Schrittmacher- und Defibrillator-Träger sollten einen Sicherheitsabstand zu ihrem Smartphone einhalten
Abdruck frei nur mit Quellenhinweis
Pressetext als PDF - gegebenenfalls mit Bildmaterial
Dr. Carsten Lennerz, München
Hintergrund
Die Zahl der Schrittmacher (PM)- und Defibrillator (ICD)-Träger steigt stetig, weltweit verlassen sich schätzungsweise mehr als 4 Millionen Menschen auf ein implantiertes Rhythmusgerät. Das Grundprinzip aller Schrittmacher und Defibrillatoren ist die Wahrnehmung der elektrischen Herzaktivität, die zur Herzkontraktion führt. Im Falle einer unerwünschten Störbeeinflussung wird das elektromagnetische Feld einer Störquelle fälschlicherweise detektiert und als kardiales Signal interpretiert. Schrittmacher antworten auf elektromagnetische Interferenz (EMI) mit einer Inhibition der Stimulation, im Falle von Defibrillatoren kann EMI eine ventrikuläre Tachykardie vortäuschen, die ggfs. mit Überstimulationsversuch oder Schockabgabe beantwortet wird.
Frühe Studien zur Störbeeinflussung, die vor mehr als 10 Jahren durchgeführt wurden, haben Mobilfunkgeräte als eine potenzielle EMI-Quelle für Schrittmacher identifiziert. Basierend auf diesen Studien empfehlen die verantwortlichen nationalen Institutionen (z.B. US Food and Drug Administration [FDA], deutsches Bundesamt für Strahlenschutz [BFS]) sowie die Gerätehersteller zur Sicherheit einen Mindestabstand zwischen aktivem Rhythmusgerät und Mobilfunkgerät von 15-20cm, d.h. konkret das Telefonieren mit dem kontralateralen Ohr sowie betriebsbereite Mobilfunkgeräte nicht in der Brusttasche über einem implantierten Device zu tragen. In der Zwischenzeit wurde das klassische Handy wurde durch moderne Smartphones ersetzt, die Mobilfunkstandards haben sich von GSM zu UMTS (3G) und LTE (4G) weiterentwickelt. Neben neuen Generationen von Schrittmachern sind heute zusätzlich moderne Geräte zur kardialen Resynchronisation (CRT) und zum Schutz vor dem plötzlichen Herztod (ICD) in Gebrauch, mit einigen dieser Geräte sind sogar MRT-Untersuchungen möglich. Mit Verwendung von hermetischen Titangehäusen, neuen Filtereigenschaften, neuen Algorithmen zur Signalverstärkung und zur Noise-Unterdrückung sowie dem überwiegenden Einsatz nur noch von bipolaren Sonden sollten die PMs und ICDs besser gegen äußere Einflüsse und Störungen durch EMI geschützt sein.
Vor diesem Hintergrund war das Ziel unserer Studie, zu untersuchen, ob die vorsichtigen Empfehlungen für Device-Träger immer noch Gültigkeit haben oder ob sie nicht aufgegeben werden können. Bis heute gibt es keine Studien zur Frage nach EMI zwischen modernen Smartphones und modernen Rhythmusgeräten, noch werden neue Mobilfunkstandards (UMTS und LTE) betrachtet.
Methoden
In unserer prospektiven Prävalenzstudie wurden 308 Probanden mit regelrechter Sonden- und Device-Funktion untersucht. Die Wahrnehmungs-Einstellungen der PMs und ICDs wurden nicht verändert. Zur Interferenz-Testung wurden 3 unterschiedliche, kommerziell erhältliche Smartphones (Samsung Galaxy 3, Nokia Lumi, HTC One XL) unmittelbar über das Aggregat auf die Haut aufgelegt und kontinuierlich ein 6 Kanal-EKG geschrieben. Alle betrachteten Smartphones unterstützen den GSM und UMTS Mobilfunkstandard, das HTC Gerät zusätzlich auch die LTE Technologie. Durch die Installation einer Sendestation mit eigenem Mobilfunknetz wurde sichergestellt, dass jedes Smartphone ein standardisiertes Testprotokoll durchlief. Im Rahmen dieses Protokolls wurden alle Phasen des Telefonierens (Verbindungsphase, Klingelphase und Gesprächsphase) in allen gängigen Mobilfunkstandards (GSM, UMTS sowie LTE wenn verfügbar) untersucht. Weiter konnte die Sendeleistung der Smartphones während aller Phasen kontrolliert werden, sodass die untersuchten Smartphones immer mit maximaler Sendeleistung, entweder permanent (Standard Modus) oder im 50Hz-Takt moduliert (50Hz-Modus) arbeiteten. Durch die Variation der Smartphones, der Netzwerkstandards und der Test-Modi wurde jeder Patient 11 Untersuchungen unterzogen und in Summe wurden ca. 3400 Tests durchgeführt. Neben einer EKG-Analyse auf Stimulations-Abnormitäten während der Smartphone Exposition, erfolgte nach Beendigung der Test eine Geräte-Abfrage mit Auswertung des Gerätespeichers auf eine inadäquate Tachykardie-Erkennung sowie zum Ausschluss einer spontanen Umprogrammierung.
Ergebnisse
Bei einem Patient mit einem MRT-tauglichen CRT-ICD (1/308, 0,3%) hat sich eine elektromagnetische Störbeeinflussung gezeigt, die mit multiplen atrialen und ventrikulären Oversense-Ereignissen einherging. Die elektromagnetische Interferenz trat sowohl unter der Testung mit Smartphones unterschiedlicher Hersteller (HTC und Nokia) als auch unter Nutzung verschiedener Mobilfunkstandards (GSM und UMTS) bei direkter Platzierung des Smartphones über dem Aggregat auf. Keine Interferenz war unter der Verwendung des LTE-Standards nachweisbar, ebenso war die Interferenz bei einem Sicherheitsabstand von 15 cm zwischen Smartphone und implantiertem CRT-ICD nicht mehr nachweisbar.
Schlussfolgerung
Eine elektromagnetische Interferenz ist in vivo zwischen Smartphones und ICDs bzw. Schrittmachern nachweisbar. Die Prävalenz ist mit 0,3% konsistent mit den frühen Schrittmacher-Interferenzstudien mit Mobilfunkgeräten. Unsere Studie zeigt nicht nur die erste Störbeeinflussung eines ICDs durch Smartphones, sondern auch, dass moderne, MRT-taugliche Geräte nicht besser gegen Störquellen des Alltags abgeschirmt sind. Die Empfehlungen bezüglich eines Mindestabstands zwischen Mobilfunkgerät und implantiertem Rhythmusgerät sind weiterhin einzuhalten. Die Patienten sollten im Rahmen der Device-Nachsorge über potenzielle Interferenzen informiert werden, aber auch beruhigt werden, dass bei Einhaltung eines Sicherheitsabstandes die Nutzung eines Smartphones ungefährlich ist.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 9000 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen, die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org