Fünfjahres-Ergebnisse nach erfolgreicher Mitralklappenrekonstruktion mittels MitraClip bei Hochrisikopatienten
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Dr. Eike Tigges, Hamburg
Mit über 45.000 Prozeduren ist das MitraClip Verfahren aktuell die am häufigsten durchgeführte Prozedur zur interventionellen Therapie der Mitraklappeninsuffizienz (MI) bei Patienten mit hohem operativem Risiko. Sicherheit, kurz- und mittelfristiger Erfolg, sowie eine vorteilhafte klinische Entwicklung konnten bereits in mehreren Studien belegt werden. Die Datenlage zum langfristigen Verlauf ist jedoch weiterhin begrenzt und beschränkt sich im Wesentlichen auf die Fünfjahresergebnisse der EVEREST II Studie. Hierbei zeigte sich nicht nur eine Dauerhaftigkeit des interventionellen- und klinischen Therapieerfolges, sondern ergaben zudem echokardiographische Verlaufskontrollen Hinweise auf ein „reverse remodeling“. Dennoch unterlag das untersuchte Kollektiv strengen Ein- und Ausschlusskriterien, welche sowohl echo-morphologische, als auch klinische Bedingungen umfasste. Insbesondere musste eine Operabilität gegeben sein. Die Vergleichbarkeit mit der klinischen Realität ist daher gering und die Ergebnisse sind nicht extrapolierbar. Die wissenschaftliche Aufarbeitung klinischer Kohorten ist daher wichtig für die kontinuierliche Optimierung der Risikostratifizierung und Patientenselektion. Insbesondere die zugrunde liegende Ätiologie (funktionell oder degenerativ) der Mitralklappeninsuffizienz (MI) spielt aufgrund der wesentlichen Unterschiede in der Pathophysiologie, sowie der klinischen Charakteristika beider Patientengruppen eine bedeutsame Rolle.
Ziel unserer Arbeit war es daher, die langfristigen Resultate nach erfolgreicher MitraClip Prozedur in Hinblick auf die zugrundeliegende Genese der MI vergleichend (funktionell vs. degenerativ) zu analysieren. Zwischen September 2008 und September 2016 wurden 700 Patienten (mittleres Alter 75.3±8.8 Jahre, 60.4% männliche Patienten, 66.6% funktionelle MI [FMI]) am Universitären Herzzentrum Hamburg-Eppendorf behandelt und in jährlichen Abständen bis zu fünf Jahren klinisch nachverfolgt.
Trotz erheblich größerem Komorbiditätsspektrum bei Patienten mit FMI, signifikant höherer linksventrikulärer (LV) Diameter (enddiastolisch [LVEDD], endsystolisch [LVESD]) und LV Volumina (enddiastolisch [LVEDV], endsystolisch [LVESV]), geringerer LV Ejektionsfraktion (EF) (36±14% vs. 54±12%, p<0.001) und höherer NT-proBNP Werte (4642 [2233-8322] pg/ml vs. 3055 [1493-5649] pg/ml, p<0.001), konnten keine Unterschiede in Parametern der Lebensqualität (Minnesota Living with Heart Failure Questionnaire [MLHFQ]), der funktionellen Kapazität (6 Minuten Gehtest [6MWD]), oder der Ausprägung der Herzinsuffizienzsymptomatik (New York Heart Association Klassifikation [NYHA]) festgestellt werden. Entsprechend dieser Charakteristika war das kalkulierte präprozedurale Risiko in der Patientengruppe mit FMI signifikant erhöht (logEuroSCORE [26.1±17.2% vs. 22.0±14.7%, p=0.0019]).
Dennoch konnte bei FMI eine höhere Erfolgsrate (resultierende MI Grad ≤2) erzielt werden (91.8% vs. 85%, p=0.0076). Echokardiographisch zeigte sich diese Erfolgsrate insbesondere bei FMI stabil. Nach einem Jahr wiesen 88.4% aller FMI und 88.2% aller degenerativen MI (DMI), nach zwei Jahren 89.5% (FMI) und 84.4% (DMI) eine MI ≤2° auf. Nach fünf Jahren zeigte sich hier ein numerischer, jedoch nicht signifikanter Unterschied (66.6% [DMI] vs. 84.6% [FMI]). Weiterhin kam es zu einer fortschreitenden Reduktion aller, jedoch insbesondere der enddiastolischen LV Diameter (siehe Tabelle). Zudem konnte eine Abnahme der LVEF in beiden Gruppen festgestellt werden. Laborchemisch zeigte sich eine fortlaufende Abnahme der NT-proBNP Werte bis zu zwei Jahren (signifikant nur bei FMI Patienten). Nach fünf Jahren kam es jedoch bei FMI zu einem erneuten Anstieg, welcher jedoch weiterhin geringer als die Ausgangswerte war (präprozedural vs. 5 Jahre. 4642 [2233-8322] pg/ml vs. 3848 [1318-9733] pg/ml, p=0.98). Bei Patienten mit DMI hingegen fielen diese Werte weiter ab (präprozedural vs. 5 Jahre: 3055 [1493-5649] pg/ml vs. 1613 [589-5649] pg/ml, p=0.50).
Klinisch profitierten beide Patientengruppen langfristig von der MitraClip Prozedur. Zeigten präprozedural nahezu alle Patienten eine NYHA ≥3 Symptomatik, so befanden sich nach fünf Jahren 57.4% der FMI- und 58.8% der DMI Patienten in einem NYHA-Stadium ≤2. Der MLHFQ Punktewert als Maß der Lebensqualität zeigte eine progressive, signifikante Reduktion (im Sinne einer Verbesserung) bei beiden Gruppen nach 2 Jahren. Nach fünf Jahren beobachteten wir einen erneuten Anstieg des MLHFQ bei FMI Patienten, ebenfalls jedoch unterhalb des Ausgangswertes, während es bei DMI Patienten zu einer weiteren numerischen Reduktion kam. In der funktionellen Kapazität fand sich eine ähnliche Entwicklung mit stetigem Anstieg der Gehstrecke bei beiden Patientengruppen bis zu zwei Jahre. Nach fünf Jahren kam es bei beiden Patientengruppen zu einer erneuten Abnahme der Gehstrecke, wobei sich die Messwerte jedoch jeweils über dem Ausgangsniveau zeigten.
In Kaplan-Meier Kurven konnte weder ein Unterschied für den Endpunkt „Tod“ (p=0.23) noch für „kardiale Rehospitalisierung“ (p=0.31) festgestellt werden. In beiden Kurven fiel ein Abflachen der Kurven nach einem Jahr auf. Weder FMI noch DMI zeigten sich als Prädiktor für Tod oder Rehospitalisierung aufgrund kardialer Ursache.
Fazit
Trotz erheblicher Unterschiede der präprozeduralen Patienten-Charakteristika konnten keine Unterschiede in den Endpunkten “Tod” und “kardiale Rehospitalisierung” festgestellt werden. Der echokardiographisch determinierte Therapieerfolg zeigte sich bis fünf Jahre insbesondere bei FMI Patienten stabil. Eine progrediente Reduktion der LV Diameter und LV Volumina zeigt zudem eine Verbesserung der LV Geometrie an. Klinisch profitierten beide Patientengruppen erheblich. Somit belegen diese Daten einen dauerhaften Therapieerfolg und positive Implikationen der MitraClip Prozedur unabhängig von der zugrundeliegenden Pathologie und bestätigen damit die bisher veröffentlichten Ergebnisse zum kurz- und mittelfristigen Erfolg.
DMI | FMI | p (DMI vs FMI) | |
LV endsystolischer Diameter bei BL (mm)
LV endsystolischer Diameter bei 5a (mm) p (5a vs Baseline) |
42 ± 11
42 ± 11 0.47 |
54 ± 13
50 ± 13 0.053 |
<0.001
0.051 |
LV endsystolisches Volumen bei BL (mL)
LV endsystolisches Volumen bei 5a (mL) p (5a vs Baseline) |
66 ± 45
59 ± 41 0.16 |
134 ± 76
124 ± 84 0.60 |
<0.001
0.0087 |
LV enddiastolischer Diameter bei BL (mm)
LV enddiastolischer Diameter bei 5a (mm) p (5a vs Baseline) |
58 ± 10
54 ± 9 0.010 |
66 ± 11
60 ± 12 0.030 |
<0.001
0.097 |
LV enddiastolisches Volumen bei BL (mL)
LV enddiastolisches Volumen bei 5a (mL) p (5a vs Baseline) |
134 ± 64
113 ± 54 0.0031 |
194 ± 88
168 ± 88 <0.001 |
<0.001
0.038 |
LV Ejektionsfraktion bei BL (%)
LV Ejektionsfraktion bei 5a (%) p (5a vs Baseline) |
54 ± 12
51 ± 10 0.0047 |
36 ± 14
32 ± 16 0.0014 |
<0.001
<0.001 |
Mittlerer Gradient über MK bei BL (mmHg)
Mittlerer Gradient über MK bei 5a (mmHg) p (5a vs Baseline) |
3.0 ± 1.8
4.4 ± 2.7 0.11 |
2.2 ± 1.2
3.4 ± 2.3 0.0024 |
<0.001
0.18 |
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