Geschlechtsunterschiede bei Vorhofflimmern
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Priv.-Doz. Dr. Renate Schnabel, Hamburg
Vorhofflimmern ist die häufigste persistierende Rhythmusstörung bei Männern und Frauen mit starker Zunahme der Prävalenz. Deutliche Geschlechtsunterschiede in der Inzidenz sind bekannt. Ob die über die letzten Jahre etablierten Risikofaktoren zu diesen Unterschieden beitragen, ist nicht sicher bekannt. In Kohorten basierend auf Individuen in der Allgemeinbevölkerung haben wir deshalb in Querschnittsanalysen in der Gutenberg Gesundheitsstudie (N=15.010, 49,5% Frauen) klassische Risikofaktoren, häufige Symptome, kardiale Struktur und Funktion sowie Begleiterkrankungen bei Individuen mit Vorhofflimmern untersucht. In der FINRISK Studie (N=38,333 Individuen, 51.6% Frauen) wurde die Assoziation klassischer Risikofaktoren mit dem Auftreten von Vorhofflimmern longitudinal über den Zeitraum von maximal 28 Jahren bestimmt.
Die Altersspanne der Gutenberg Gesundheitsstudie war 35-74 Jahre. Männer hatten eine höhere kardiovaskuläre Risikofaktorenlast sowie mehr prävalente kardiovaskuläre Erkrankungen im Vergleich zu Frauen. Body Mass Index, systolischer Blutdruck, Blutfette, Plasmaglukosekonzentration und Diabetes zeigten Hinweise für Geschlechtsunterschiede in Regressionsmodellen. Jedoch nach weiterer Adjustierung für mögliche Confounder, erreichten die meisten Interaktionsanalysen keine statistische Signifikanz mehr. Geschlechtsunterschiede blieben bestehen für HDL und LDL Cholesterin in Assoziation mit Vorhofflimmern. Frauen mit Vorhofflimmern hatten im Schnitt ein 3,4 mg/dl (95% Konfidenzintervall -5,5 bis -1,4 mg/dl, P<0.001) niedrigeres HDL Cholesterin als Frauen ohne Vorhofflimmern, während sich bei Männern kein Bezug von HDL Cholesterin und Vorhofflimmern zeigte. Hingegen war bei Frauen keine Assoziation von LDL-Cholesterin und Vorhofflimmern nachzuweisen, während bei Männern mit Vorhofflimmern ein um 8,1 mg/dl niedrigeres LDL Cholesterin (95% Konfidenzintervall -12,0 bis -4.3 mg/dl, P<0.001) zu messen war. Sowohl Frauen als auch Männer hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, gleichzeitig zum Vorhofflimmern an koronarer Herzerkrankung, Herzinsuffizienz und Schlaganfall zu leiden. Es zeigten sich jedoch keine Geschlechtsunterschiede im adjustierten Modell. Weder bei Symptomen noch bei kardialer Struktur und Funktion konnten Geschlechtsunterschiede im Vergleich von Männern und Frauen mit Vorhofflimmern nachgewiesen werden.
In der longitudinalen FINRISK Studie war das mediane Alter bei Studieneinschluss 46 Jahre. Mehr Vorhofflimmerfälle traten bei Männern (N=1.488, 8,1%) auf als bei Frauen (N=1.080, 5,5%). Das kardiovaskuläre Risikoprofil und Lipidprofil bei der Ausgangsuntersuchung war bei Männern ungünstiger verglichen mit Frauen. Wir beobachteten Geschlechtsunterschiede (P Wert der Interaktionsanalyse <0,05) für die Assoziation von Hypertonie mit Vorhofflimmern, HDL-Cholesterin mit Vorhofflimmern und Gesamtcholesterinkonzentrationen. Das Hazard Ratio (HR) für Vorhofflimmern assoziiert mit Hypertonie war größer bei Frauen (1.62, 95% Konfidenzintervall: 1,41/1,87, P<0,001) als bei Männern (1,29, 95% Konfidenzintervall: 1,15/1,44, P Wert<0,001), PInteraktion=0,012). Eine höhere HDL Cholesterin Konzentration war assoziiert mit einem niedrigeren Risiko für Vorhofflimmern bei Frauen (HR 0,68, 95% Konfidenzintervall: 0,57/0,81, P Wert: <0,001) aber nicht bei Männern 0,96, 95% Konfidenzintervall: 0,82/1,12, P Wert=0,58), PInteraktion=0,0042.
Wenn unsere Beobachtungen unterschiedlicher Assoziationen von klassischen Risikofaktoren mit Vorhofflimmern bestätigt werden, kann dies Hinweise auf eine unterschiedliche Pathogenese von Vorhofflimmern geben. Diese Ergebnisse legen zudem die Suche nach möglichen geschlechtsspezifischen Präventionsstrategien nahe.
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