Klinisch-statistische Untersuchungen zur primär prophylaktischen ICD-Therapie im klinischen Alltag.
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Eva Hoh, Ulm
Hintergrund: In Deutschland erleiden etwa 100.000 Patienten pro Jahr einen Herz-Kreislauf-Stillstand, der in 65-80% der Fälle durch tachykarde ventrikuläre Rhythmusstörungen hervorgerufen wird. Der Nutzen von implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICDs) im Hinblick auf eine Verbesserung des Überlebens für Patienten mit einem erhöhten Risiko für den plötzlichen Herztod wurde von mehreren gesicherten Studien bewiesen.
Doch trotz des klinischen Benefits existiert eine hohe Rate an inadäquaten ICD-Therapie-abgaben, welche zum einen die Lebensqualität der Patienten und zum anderen zu einem schlechteren klinischen Outcome führt. Je nach Studie schwanken diese inadäquaten Schockabgaben zwischen 10 und 20% (MADIT-II 11,5% SCD-HeFT 17%) der Patienten in den ersten zwei Jahren nach Implantation. Es existiert jedoch ein gewisser Unterschied zwischen der Patientenauswahl innerhalb der Studien und der im klinischen Alltag. Nun ist zu klären, ob für dieses klinische Patientenklientel ein ähnlicher Benefit besteht wie in den Studien oder ob sie nur die Risiken einer Operation oder sogar inadäquater Therapieabgaben tragen müssen.
Methoden: Wir beobachteten 354 Patienten, welchen primärprophylaktisch ein ICD im Zeitraum vom 01.01.2004 und 01.09.2012 am Universitätsklinikum Ulm implantiert wurde. Hierbei untersuchten wir neben den klinischen Parametern (Alter, NYHA-Stadium, linksventrikuläre EF, Grunderkrankung, Nebenerkrankungen, Medikamente) das unterschiedliche Outcome der Patienten anhand von adäquaten und inadäquaten ICD-Therapieabgaben und der Mortalität. In Alter, NYHA-Stadium, Medikamenten, Nebenerkrankungen und EF unterschieden sich die Patienten nur gering zur Studienpopulation von MADIT II oder SCD HeFT.
Ergebnisse – Therapieabgaben: Während eines mittleren Follow-Ups von 39,99 ± 24,74 Monaten zeigte sich, dass 35,76% der Patienten eine ICD-Therapie erhielten, davon waren 88,8 % adäquat und 11,2% inadäquat. Insgesamt erhielten 33,64 % der Patienten eine adäquate Therapieabgabe, wohingegen nur 4,24% der Patienten eine inadäquate Therapie bekamen. Grund für inadäquate Therapieabgaben waren meist eine Hyperkaliämie (25,0%), ein Sondenbruch mit Fehldetektion von Artefakten (25,0 %) und T-Wellen-Oversensing (25,0 %). Selbst nach einem Aggregatwechsel wegen Batterieerschöpfung erhielten weitere 2,3 % der Patienten ohne bisherige Therapieabgaben eine erste adäquate Therapie.
Ergebnisse – Mortalität: 19,49% der Patienten verstarben während des Follow-Up. Verstorben an kardialer Ursache sind 5,37% der Patienten, hiervon 73,68% wegen Herzinsuffizienz und jeweils 10,53% wegen Rhythmusstörungen oder plötzlichem Herztod. Diese Patienten hatten ein mittleres Überleben von 28,28 ± 17,24 Monaten.
Zusammenfassung: Im Vergleich zu MADIT II und SCD-HeFT zeigt sich in unserer Studienpopulation eine deutliche Reduktion inadäquater Therapieabgaben, besonders durch eine Reduktion von Vorhofflimmern, einer Hauptursache für inadäquate Schockabgaben in vorgenannten Studien. Ursächlich hierfür dürfte eine differenzierte Programmierung der Therapiezonen in unserem Patientengut sein. Nach ICD-Wechsel infolge Batterieerschöpfung bei Patienten ohne Therapieabgaben waren im Verlauf adäquate Therapien zu beobachten. Im Hinblick auf das Überleben zeigt sich ein ähnlicher Trend im Vergleich zu den etablierten Studien, insbesondere ein Anstieg der Herzinsuffizienz als kardiale Haupttodesursache.
Relevanz für die Klinik: Die medikamentöse und interventionelle Behandlung von Vorhofflimmern sowie eine individuelle Programmierung der Aggregate verhüten inadäquate Therapieabgaben. Weitere Reduktion inadäquater Therapien durch regelmäßige Kontrollen des Kaliumspiegels. Nach primär event-freiem Verlauf ist bei Batterieerschöpfung eine regelhafte Beendigung der ICD-Therapie nicht gerechtfertigt.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8800 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org