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Neue Studie: Familie und Beruf sind für Kardiologen schwer vereinbar – Ohne entsprechende Verbesserungen droht Versorgungs-Engpass

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Von 9.-11 Oktober 2014 findet in Düsseldorf die Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie statt.

Düsseldorf, 10. Oktober 2014 – „Ein Mangel an Kinderbetreuung, die ärztliche Dienstzeiten berücksichtigt, und unregelmäßige Arbeitszeiten – insbesondere Nacht-und Wochenenddienste – führen dazu, dass sich vor allem Kardiologinnen für Teilzeitarbeit entscheiden müssen, sobald sie Kinder haben. Mittelfristig gefährdet diese Situation die medizinische Versorgung in Deutschland.“ So fasst Dr. Maike Bestehorn, Coautorin der  von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) beauftragten Studie „Familie und Kardiologie“, eine Kernaussage zusammen.

Das Projekt „Familien in der Kardiologie“ der DGK soll für Kardiologinnen und Kardiologen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern helfen, so Prof. Dr. Klara Brixius, gemeinsam mit Prof. Dr. Annette Geibel-Zehender Vorsitzende der DGK-Projektgruppe zum Thema: „Wir stehen heute vor der Situation, dass bereits rund 70 Prozent der Studierenden der Medizin Frauen sind. Das hat natürlich Konsequenzen für die Weiterqualifizierung  in Richtung Kardiologie. Es wird sich die Frage stellen, wie sich Beruf, Weiterqualifizierung und natürlich auch Wissenschaft besser mit Familie vereinbaren lassen.“

59 Prozent der Kardiologinnen mit Kindern arbeiten Teilzeit

Befragt wurden Ärztinnen und Ärzte mit und ohne Nachwuchs sowie Chefärzte zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Untersuchung zeigt, dass die Rahmenbedingungen denkbar schlecht sind, um Kinderbetreuung und Beruf zu vereinbaren. Typisch für die verfügbare Kinderbetreuung sind unflexible, nicht an den Klinikbetrieb angepasste Öffnungszeiten und nur sehr selten Lösungen für Nacht- und Wochenenddienste.

Dementsprechend schwierig ist es, Familie und Karriere zu vereinbaren. Das gilt vor allem für Kardiologinnen, da sowohl die männlichen als auch die weiblichen Befragten meinen, dass Frauen Hauptverantwortliche für die Organisation der Kinderbetreuung sind. Dr. Bestehorn: „Unsere Umfrage zeigt, dass 59 Prozent der Frauen mit Kindern Teilzeit arbeiten – bei den Männern sind es nur 8 Prozent. Frauen mit Kindern stecken sich beruflich und akademisch niedrigere Ziele als Männer.“

Nur etwa ein Drittel der Ärzte und Ärztinnen mit Kindern sind mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zufrieden, rund 40 Prozent sind deutlich unzufrieden, der Rest ist weder zufrieden noch unzufrieden. Auch die männlichen Befragten mit Kindern erkennen deutliche Defizite bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Gegensatz dazu finden sich bei den befragten Ärzten ohne Kinder geschlechtsunabhängig Vollzeittätigkeit, ähnliche berufliche und akademische Ziele sowie ähnliche Einschätzungen bezüglich des Erreichens dieser Ziele.

Brachliegende Ressourcen

„Ohne Änderung der Rahmenbedingungen bei der Kinderbetreuung wird auch in Zukunft regelmäßig ein Elternteil nur Teilzeit oder gar nicht arbeiten“, so Dr. Bestehorn. „Das bedeutet entsprechend verzögerte Qualifizierung des kardiologischen Nachwuchses und brachliegende fachärztliche Ressourcen. Gefragt sind innovative Lösungen für eine Kinderbetreuung, die einerseits das Kindeswohl berücksichtigen, andererseits besser an den 24h/7 Tage-Betrieb der Kardiologie angepasst sind.“

Werden die entsprechenden Ressourcen nicht geschaffen, könne das langfristig die medizinische Versorgung in Deutschland beeinträchtigen. Dr. Bestehorn: „Der Frauenanteil der Absolventen des Studienfaches Medizin stieg seit 2000 von 46 Prozent auf 62 Prozent im Jahr 2012. Wenn die Mehrzahl von ihnen Kinder haben will, wird die Mehrzahl von ihnen auch über etliche Jahre in Teilzeit arbeiten und damit – wenn überhaupt – nur verzögert als Fachärztinnen in der Kardiologie einsatzfähig sein.“

Für den Staat und die Gesellschaft ergibt sich daraus, dass „für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung entweder entsprechend mehr Studien- und Weiterbildungsstellen bereitgestellt werden müssen, oder mehr in die Vereinbarkeit von Familie und ärztlichem Beruf investiert werden muss,“ so die Studienautorin.

Herzinfarkte halten sich nicht an Dienstzeiten

Sowohl die klassische Ausbildung zu Fachärztin oder Facharzt als auch die klassischen Karrierewege in der Medizin seien unter den gegebenen Bedingungen durchaus als familienfeindlich zu bezeichnen. Ein berufsgerechter Ausbau der Kinderbetreuung wäre ein erster und immens wichtiger Schritt in diese Richtung. Andernfalls drohen auch Probleme bei der Versorgung, sagt Prof. Brixius, „zumal sich Herzinfarkte bekanntlich nicht an feste Dienstzeiten halten.“

Ärztemangel und Abwanderungsrisiko

Länder wie Deutschland stehen vor einem doppelten demografischen Problem: „Einer alternden Bevölkerung stehen gleichzeitig alternde Fachkräfte im Gesundheitswesen gegenüber“, so Prof. Dr. Eckart Fleck, Pressesprecher der DGK. Der steigende Bedarf an gesundheitlicher Versorgung trifft sich mit einer zunehmenden Zahl von Angehörigen der Gesundheitsberufe, die sich in den Ruhestand zurückziehen. „Bis zum Jahr 2020 werden Schätzungen der Europäischen Kommission zufolge eine Million Ärzte, Pflegepersonen und andere Angehörige anderer Gesundheitsberufe fehlen, davon rund 230.000 Ärzte.“ Die deutsche Krankenhausgesellschaft prognostizierte, dass 2020 in Deutschland rund 56.000 Ärzte fehlen werden.

„Durch diese Entwicklung verschärft sich der Wettbewerb um qualifiziertes Gesundheitspersonal zwischen den EU-Ländern weiter. Erst vor wenigen Tagen hat die EU Kommission darauf hingewiesen, dass in 21 von 29 europäischen Ländern ein Mangel an Gesundheitspersonal herrscht“, so Prof. Fleck. Tatsächlich kämpfen inzwischen auch traditionelle „Empfängerländer“, die bisher auf die Anwerbung von medizinischem Personal aus anderen Ländern gesetzt hatten, um Engpässe zu überwinden, zunehmend mit medizinischen „Brain drain“. „Wer in diesem Konkurrenzkampf um die besten Köpfe den medizinischen Nachwuchs nicht verlieren will, muss sich um eine Verbesserung der Arbeits- und Rahmenbedingungen kümmern.“

Geht es um Migrationsmotive von Angehörigen der Gesundheitsberufe, sollten internationalen Untersuchungen zufolge mehrere zentrale Faktoren berücksichtigt werden: „Ein besseres Einkommen ist ein Motiv, aber nicht das einzige. Wichtigster Ansporn für Migration von Gesundheitsdienstleistern sind meist schlechte oder relativ schlechte Rahmenbedingungen und Perspektiven. Wichtigen Motive sind Karrierechancen, Betreuungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für die Kinder oder die politische Stabilität des Ziellandes.“

 

Informationen: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie

Pressesprecher: Prof. Dr. Eckart Fleck (Berlin)

Pressebüro während des Kongresses: 0211 5209-1716, 0211 5209-1715

Pressestelle: Kerstin Krug, Düsseldorf, Tel.: 0211 600692-43, presse@dgk.org

B&K Kommunikation, Roland Bettschart, Dr. Birgit Kofler, Berlin/Wien,

Tel.: 030 700159676; +43 1 31943780; kofler@bkkommunikation.com

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit über 8800 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter www.dgk.org.