Zwei Jahre Advanced Heart Failure Unit Heidelberg – ein Erfahrungsbericht
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Dr. Ramon Tschierschke, Heidelberg
Durch Forschung und Technik konnte im Laufe der letzten Jahre das Überleben einer kardiovaskulären Akuterkrankung zunehmend verbessert werden. Gepaart mit dem demografischen Wandel in den westlichen Industrienationen führt dies jedoch zu einer immer weiter steigenden Prävalenz der chronischen Herzinsuffizienz. Schreitet diese Erkrankung weiter fort entwickelt sich häufig eine fortgeschrittene Herzinsuffizienz (engl.: advanced heart failure = AHF). Bislang gibt es keine spezialisierten stationären Versorgungstrukturen, die explizit auf die Versorgung von Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz zugeschnitten ist.
In der Abteilung für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Hugo A. Katus) am Herzzentrum Heidelberg wurde daher im März 2012 eine Advanced Heart Failure Unit (AHFU) etabliert, die sich ausschließlich der Behandlung dieses Krankheitsbildes widmet. Entwickelt als eine Intermediate Care Station sind wir in der Lage, mit Ausnahme der invasiven Beatmung, alle Therapie- und Überwachungsoptionen einer modernen Intensivstation anzubieten. So verfügen alle acht Behandlungsplätze der AHFU über die Möglichkeit gängige hämodynamische Messverfahren (Invasive Blutdruck-Messung, PICCO, Swan-Ganz-Katheter) am Patientenbett anzuwenden. Sollte sich der Zustand eines Patienten verschlechtern, so stehen neben der etablierten Ballonpumpe auch perkutane Kreislaufunterstützungssysteme und ein miniaturisiertes extra-korporales Life-Support System (ECLS) zu jeder Zeit zur Verfügung. Überdies kann an jedem Patientenbett eine nicht-invasive Beatmung und eine Hämodialyse oder Ultrafiltration durchgeführt werden, sofern erforderlich.
Innerhalb der ersten 2 Jahre seit Gründung der AHFU wurden insgesamt 280 Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz durch das interdisziplinäre Team unter Leitung der Kardiologie behandelt. Durch die enge Kooperation innerhalb des Herzzentrums Heidelberg ist es möglich, optimale und auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Therapiekonzepte zu erarbeiten. Dieser Therapieansatz ist notwendig, da Patienten mit AHF häufig nicht mehr adäquat auf die durch die Leitlinien empfohlenen Therapiekonzepte ansprechen. Zum einen liegt dies an der Schwere der kardialen Grunderkrankung und zum anderen leiden diese Patienten an multiplen Begleiterkrankungen wie z.B. Diabetes, COPD oder Niereninsuffizienz. Die zwei häufigsten Gründe für eine Aufnahme auf die AHFU stellen eine kardiale Dekompensation gefolgt von einer Herztransplantationsevaluation dar. Weitere Gründe waren die Therapieoptimierung nach Herztransplantation, der kardiogene Schock und eine geplante Herzklappen-interventionen bei einem Patienten mit Herzinsuffizienz. Über ein Drittel und damit die meisten Zuweisungen erfolgten durch externe Krankenhäuser.
Nach Aufnahme auf die AHFU erfolgt je nach bestehenden Vorbefunden eine eingehende Diagnostik zur Klärung der Genese und zur Abschätzung der Schwere (inkl. Hämodynamik) der Herzinsuffizienz. Die Diagnostik erstreckt sich über kardiologische Standarduntersuchungen bis hin zur Myokardbiopsie, kardiale Magnet-Resonanz-Tomographie (Kardio-MRT) und zur genetischen Diagnostik bei Verdacht auf genetische Kardiomyopathien.
Therapeutisch wird je nach Schwere der Erkrankung zunächst die leitliniengerechte Herzinsuffizienztherapie ausgeschöpft. Ein Großteil der auf der AHFU betreuten Patienten konnte konservativ durch Optimierung der medikamentösen Therapie erfolgreich behandelt werden. Ferner führten wir in etwa jedem Zehnten Fall eine perkutane Koronarintervention durch, einige der Patienten wurde mit einem neuen aktiven Rhythmus-Implantat (fast die Hälfte wurden bereits zuvor mit einem implantierbaren Defibrillator (ICD) oder einem kardialen Resynchronisations-System (CRT) versorgt) ausgestattet und wiederum jeder zwanzigste erhielt eine Herzklappenintervention (überwiegend endovaskuläre Mitralklappenrekonstruktion mittels MitraClip bei funktioneller Mitralinsuffizienz als Folge der Herzinsuffizienz). Den Goldstandard zur Behandlung der therapierefraktären Herzinsuffizienz stellt weiterhin die Herztransplantation dar, eine entsprechende Evaluation war auch der häufigste Grund einer Zuweisung durch die externen Kooperationskliniken. Etwa 20% der Patienten konnte erfolgreich bei Eurotransplant gelistet werden, wobei 9% bereits vor Aufnahme gelistet waren. Von diesen Patienten wurden aufgrund der Schwere der Erkrankung fast 80% (17% aller AHFU-Patienten) im Status „High-Urgency“ (HU) gelistet. Hiervon konnten wiederum 70% erfolgreich einer Herztransplantation unterzogen werden, 7% erhielten ein Assist-Device, 9% wurden aus verschiedenen Gründen wieder entlistet und 14% verstarben während der Wartezeit. Verglichen mit den Zahlen aus anderen EUROTRANSPLANT-Ländern (HU-Mortalität 18,8%) liegt die Überlebensrate auf der HU-Liste somit über dem Durchschnitt.
Insgesamt sehen wir die AHFU als eine Ergänzung zu den bisher etablierten kardiologischen Behandlungseinrichtungen. Durch ein ganzheitliches Therapiekonzept, eingebettet in einem Herzzentrum der Maximalversorgung, konnten optimale Strukturen geschaffen werden, um eine nachhaltige Verbesserung der Versorgungsqualität von Patienten mit fortgeschrittener Herzinsuffizienz zu gewährleisten. Die durchschnittliche Auslastung der Station von 96% zeigt, dass durch die AHFU eine Lücke in der Versorgung dieser schwerstkranken Patienten geschlossen werden konnte.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8500 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org