Herzklappen-Innovationen: Bei immer mehr Erkrankungen gibt es Katheter-Alternativen zur Operation
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Statement Prof. Dr. Malte Kelm, Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf; DGK-Pressekonferenz „Interventionelle Therapie von Klappenerkrankungen“, 1. April 2016, 9 Uhr 15
Nach den Erfolgen beim interventionellen Ersatz der Aortenklappe wird nun vermehrt versucht, über den Herzkatheter auch andere Herzklappen zu reparieren oder zu ersetzen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Mitralklappe zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer. Für die erste Technik, die eine Katheter-Intervention an der Mitralklappe erlaubt, gibt es positive Fünf-Jahresdaten.
Die Implantation künstlicher Aortenklappen als Herzkathetereingriff (TAVI) ist eine Erfolgsgeschichte. Von der neuen Technik profitieren vor allem ältere Menschen, deren Herzklappe zwischen der linken Herzkammer und der Hauptschlagader Schaden genommen hat. Ihnen kann nun eine Klappenprothese eingesetzt werden, ohne dass dafür eine offene Operation an der Herz-Lungenmaschine erforderlich wird.
Doch alle vier Herzklappen können im Verlauf unterschiedlicher Erkrankungen defekt werden. Häufig beeinträchtigt ist die Mitralklappe zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer, die verhindert, dass Blut während der Kontraktion des Herzmuskels (Systole) aus der Kammer in den Vorhof zurückfließen kann. Da diese Klappe hohem Druck ausgesetzt ist, sind Defekte häufig. Im Wesentlichen gibt es an der Mitralklappe zwei Arten von Fehlern. Es können einerseits Defekte an der Klappe selbst auftreten, zum Beispiel kann sie undicht werden (Insuffizienz), sich weit in den Vorhof wölben (Prolaps) oder es kann einer der Sehnenfäden reißen, die das Klappensegel mit dem Herzmuskel verbinden. Oder aber es kann durch eine Vergrößerung des Herzens der Klappenring, also die Basis der Klappe, so ausgeweitet werden, dass die Klappe nicht mehr funktioniert.
Die Behandlung der Mitralklappe ist nach wie vor eine Domäne der Herzchirurgie. Die minimalinvasive Korrektur solcher Defekte über den Herzkatheter steckt generell noch in den Anfängen, wobei ein mit dem Katheter über die Gefäße durchgeführte Eingriff mittlerweile durchaus schon zum Standard geworden ist, nämlich der MitraClip. Das sind kleine Metallklammern, die die Klappensegel zusammenhalten und damit die Chancen verbessern, dass die Klappe bei Belastung dicht bleibt. Die Technik kann heute als wirksam und sicher bezeichnet werden. Aus der Studie EVEREST II liegen bereits Fünf-Jahresdaten vor (1). Sie zeigen, dass die Überlebensrate mit dem Mitraclip genau gleich mit jener nach chirurgischer Reparatur der Klappe ist.
Die Daten zeigen jedoch auch, dass bei rund einem Fünftel der Patienten mit MitraClip im weiteren Verlauf doch eine Operation erforderlich wird. Die meisten Re-Operationen in der EVEREST II-Studie wurden in den ersten sechs Monaten fällig, die Clips wurden also nicht optimal gesetzt. Das hat damit zu tun, dass die Technik zu dieser Zeit noch relativ jung war und viele Zentren damit noch wenig Erfahrung hatten. Das hat sich inzwischen wesentlich geändert, wobei auch die Weiterentwicklung in der Bildgebung einen wichtigen Beitrag geleistet hat. In unserem klinischen Alltag liegen die Erfolgsraten mit dem Clip bei 90 bis 95 Prozent. Auch in der EVEREST-Studie wurden diese Probleme nur in der Anfangsphase gesehen, danach blieb der Clip stabil. Durch die Daten konnten auch die Befürchtungen zerstreut werden, der Clip könne sich von der Klappe lösen und dann beispielsweise ins Gehirn gespült werden: Derartige Komplikationen sind nicht aufgetreten. Mittlerweile konnte eine gesundheitsökonomische Analyse zeigen, dass der Einsatz des MitraClip im Vergleich zu einer rein konservativen Therapie kosteneffektiv ist (2).
Ein Fragezeichen steht zumindest aus deutscher Sicht dennoch hinter den Ergebnissen von EVEREST II, da die Patientenpopulation für europäische Verhältnisse untypisch war. In EVEREST II wurden zu zwei Drittel jüngere Patienten, die beispielsweise unter einem degenerierten Mitralklappenprolaps litten, mit dem Clip behandelt. Das ist in Deutschland nicht üblich, hier ist der MitraClip vorwiegend ein Verfahren für schwer kranke, in der Regel herzinsuffiziente, Patienten, denen die offene Operation nicht mehr zugemutet werden kann.
Nun sollen in einer ganzen Serie von weiteren Studien die offenen Fragen geklärt werden. Beispielsweise wird in der MATTERHORN-Studie der Vergleich zwischen Clip und Chirurgie in einer typisch deutschen Population, also bei deutlich herzkranken Patienten, durchgeführt. In der ReShape-Studie wird der Einsatz des Clips bei schwerstkranken Patienten untersucht, die für eine chirurgische Reparatur der Klappe überhaupt nicht mehr in Frage kommen.
Ein weitgehend neues Betätigungsfeld für die die interventionelle Kardiologie ist die interventionelle direkte Annuloplastie, also die Reparatur des Klappenrings. Diese wird erforderlich, wenn es im Rahmen einer Herzinsuffizienz zu einer so massiven Vergrößerung des Herzmuskels kommt, dass die Basis der Klappe praktisch auseinandergezogen wird. Im Rahmen der interventionellen direkten Annuloplastie wird ein künstlicher Ring an den Herzmuskel angenäht und damit die Basis der Klappe wieder auf eine physiologische Größe zusammengezogen. Die interventionelle direkte Annuloplastie wurde bislang an einer relativ kleinen Gruppe sehr kranker Patienten erprobt – mit angesichts des schlechten Zustands der Patienten sehr guten Ergebnissen (3). Interventionell implantierbare komplette Mitralklappen nach dem Vorbild der TAVI befinden sich in experimentellen Stadien.
- Feldman et al. Randomized Comparison of Percutaneous Repair and Surgery for Mitral Regurgitation 5-Year Results of EVEREST II J Am Coll Cardiol 2015
- Armeni P et al. Real-world cost effectiveness of MitraClip combined with Medical Therapy Versus Medical therapy alone in patients with moderate or severe mitral regurgitation. International Journal of Cardiology 209 (2016) 153–160
- Maisano F et al. Cardioband, a transcatheter surgical-like direct mitral valve annuloplasty system: early results of the feasibility trial. European Heart Journal (2016) 37, 817–825