Lob und Tadel für das neue Präventionsgesetz – Zweckwidmung der Tabaksteuer für die Prävention gefordert
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Grundsätzlich positiv bewerten Experten der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie das neue deutsche Präventionsgesetz. Die Probleme stecken jedoch im Detail, kritisieren die Experten. So wünschen sich die medizinischen Fachgesellschaften mehr Mitsprache bei der Definition der Präventionsziele. Das bisher unzureichende Budget sollte nach dem Wunsch der Kardiologen aus einer Zweckbindung der Tabaksteuer aufgebessert werden.
Berlin, 9. Oktober 2015 – Das neue Präventionsgesetz, das 2016 in Kraft treten wird, schafft die Rahmenbedingungen für eine Stärkung der Prävention und gibt grob die Richtung vor. Konkret definiert es die Grundlagen für eine stärkere Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger, der Länder und der Kommunen in den Bereichen Gesundheitsförderung und Prävention. Und zwar in allen Altersgruppen, was grundsätzlich ein guter Zugang ist, betonte Prof. Dr. Rainer Hambrecht (Bremen) auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK): „Die Menschen sollen in den Kindergärten, Schulen und Betrieben erreicht werden.“
Dennoch gibt es aus Sicht der DGK auch einige Kritik am Präventionsgesetz. „Die medizinische Fachwelt ist zu wenig eingebunden, wenn es darum geht, den definierten Rahmen mit konkreten Inhalten zu füllen“, kritisiert Prof. Hambrecht. „In einer nationalen Präventionskonferenz legen nämlich die Krankenkassen unter Beteiligung von Bund, Ländern, Kommunen, der Bundesagentur für Arbeit und den Sozialpartnern gemeinsame Ziele und konkrete Formen der Zusammenarbeit fest. Dort wird die nationale Präventionsstrategie vereinbart und in weiterer Folge regelmäßig überarbeitet. Wissenschaftliche und medizinische Fachgesellschaften haben dabei kein Recht auf Mitsprache, sondern werden allenfalls im jährlich stattfindenden Präventionsforum gehört.“
Die Präventionskonferenz und der gemeinsame Bundesausschusses sind daher auch für medizinische und unter Umständen wissenschaftlich recht heikle Aufgaben wie beispielsweise die Definition von Risikofaktoren oder von optimalen Untersuchungsintervallen zuständig. Prof. Hambrecht: „Die Entscheidungen trifft die Präventionskonferenz, in der vor allem die Kostenträger vertreten sind. Das birgt einiges Potential für Interessenskonflikte.“
Sehr positiv bewertet die DGK hingegen die stärkere Einbindung niedergelassener Ärztinnen und Ärzte, die in Zukunft klare Präventionsempfehlungen geben und diese auch schriftlich ausstellen sollen, wofür sie erstmals honoriert werden. Diese Aufgabe sollen auch Betriebsärzte übernehmen.
Hoher Präventionsbedarf: Inaktive und übergewichtige Deutsche
Der Bedarf an intensivierter Prävention ist durchaus groß. Eine Studie der Technikerkrankenkasse zeigt, dass in Deutschland ein hohes Maß an körperlicher Inaktivität vorherrscht. Besonders ausgeprägt ist die fehlende körperliche Betätigung in den neuen Bundesländern, aber auch in Teilen des Nordwestens. Die Studie fand auch deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen, wobei sich interessanterweise die 36- bis 45jährigen am wenigsten bewegen, während beispielsweise Senioren deutlich aktiver sind.
Der Stillstand geht Hand in Hand mit Übergewicht. Dr. Hambrecht: „Wir sehen in Deutschland einen deutlichen Anstieg der Fettleibigkeit, auch hier sind die neuen Bundesländer stärker betroffen, aber die Situation ist in ganz Deutschland nicht erfreulich. Hier sollte man dringend gegensteuern.“
Wunschziel: Die Tabaksteuer für die Prävention
Ein Schwachpunkt des neuen Präventionsgesetzes liegt in der Finanzierung, gibt Prof. Hambrecht zu bedenken. „Die Kranken- und Pflegeversicherungen werden zwar mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr in die Prävention investieren, jedoch sind in diesem Betrag auch Projekte enthalten, die bereits bestehen und finanziert werden. In Zukunft werden etwa 250 bis 300 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Mit diesem Geld werden künftig jedoch auch die Selbsthilfegruppen unterstützt, was allein schon um die 70 Millionen Euro kosten soll.“
Die finanzielle Ausstattung der neuen Präventionsoffensive sei also „dürftig“, wie Prof. Hambrecht betont. „Für all die sinnvollen Programme wollen die Krankenkassen pro Versicherten sieben Euro im Jahr aufwenden. Die Pflegekassen wollen für ihr Bewegungsprogramm pro Jahr und pro Versicherten 30 Cent ausgeben. Wenn man hier bedenkt, was alleine der Aufbau der Bürokratie inklusive Standardisierung und Qualitätskontrolle kosten wird, werden wir wohl nicht alles so umsetzen können, wie es wünschenswert wäre.“
Eine Lösung böten nach Vorstellungen der DGK die Einnahmen aus der Tabaksteuer, die pro Jahr 14 Milliarden Euro betragen. „Dem steht ein durch das Rauchen verursachter volkswirtschaftlicher Schaden von 34 Milliarden Euro gegenüber“, so Prof. Hambrecht. „Alleine die Krankenhauskosten machen rund neun Milliarden aus, der Rest ist Produktivitätsverlust in den Betrieben. Was wir uns wünschen würden, ist eine Zweckbindung der Tabaksteuer für die Prävention. Durch den sinnvollen Einsatz dieses Geldes würde sich die volkswirtschaftliche Bilanz insgesamt verbessern.“
Quelle: „Beweg dich Deutschland“ http://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/568892/Datei/113810/TK_Studienband_zur_Bewegungsumfrage.pdf
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