Intra- bzw. postoperativer Defibrillations-Schwellen-Test – ist dieser Schock heute noch notwendig?
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Dr. Eimo Martens, Aichach
Implantierbare Cardioverter-Defibrillatoren (ICD) sind heute etablierte Geräte zur Verhinderung des plötzlichen Herztodes bei Hoch-Risiko-Patienten. Seit der ersten initial abdominellen Implantation eines ICD 1980 steht die Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Geräte in der Diskussion. Bei den seit 1995 auf dem Markt befindlichen transvenösen Systemen, welche hauptsächlich links subfaszial oder subpektoral implantiert wurden, hat sich im Laufe der Zeit eine Überprüfung der Defibrillationsschwelle etabliert. Die Defibrillationsschwelle ist die Energie (in Joule), welche mindestens benötigt wird, um eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung – insbesondere Kammerflimmern – zu unterbrechen. Hierzu hat sich in der Praxis ein „defibrillation threshold test“ (DFT) etabliert, bei dem Kammerflimmern induziert wird und dann überprüft wird, ob der ICD die Rhythmusstörung mit 10J weniger als der zur Verfügung stehende Maximal-Energie unterbrechen kann. Wenn dies der Fall ist, gilt der ICD als funktionsfähig. Dieses Vorgehen ist keineswegs standardisiert und variiert von Zentrum zu Zentrum erheblich. Teilweise findet der Test während der Operation, teilweise erst im Intervall statt. In einigen Zentren wurde auch in 5J Schritten die Energie bis zur ersten erfolgreichen Defibrillation gesteigert. Dies ist sicher der exakteste Test, kann jedoch multiple Induktionen von Kammerflimmern und entsprechende Defibrillationen nötig machen.
Im Rahmen der technischen Weiterentwicklung der ICDs stehen aktuell nahezu ausschließlich Geräte mit hoher maximal verfügbarer Energie von 35 – 45J zur Verfügung. Insbesondere ist diese Energie bereits bei der ersten Schockabgabe verfügbar. Dies veranlasste viele Zentren, den DFT-Test weniger häufig bzw. gar nicht mehr durchzuführen. Weiterhin wird das Vorgehen nach der Implantation eines ICD kontrovers diskutiert und zentrumsspezifisch gehandhabt. Verschiedene Prädiktoren für den Erfolg oder Misserfolg einer DFT-Testung wurden bereits untersucht. Einige Untersuchungen konnten zeigen, dass das Komplikationsrisiko einer DFT-Testung gering ist, jedoch der Nutzen ebenfalls. Ein Überlebensvorteil für Patienten, welche erfolgreich einem DFT-Test unterzogen wurden konnte bisher auch nicht nachgewiesen werden. So bleiben die Voraussetzungen für die erfolgreiche Defibrillation einer spontan aufgetretenen Rhythmusstörungen unklar.
Die Aufgabe unserer Untersuchung war, die Untersuchung des Erfolges oder Misserfolges von DFT-Test in Abhängigkeit von Grunderkrankung, Präventionsart und linkssventrikulärer Auswurffraktion.
Hierzu fassten wir anonymisierte Nachsorge-Daten von Medtronic ICD- und CRT-D-Systemen unserer Klinik aus der Zeit zwischen 2002 und 2015 in einer Datenbank zusammen und analysierten die abgespeicherten intrakardialen EKGs sowie die Geräte-Einstellungen.
Insgesamt analysierten wir die Daten von 8300 Nachsorgen von 704 Patienten (952 ICD/CRT-D Geräte). Der Großteil der Patienten war männlich (79%) mit einem mittleren Alter von 66 ± 13 Jahren. Etwas mehr als die Hälfte der Systeme wurden zur Primärprävention (62,7%) implantiert. Die Grunderkrankung war bei 55% der Patienten eine ischämische Kardiomyopathie (ICM), bei 39% eine dilatative Kardiomyopathie (DCM) und in 6% der Fälle lag eine andere Grunderkrankung (z. Bsp. angeborenes Arrhythmiesyndrom) vor. Die Aufteilung der Geräte-Typen (1-, 2- oder 3-Kammer) ist in Abb. 1 ersichtlich. Die Maximal verfügbare Energie der analysierten ICDs lag zum Großteil bei 35/34J (79%) und zu 21% bei 30J. Es wurden ausschließlich single-Coil Elektroden verwendet. Alle Systeme waren linkspectoral implantiert.
Selbst im Analyse-Zeitraum von 2002 ab an wurden nur in 25% der Fälle DFT-Test durchgeführt. Die durchschnittliche Sicherheitsmarge lag bei 11.69J. Von den durchgeführten DFT-Test waren 92,7% erfolgreich und in 7,3% nicht erfolgreich. Interessanterweise waren alle nicht erfolgreichen Tests mit Geräten mit einer maximalen Energie von 35J aufgetreten. Hier waren die Test mit einer Sicherheitsmarge von 5J erfolgreich, die wurde dann akzeptiert. Die Analyse der Patientengruppen ergab keinen statistisch signifikanten Unterschied für RV-Schockimpedanz vor der Testung oder für die Grunderkrankung, die linksventrikuläre Auswurffraktion, das Geschlecht oder die Art der Prävention (primär oder sekundär). Komplikationen wie Schlaganfall, Reanimation oder Tod traten in beiden Gruppen nicht auf.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die DFT-Testung weiterhin eine überwiegend sichere Untersuchung ist. Der Misserfolg eines DFT-Test bleibt bereits in dem von uns untersuchten Zeitraum selten. Die Vorhersage über Erfolg oder Misserfolg lässt sich mit den zur Verfügung stehenden Informationen auch in „real-life“ Daten nicht treffen. Geht man jedoch davon aus, dass aktuell nur noch 40J Geräte implantiert werden, wären alle DFT-Tests in unserer Analyse (mit 30J abgegebener Energie) erfolgreich gewesen und ein DFT-Test bei aktuellen Geräten scheint im Routinebetrieb nicht mehr zeitgemäß zu sein.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 9500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org