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Systematische postmortale Analyse von Schrittmachern unter forensischen Gesichtspunkten

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Systematische postmortale Analyse von Schrittmachern unter forensischen Gesichtspunkten. Der finale Rhythmus des verstorbenen ICD-Patienten: Lassen sich Hinweise zur Todesursache aus postmortalen ICD-Kontrollen gewinnen?

Dr. Nils Gosau, Hamburg

Die postmortale Sektion bietet trotz ihres umfassenden Charakters gerade zur Feststellung von Todesursachen wie dem plötzlichen Herztod oft keine optimale Aussagekraft. Wir untersuchten, wie sich die Analyse eines vorhandenen Schrittmachers oder ICDs auf die postmortale Diagnostik auswirkt. ICDs bieten aufgrund ihrer umfassenden Arrhythmiediagnostik die Möglichkeit, auch nach dem Tod des Trägers gewisse Hinweise zum klinischen Zustand des Patienten kurz vor dem Tod bzw. zum Zeitpunkt des Todes zu gewinnen. Darüberhinaus ist es die Aufgabe des ICDs, einen plötzlichen, ohne ihn meist nicht zu vermeidenden Tod abzuwenden. Somit ist die Frage nach genauer Todesursache umso interessanter.

Dazu wurden von Januar 2009 bis November 2011 129 Verstorbene mit Schrittmachern und 34 mit ICD in unserem Zentrum rechtsmedizinisch oder pathologisch seziert. Die Schrittmacher wurden explantiert und kontrolliert.

Schrittmacher haben meist keine umfassenden Diagnostikfunktionen, trotzdem konnten einige Daten erhoben werden. Nur ein Schrittmacher von 129 ließ sich nicht abfragen, ein Gerät war im End-Of-Life-Modus. 16 Schrittmacher hatten das elektive Austauschkriterium erreicht, bei 26 SM war die Registrierung hoher Kammerfrequenzen möglich und aktiviert. Bei 18 dieser Patienten konnten schnelle ventrikuläre Tachykardien oder Kammerflimmern unmittelbar vor dem sicheren oder vermuteten Todeszeitpunkt nachgewiesen werden. Zwei Schrittmacher zeigten Dysfunktionen des Systems, in beiden Fallen handelte es sich um Oversensing bei Sondendefekt.

ICDs bieten eine umfassende Rhythmusdiagnostik, aus diesem Grund sind dezidiertere Daten zu erwarten. Gleichzeitig besteht ein anderes Patientenkollektiv mit ausgeprägterer kardialer Komorbidität. Dies dürfte sich auf die zu erwartenden Todesarten auswirken. Folgende Daten konnten aus den ICDs gewonnen werden.

Inadäquate Therapien (z. b. bei Vorhofflimmern) zum Todeszeitpunkt wurden nicht registriert. In Zusammenschau mit klinischen Daten und Sektionsbefunden sind 3 Patienten an einem sicher nichtkardialen Tod verstorben, 5 an einem akuten Koronarsyndrom, davon 2 mit parallelen malignen ventrikulären Arrhythmien (VT/VF). An Herzversagen ohne VT/VF oder ACS verstarben 10 Patienten (29%).

Bei 12 Patienten traten VT/VF zum Todeszeitpunkt auf, alle wurden mit ATP und DC-Schock therapiert. Die primäre Arrhythmie war zu gleichen Teilen eine Kammertachykardie oder Kammerflimmern. Bei 2 Patienten zeigte sich nach erfolgreichen DC-Schocks und parallel eingeleiteten Reanimationsmassnahmen letztlich eine pulslose elektrische Aktivität . In 4 Fällen erfolgte bei adäquater Arrhythmie keine suffiziente Therapie: jeweils einmalig ineffektive Therapie bei Sondendefekt und fehlende Erkennung bei Undersensing und zweimalig Zurückhaltung einer indizierten Therapie.

Die postmortale Schrittmacher/ICD-Kontrolle erfordert gute Zusammenarbeit von Kardiologen, Rechtsmedizinern und Pathologen, ist aber problemlos durchführbar. Schnelle Kammertachykardien/Kammerflimmern in Schrittmachern können in vielen Fällen wahrgenommen werden, sicherlich jedoch mit einer Dunkelziffer, da nur wenige Schrittmacher ausstattungs- oder programmierbedingt diese aufzeichnen können. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, in wie weit diese Arrhythmien einem plötzlichen Herztod entsprechen oder Ausdruck eines primär nicht arrhythmiebedingten Todes sind.

In Bezug auf ICDs erlaubt die postmortale Kontrolle in vielen Fällen weitere Einblicke in die Umstände des Todes. Aufgrund der Beobachtung von nicht regelhafter ICD-Therapie im Zusammenhang mit dem Tod sollten möglichst viele ICDs postmortal untersucht werden, um weitere Erfahrungen zu gewinnen.

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