Kann eine telemedizinische Nachsorge die Lebensqualität von Patienten mit implantierbarem Cardioverter/Defibrillator verbessern?
Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial
Dr. Johannes Siebermair, München
Hintergrund:
Implantierbare Cardioverter-Defibrillatoren (ICD) schützen effektiv vor ventrikulären Herzrhythmusstörungen und dem plötzlichen Herztod (SCD). Bei zunehmendem Nachsorgeaufwand, durch exponentiell steigende Patientenzahlen, verspricht die telemedizinische ICD-Nachsorge eine zeit-, kosten- und personaleffiziente Alternative zur konventionellen ICD-Kontrolle in der betreuenden Klinik darzustellen. Dabei werden relevante Messparameter des ICDs, sowie Informationen zu stattgehabten Rhythmusereignissen elektronisch an das betreuende Zentrum übermittelt. Mittlerweile konnten Studien eine deutliche Kostenreduktion im ambulanten Bereich durch telemedizinische ICD-Kontrollen nachweisen[[1]]. Darüber hinaus konnte zuletzt erstmals eine Reduktion der Gesamtmortalität durch den Einsatz einer telemedizinischen ICD-Nachsorge gezeigt werden[2]. Im Gegensatz dazu ist aktuell nur wenig über den möglichen Einfluss einer 24 Stunden – telemedizinischen ICD –Nachsorge bzw. Überwachung durch das betreuende Zentrum auf Parameter wie Lebensqualität (HR-QoL), Angst und Depression bekannt. Dabei sind psychische Komorbiditäten häufig bei ICD-Patienten. Einschränkungen der Lebensqualität werden in ca. 10%, Depressionen und Angststörungen in 13-33% bzw. 24-87% aller ICD-Patienten beschrieben[3, 4].
Ziele der Studie und Methoden:
Ziel dieser prospektiven, randomisierten, monozentrischen Studie war es daher, den Einfluss einer telemedizinischen Nachsorge auf Lebensqualität sowie auf das Angst- und Depressionsniveau von ICD-Patienten zu untersuchen. Zwischen Mai 2011 und April 2013 wurden 182 ICD-Patienten in diese Studie eingeschlossen (81% Männer, 46% koronare Herzerkrankung). Durchgeführt wurde eine 1:1 Randomisierung auf Gruppe A.) reine „Routine ICD-Kontrolle“ in der betreuenden Klinik oder Gruppe B.) „Routine ICD-Kontrolle plus zusätzliche telemedizinische Nachsorge“. Es wurde eine standardisierte Befragung aller Patienten bei Studieneinschluss sowie anschließend monatlich über die Dauer eines Jahres mit jeweils zwei etablierten Fragebögen durchgeführt. Angewandt wurden der EQ5D-Fragebogen zur Selbstbeurteilung der Lebensqualität bzw. der HADS-Fragebogen (Hospitality Anxiety and Depression Scale) zur Evaluation der Angst- und Depressionsniveaus in dem Studienkollektiv.
Neun Patienten schieden vorzeitig aus der Studie aus (zumeist durch Rücknahme des Studieneinverständnisses), von den verbleibenden n=173 Patienten füllten mindestens n=153 Patienten drei Fragebögen vollständig aus. Diese Patienten wurden anschließend für die finale Analyse ausgewertet. Die Ausgangswerte für HR-QoL und Angst/Depression unterschieden sich zu Beginn der Studie nicht signifikant zwischen den beiden Patientengruppen. Des Weiteren bestand kein Unterscheid bezüglich NYHA-Klasse, linksventrikulärer Pumpfunktion, Vorhandensein einer KHK oder Anteil von CRT-Aggregaten.
Unsere Analyse ergab eine konstante signifikante Zunahme der Lebensqualität in Gruppe B (telemedizinische Nachsorge) ab dem 4. Monat im Vergleich zum Ausgangswert (HR-QoL +7 Punkte vs. Studienbeginn, p<0,05), während in Kontrollgruppe A lediglich ein Trend ohne signifikante Veränderung der Lebensqualität im Vergleich zum Ausgangsniveau nachzuweisen war (HR-QoL +4 Punkte vs. Studienbeginn, p=n.s., Abbildung 1). Hinsichtlich der Analyse des Angst- und Depressionsniveaus ergaben sich weder in der Interventionsgruppe noch in der Kontrollgruppe signifikante Veränderungen, wobei sich in Gruppe B ein deutlicher Trend in Richtung niedrigeren Angst- und Depressionswerten ableiten ließ (Daten nicht dargestellt).
In einem weiteren Schritt wurden klinische Parameter auf deren möglichen Einfluss auf die Verbesserung der Lebensqualität getestet. Hierbei konnten weder das Geschlecht, die initiale Implantationsindikation, Anzahl der ICD-Therapien, noch das Vorhandensein eines biventrikulären ICD-Aggregates als relevante Einflussfaktoren identifiziert werden. Im Gegensatz dazu ergab die Analyse der initialen NYHA-Klasse Hinweise darauf, dass vor allem Patienten mit einer NYHA-Klasse <2 von einer telemedizinische Nachsorge profitierten.
Diskussion und Ausblick:
Die vorliegende Studie untersuchte systematisch den Einfluss einer telemedizinischen ICD-Nachsorge auf HR-QoL, Angst und Depression. Unseren Ergebnissen zufolge kann die telemedizinische Nachsorge zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität bei ICD-Patienten beitragen. Diese Daten sind konsistent zu den Ergebnissen der EVOLVO-Studie, welche in einer sekundären Analyse einen positiven Effekt einer ICD-Heimnachsorge auf die Lebensqualität der Patienten zeigen konnte[5]. Es ergaben sich in der vorliegenden Studie jedoch auch Hinweise darauf, dass dieser Einfluss auf die Lebensqualität ggf. nur in bestimmten Patientengruppen, z.B. Patienten mit niedriger NYHA-Klasse, besteht. Daher sollten in Zukunft weitere kontrollierte prospektive Studien, neben den bereits etablierten klinischen Endpunkten, den Benefit einer telemedizinischen ICD-Nachsorge in Bezug auf Veränderungen der Lebensqualität bzw. Angst und Depression evaluieren.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 9000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen, die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org.
Literatur:
[1] Raatikainen MJ, Uusimaa P, van Ginneken MM, Janssen JP, et al. (2008) Remote monitoring of implantable cardioverter defibrillator patients: a safe, time-saving, and cost-effective means for follow-up. Europace : European pacing, arrhythmias, and cardiac electrophysiology : journal of the working groups on cardiac pacing, arrhythmias, and cardiac cellular electrophysiology of the European Society of Cardiology. 10: 1145-51.
2 Hindricks G, Taborsky M, Glikson M, Heinrich U, et al. (2014) Implant-based multiparameter telemonitoring of patients with heart failure (IN-TIME): a randomised controlled trial. Lancet. 384: 583-90.
3 Sears SF, Jr., Todaro JF, Lewis TS, Sotile W, et al. (1999) Examining the psychosocial impact of implantable cardioverter defibrillators: a literature review. Clinical cardiology. 22: 481-9.
4 Schohl W, Trappe HJ and Lichtlen PR. (1994) [Acceptance and quality of life after implantation of an automatic cardioverter/defibrillator]. Zeitschrift fur Kardiologie. 83: 927-32.
5 Landolina M, Perego GB, Lunati M, Curnis A, et al. (2012) Remote monitoring reduces healthcare use and improves quality of care in heart failure patients with implantable defibrillators: the evolution of management strategies of heart failure patients with implantable defibrillators (EVOLVO) study. Circulation. 125: 2985-92.