war die gängige Auffassung meist, dass es sich hierbei um einen benignen Befund handelt und die Prognose der Patienten gut sei. Konservative, sekundärpräventive Maßnahmen wurden daher wesentlich seltener implementiert als in Patienten mit obstruktiver koronarer Herzkrankheit (KHK). In den letzten Jahren häufen sich nun Studienergebnisse, welche bei diesen Patienten im Vergleich zu asymptomatischen Kontrollpersonen eine erhöhte Rate an kardiovaskulären Ereignissen belegen. Zusätzlich wurde in älteren Studien von einer hohen Rate an Re-Koronarangiographien berichtet. Unser Ziel war die Langzeitprognose von Patienten mit NOCAD im Vergleich zu Patienten mit obstruktiver KHK zu untersuchen. Des Weiteren untersuchten wir die Häufigkeit der Progression zu einer obstruktiven KHK und die Rate der erneuten Koronarangiographien. Ebenso von Interesse war, ob Patienten, welche sich formal mit einem akuten Koronarsyndrom (ACS) präsentierten und eine NOCAD aufwiesen, eine erhöhte Mortalität gegenüber Patienten mit stabiler AP und NOCAD aufweisen.

Das Alberta Provincial Project for Outcome Assessment in Coronary Heart Disease (APPROACH©) ist eine prospektive Kohorte, in der alle Patienten über 18 Jahre eingeschlossen werden, welche im Bundestaat Alberta in Kanada koronarangiographiert werden. APPROACH enthält detaillierte medizinische Informationen zu den Patienten, als auch zu deren Koronaranatomie und Interventionen. Aus dieser Datenbank wurden Daten von allen NOCAD Patienten mit stabiler AP und einer normalen LV-Funktion (EF≥50%), welche sich einer Koronarangiographie zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 31.März 2012 unterzogen haben, extrahiert. Die Vergleichsgruppe bestand aus stabilen Patienten mit obstruktiver KHK und ebenfalls normaler EF. Patienten mit relevanten Vitien, Myokarditis, Takotsubo-Kardiomyopathie, Hauptstammstenosen, vorherig stattgehabter Koronarintervention (PCI) oder Bypassoperation wurden ausgeschlossen. Die gesamte APPROACH-Kohorte bestand aus 141´004 Patienten. Nach Applikation der Ein- und Ausschlusskriterien verblieben 7478 Patienten mit stabiler AP in der NOCAD-Studiengruppe. Diese wurden verglichen mit 10´906 Patienten mit stabiler KHK. Die zweite Vergleichsgruppe bestand aus 7344 Patienten mit NOCAD und ACS. Der primäre Endpunkt war Tod jeglicher Ursache in NOCAD-Patienten verglichen mit KHK-Patienten. Sekundäre Endpunkte waren Re-Koronarangiographie, Progression zu obstruktiver KHK und PCI. Prädiktoren für Mortalität in Patienten mit AP wurden mittels multivariater Analyse bestimmt. Des Weiteren wurde die Mortalität der NOCAD-Patienten mit stabiler AP versus den Patienten mit ACS verglichen. Die mediane Follow-up Zeit war 6,5 Jahre, mit einer maximalen Dauer von 13,5 Jahren. In der gesamten APPROACH Population betrug der Anteil der Männer 70.2% und der Frauenanteil 29.8%, währenddessen der Frauenanteil in der NOCAD Subgruppe wesentlich höher (48.5%) war.  Der Anteil von Patienten mit NOCAD betrug 40.7% in Patienten mit stabiler AP, während die Rate bei Patienten mit ACS bei 24,1% lag. NOCAD Patienten hatten ein niedrigeres Mortalitätsrisiko gegenüber KHK Patienten (HR KHK vs. NOCAD 1.82 (1.19-1.49); p<0.001). Dies war jedoch primär bedingt durch Patienten mit komplett normalen Koronarien (HR 1.63 (1.36-1.94), p<0.001), während Patienten mit Koronarsklerose (Stenose > 0% < 50%) ein ähnliches Risiko aufwiesen wie Patienten mit KHK (≥50%; HR 1.13 (0.99-1.29), p=0.06). Die stärksten unabhängigen Prädiktoren für die Gesamtmortalität waren ein zunehmendes Alter und das Vorhandensein einer Koronarsklerose, und dies hatte sogar eine höhere prädiktive Aussage als Nikotinabusus oder Diabetes mellitus. NOCAD Patienten mit stabiler AP hatten in dieser Kohorte zudem niedrige Raten von Re-Koronarangiographien (7,3%), Progression zu obstruktiver KHK (2,3%) und PCI (1,7%). Wenn NOCAD Patienten sich primär mit einem ACS präsentierten war das Mortalitätsrisiko im Vergleich zu Patienten mit stabiler AP um 41% erhöht (HR 1.41 (1.25-1.6), p<0.001). Diese Daten unterstreichen, dass die Koronarsklerose kein benigner, zu vernachlässigender Befund ist und, dass diese mit einem ähnlichen Mortalitätsrisiko einhergeht wie bei Patienten mit stabiler, obstruktiver KHK. Dies hat wichtige Implikationen für die Behandlung und Sekundärprävention. Des Weiteren sind Patienten mit Koronarsklerose, welche sich mit einem ACS präsentieren, einem deutlich erhöhten Mortalitätsrisiko ausgesetzt, welches intensive diagnostische Maßnahmen rechtfertigt, um die individuelle Ätiologie besser zu differenzieren. Grössere Studien sind erforderlich, um den Nutzen aggressiver sekundärpräventiver Maßnahmen bei Patienten mit Koronarsklerose zu untermauern.

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 10.000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org