„Eine vorsätzliche, gut gemachte Fälschung kann man nicht erkennen.“
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Statement Prof. Dr.Dr. h.c. mult. Hubert E. Blum, Direktor der Abteilung Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg
Computerprogramme sind hilfreich zum Ausschluss von Doppel-Publikationen sowie zur Suche nach Plagiaten, zum Beispiel in Diplom-, Doktor- oder Habilitationsarbeiten. Für die Beurteilung der Qualität von Forschungsarbeiten, die bei wissenschaftlichen Journalen zur Publikation eingereicht werden, sind sie jedoch wenig hilfreich. Denn Plagiate sind bei der Publikation von Forschungsergebnissen nicht das wirkliche Problem. Vielmehr geht es um die wissenschaftliche Richtigkeit und Interpretation der zu publizierenden Forschungsergebnisse, basierend auf der Anwendung geeigneter Methoden, inklusive Statistik sowie der Untersuchung von aussagefähigen Modellen oder Patientenkohorten, und im schlimmsten Fall um die Erkennung von vorsätzlicher Fälschung. Diese ist in der Praxis anhand der zur Publikation eingereichten Arbeit oft nur schwer nachweisbar. Sind die „Betrüger“ clever, ist der Betrug bei der Beurteilung der eingereichten Arbeit selbst durch internationale Experten nicht zu erkennen. Der Betrug wird dann – erst oft Jahre später – aufgedeckt.
Zentrales Element ist hier die Reproduzierbarkeit der Daten als wichtigstes Kriterium für wissenschaftlich fundierte Arbeiten: Das heißt, dass die Ergebnisse eines Experiments oder einer Studie von anderen Forschern unabhängig wiederholt werden können. Gelingt dies nicht, so gibt es hierfür natürlich zahlreiche mögliche Erklärungen, wie subtil unterschiedliche Methoden, Materialien, Patientenkohorten oder Versuchsbedingungen, aber auch die Möglichkeit einer vorsätzlichen Fälschung. Für die Publikation erfundener, jedoch plausibel wirkender Daten gibt es zahlreiche zum Teil spektakuläre Beispiele in der Medizin wie auch in der biomedizinischen Grundlagenforschung.
Eines stammt aus dem Bereich der Stammzellforschung. Hier hat ein Forscher an der Seoul National University 2004 und 2005 in „Science“ zusammen mit 14 bzw. 24 Koautoren aus der eigenen, aber auch von anderen Forschungseinrichtungen eine Sensation publiziert: Es war ihnen erstmals gelungen, durch den Transfer des Zellkerns von Hautzellen von Patienten in gespendete Eizellen individuelle embryonale Stammzellen herzustellen und diese in vitro in jeden beliebigen Zelltyp zu differenzieren. Damit war es im Prinzip möglich, für jeden Menschen/ Patienten individuelle multipotente Stammzellen für therapeutische Zwecke herzustellen, zum Beispiel Nervenzellen zur Behandlung von durch Trauma entstandenen Querschnittslähmungen. Diese Arbeiten wurden von weltberühmten Stammzellforschern als publikationswürdig beurteilt, waren jedoch vorsätzliche Fälschungen.
Ein zweites Beispiel ist aus der Kardiologie: Hier hat Dr. John Darsee, ein von 1974 bis 1979 an der Emory University tätiger, als brillant eingeschätzter Kardiologe, 8 später als Fälschungen identifizierte Originalarbeiten und 43 gefälschte Abstracts mit zum Teil Emory’s bekanntesten Forschern als Koautoren unter anderem im renommierten New England Journal of Medicine publiziert. So gab es zu einer Arbeit über Taurin-Spiegel bei Herzpatienten keinerlei dokumentierte Laborbefunde sowie keine Details zur Herkunft der Patienten. Ferner waren die im Acknowledgement bedankten Forscher weder an der Emory University noch anderswo bekannt. Entdeckt wurde die Serie von Fälschungen im Rahmen von Forschungsarbeiten im Cardiac Research Laboratory bei Eugene Braunwald im Brigham & Women’s Hospital in Boston zwischen 1979 und 1981, als Labormitarbeiter Unregelmäßigkeiten bei Hundeversuchen feststellten.
Peer Review als mehrstufiges Gutachtenverfahren
Selbstverständlich ist es mehr als unbefriedigend, die Fälschung von publizierten Forschungsergebnissen oder Studien erst nach Jahren identifizieren zu können. Aufgrund dieser Erfahrungen gibt es institutionalisierte Mechanismen, mit denen die Qualität von Forschungsergebnissen vor deren Publikation beurteilt und gesichert werden soll. Wichtigstes Instrument ist dabei der Peer Review als mehrstufiges Gutachtenverfahren. Dieses wird zum Beispiel bei der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (DMW) von Schriftleitung, Herausgeber, Redaktion und Chefredaktion in Zusammenarbeit mit externen Experten durchgeführt. Ziel dieses Verfahrens ist die Qualitätssicherung durch einen moderierten wissenschaftlichen Dialog auf der Basis von Sachargumenten. Hierbei werden die eingesetzten Methoden, inklusive Statistik, Materialien und ggf. Patientendaten ebenso evaluiert wie die Übereinstimmung von Forschungsergebnissen und Schlussfolgerungen. Ggf. werden zur Qualitätssicherung von Forschungsergebnissen bzw. zur Sicherung der Aussagefähigkeit und von Schlussfolgerungen vor der Publikation weitere Experimente oder Daten gefordert.
Die sichere Erkennung von Unredlichkeit in der Wissenschaft oder von vorsätzlicher Fälschung ist jedoch auch durch den Peer Review nicht möglich. Deshalb versuchen die Publikationsorgane durch verschiedene weitere Maßnahmen die Qualität und Publikationswürdigkeit von Forschungsergebnissen zu sichern:
- Schriftliche Bestätigung der Richtigkeit und Originalität der Daten sowie des individuellen Beitrags aller Autoren zur Publikation.
- Bestätigung der Registrierung der zu publizierenden Studie in einem anerkannten nationalen oder internationalen Studienregister nach positivem Votum der zustä
- iezukaqtionsorganeternationelaNE TREGISTERungsndigen Ethikkommission.
Kultur der Redlichkeit
Perspektivisch geht es meines Erachtens jedoch in erster Linie darum, die „Kultur der Redlichkeit“ in Wissenschaft und Forschung zu fördern und einzufordern. Diese Kultur muss bereits am Anfang des Medizinstudiums und des wissenschaftlichen Arbeitens, zum Beispiel vor Beginn einer Dissertationsarbeit, thematisiert und vermittelt werden. Die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis sind deshalb Teil der akademischen Lehre und der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Die Aushändigung/ Kenntnis der „Ordnung zur Sicherung der Redlichkeit in der Wissenschaft“ der jeweiligen Einrichtung/ Universität sollte von wissenschaftlichen Mitarbeitern schriftlich bestätigt werden. Zur Verbesserung von medizinischen Doktorarbeiten gibt es unter anderem fakultäre Programme zum individuellen Mentoring von Doktoranden im Hinblick auf die Relevanz/ Originalität der Thematik, die geeignete Methodik zur Durchführung des geplanten Forschungsprojektes sowie die Dokumentation und Publikation der Forschungsergebnisse, inklusive die Voraussetzungen einer Koautorenschaft.
Ferner sollten die Forschungsergebnisse intern im Rahmen von Seminaren der Arbeitsgruppe (AG) präsentiert und mit den AG-Leitern diskutiert werden. Diese haben eine Fürsorge-, aber auch eine Aufsichtspflicht. Bei Verdacht auf Fehlverhalten sollten die universitären Gremien, zunächst die/ der „Beauftragte für die Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ unter Wahrung der Anonymität eingeschaltet werden. Gelingt es diesen internen Peer Review wirkungsvoll in die Förderung des klinisch-wissenschaftlichen Nachwuchses in der Medizin zu integrieren, so wird sich die „Kultur der Redlichkeit“ weiter etablieren und die Unredlichkeit in Wissenschaft und Forschung reduzieren, wenn auch nicht vermeiden lassen.
Kontakt:
Pressesprecher der DGK
Prof. Dr. Eckart Fleck
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Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8200 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org