Sterblichkeit bei Herzkrankheiten nimmt ab, auch alte Menschen profitieren von Innovationen – regionale Unterschiede in der Herzinfarkt-Sterblichkeit
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Statement Prof. Dr. Georg Ertl (Würzburg), Präsident der DGK
Regelmäßig stattfindende Kongresse wie die Jahrestagung der DGK in Mannheim laden dazu ein, Bilanz zu ziehen. Die deutsche Kardiologie kann sich international sehen lassen. 2012 fand der Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) mit mehr als 30.000 Teilnehmern aus über 150 Ländern zum 5. Mal in Deutschland statt. Von den insgesamt 9.600 wissenschaftlichen Arbeiten („Abstracts“), die für eine Präsentation eingereicht wurden, stammten 900 aus Deutschland. Bei den wissenschaftlichen Arbeiten, die für die Präsentation ausgewählt wurden, war die deutsche Kardiologie die Nummer Eins: Von den 4.200 akzeptierten Arbeiten stammten 570 aus Deutschland.
In der deutschen herzmedizinischen Versorgung sieht die Lage so aus: Die Sterblichkeit bei Herzerkrankungen geht zurück, die Menschen werden älter, vor allem durch einen Rückgang der Sterblichkeit an Herz-Kreislauferkrankungen, zunehmend profitieren auch die Alten von den Fortschritten der modernen Herzmedizin. Solche Ergebnisse zeigen den praktischen Nutzen der kardiologischen Forschung für die Patienten-Versorgung. Die kardiologische Versorgung hat ein hervorragendes Niveau erreicht und wird immer besser, allerdings müssen wir an regionalen Unterschieden noch konsequent arbeiten und uns auf die großen Herausforderungen der Zukunft einstellen.
Neue Herausforderungen durch demografischen Wandel
Wir müssen uns mit der sich ändernden Altersstruktur unserer Gesellschaft befassen, die zu einem Wandel insbesondere bei den Aufgaben der kardiovaskulären Medizin geführt haben. Die interventionellen Verfahren und verbesserte, schonendere Operationstechniken erlauben uns, immer älteren und multimorbiden Patienten Therapieoptionen anzubieten. Andererseits fordert die Versorgung dieser Patienten auch ein besseres Verständnis von Grundlagen der Herz- Kreislaufkrankheiten im Kontext von Komorbiditäten.
Das Wissenschaftsjahr 2013 will dazu beitragen, den demographischen Wandel als Chance zu nutzen. Das ist ein hoher Anspruch und es ist nicht verwunderlich, dass wir da nicht selten an unsere Grenzen geraten. Fachliche Grenzen, weil es kaum systematische Daten zu alten, multimorbiden Patienten gibt, die meist von den großen klinischen Studien ausgeschlossen werden. Grenzen auch, weil die meisten kardiologischen klinischen Studien als Endpunkt die Mortalität haben und ethisch komplexe Fragen wie den Umgang mit Patienten am Lebensende aussparen.
Einige Kennzahlen der neueren Entwicklungen in der Herz-Kreislaufmedizin:
- Die Sterbeziffer bei akutem Herzinfarkt ist in Deutschland zwischen 2000 und 2010 um insgesamt 15,8% bei Männern und um 18,4% bei Frauen zurückgegangen.
- Allerdings gibt es noch starke regionale Unterschiede: So versterben in Berlin jährlich 56 Menschen pro 100.000 daran, gefolgt von Schleswig-Holstein und Hessen (57), Baden-Württemberg (59), Bayern und Nordrhein-Westfalen (62). Am höchsten ist die Sterbeziffer in Sachsen (96), Brandenburg (101) und Sachsen-Anhalt (111). Insgesamt nähern sich jedoch die Zahlen in den neuen Bundesländern dem Niveau der alten Bundesländer an.
- Unter gesundheitsökonomischen Aspekten ist erfreulich, dass die Abnahme der Sterbeziffer bei akutem Herzinfarkt keinen Anstieg bei diagnostischen und therapeutischen Eingriffen im Herzkatheterlabor bedeutet: Zwischen 2010 und 2011 ging die Anzahl der Linksherzkatheter-Untersuchungen um 3,6% und der Perkutanen Koronarinterventionen (PCI) um 3,1% zurück.
- Heute werden 36% der Linksherzkatheter-Untersuchungen und 35% der PCI bei Patienten mit einem Alter zwischen 70 und 80 Jahren durchgeführt, und jeweils 15% bei Über-80-Jährigen. Das war vor bis vor kurze Zeit noch kaum vorstellbar und bedeutet für ältere Patienten einen maßgeblichen, unmittelbaren Fortschritt.
- Deutlich angestiegen ist zwischen 2010 und 2011 die Zahl der elektrophysiologischen Untersuchungen (+8,5%) und Ablationen (+17,8%).
- Die Implantation von Aortenklappen kann bei alten und/oder multimorbiden Patienten, mit zu hohem Risiko für einen operativen Ersatz der Aortenklappe an der Herzlungenmaschine, mittels Katheter-gestützter Aortenklappen-Implantation (TAVI) durchgeführt werden.
- Immer mehr Menschen in Deutschland profitieren von der modernen Herzschrittmacher- und Kardioverter-Defibrillatoren-Technologie. 1995 wurden noch 6.629 Herzschrittmacher implantiert, 2011 waren es bereits 14.860. Die Anzahl der implantierten Kardioverter-Defibrillatoren stieg in diesem Zeitraum von 1.975 auf 10.174.
Allerdings müssen diese Zahlen nicht Qualitätsverbesserung bedeuten, die Kardiologie gerät wegen ihrer Leistungen auch immer wieder in Kritik. Zudem sind die Leistungszahlen der Kardiologie für Deutschland nicht durch die Bank belastbar.
DGK unterstützt den „Deutschen Herzbericht“
Die DGK arbeitet konsequent daran, die Datenbasis in der herzmedizinischen Versorgung kontinuierlich zu optimieren, um eine noch solidere Grundlage für Empfehlungen zur Verbesserung der Versorgungslage zu schaffen. Sie beteiligt sich deshalb auch weiterhin am Deutschen Herzbericht, der dieses Jahr erstmals von der Deutschen Herzstiftung in Zusammenarbeit mit der DGK, der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie erstellt und herausgegeben wird.
DGK-Projektgruppe „Ethik in der Kardiologie”
Fragen zur Ethik stellen sich in der Kardiologie – wie in der gesamten Medizin – täglich. Sie betreffen insbesondere Aspekte der Ressourcenverteilung und Priorisierung, die Patientenaufklärung, Fragen zu Genetik und Transplantation sowie Fragen zur umfassenden Betreuung am Lebensende. Ziel der 2012 gegründeten interdisziplinären DGK-Projektgruppe „Ethik in der Kardiologie” ist die Thematisierung relevanter ethischer Herausforderungen in der Kardiologie. Hieraus sollen Standpunkte generiert, entsprechende Empfehlungen erarbeitet und diese in Fachblättern und Medien entsprechend kommuniziert werden.
DGK-Projektgruppe „Familie in der Kardiologie“
Zu den zentralen Aufgaben der DGK zählt die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Ein wichtiger Schwerpunkt ist in diesem Zusammenhang die Familienförderung. Bei den Immatrikulationen gibt es bereits mehr als 60% Studentinnen. Da stellt sich vielfach die Frage, wie eine Familie Kinderwunsch mit häufig zwei berufstätigen Eltern und einer oder vielleicht sogar zwei Karrieren in der Kardiologie vereinbaren kann. Das ist bei den heutigen Strukturen nicht immer einfach. Die DGK-Projektgruppe „Familie in der Kardiologie“ beschäftigt sich mit diesem Thema und verfolgt das Ziel, durch Nachwuchsförderung die kardiologische Versorgung in Deutschland nachhaltig zu sichern.
DGK-Preis für Wissenschaftsjournalismus an Werner Buchberger (BR)
Abschließend möchte ich den DGK-Preis für Wissenschaftsjournalismus erwähnen, der 2013 an Herrn Werner Buchberger, Ressortleiter Gesundheit im Bayerischen Rundfunk verliehen wird.
Herr Buchberger wird gewürdigt für wissenschaftlich fundierten, unabhängigen Journalismus, der bei aktuellen Brennpunkten im medizinisch-wissenschaftlichen Komplex den direkten Kontakt sucht und lieber mit Menschen als über Menschen redet. Insbesondere das Patient-Arzt Verhältnis wird von ihm als hochsensibles, momentan gefährdetes, Kulturgut betrachtet.
Kontakt:
Pressesprecher der DGK
Prof. Dr. Eckart Fleck
E-Mail: presse@dgk.org
Büro Berlin: 030 / 700159676
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8200 Mitgliedern. Sie ist die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder und die Erstellung von Leitlinien. Weitere Informationen unter www.dgk.org