Copeptin – prognostische Bedeutung bei Patienten mit Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom
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Christoph Liebetrau, Bad Nauheim
Der überwiegende Anteil von Patienten mit Brustschmerz und Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom (ACS) wird mit nicht-koronaren Herzerkrankungen (Herzinsuffizienz, Vitien, Herzrhythmusstörungen) oder extrakardialen Erkrankungen diagnostiziert. Dies führt unnötigerweise zu Zeitverzögerungen. Somit ist die Evaluierung anderer Biomarker zur erweiterten Risikostratifizierung von großem klinischen, logistischen und damit auch von wirtschaftlichem Interesse.
Copeptin, ein neurohormoneller Biomarker, wird als Bestandteil des Arginin-Vasopressin-Prohormons von der Neurohypophyse sezerniert. Diese Sekretion ist bei Stressreaktionen wie beispielsweise während eines akuten Myokardinfarktes erhöht, so dass die Copeptinkonzentration unmittelbar nach Einsetzen des myokardinfarktbedingten Brustschmerzes ansteigt. Somit könnte bei initial nicht erhöhtem Troponinwert (< 14,0 ng/L) und zeitgleich normwertiger Copeptinmessung ein Myokardinfarkt schneller ausgeschlossen werden. Weiterhin hat eine erhöhte Copeptinkonzentration prädiktiven Wert im Hinblick auf die Verlaufsmortalität.
In unserer Studie wurden 321 Patienten mit Verdacht auf ein ACS ohne ST-Streckenhebung untersucht. Von dieser Gesamtkohorte wurden 146 (45,5%) Patienten wurden aus anderen Kliniken zugewiesen. 205 (63,8%) Patienten hatten einen Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) und 86 (26,7%) Patienten eine instabile Angina Pectoris (IAP). Die übrigen Patienten hatten einen extrakardialen Brustschmerz beziehungsweise eine nicht-koronare Herzerkrankung. Venöse Serumproben zur Copeptinbestimmung wurden bei Aufnahme entnommen und bis zur Analyse bei -80°Celsius tiefgefroren.
Die Copeptinkonzentration war bei Patienten mit einem NSTEMI höher als bei Patienten mit IAP (18,8 pmol/L [IQR 11,6-40,3] vs. 11,2 pmol/L [IQR 6,9-15,6]; p<0,001). Allerdings war nur bei 133 (64,8%) NSTEMI-Patienten die Copeptinkonzentration ≥ 14,0 pmol/L. Die Transfer-Patienten hatten weniger häufig eine Copeptinkonzentration ≥ 14,0 pmol/L (63 [46,0%] vs. 105 [60,0%]; p=0,015). Bei 32 Patienten mit IAP war das Aufnahmetroponin T (hs-cTnT) kleiner der 99. Perzentile (< 14,0 ng/L). Von diesen Patienten hatten lediglich 4 (12,5%) Patienten ein Copeptin ≥ 14,0 pmol/L. Die Zeit vom Symptombeginn bis zur Blutentnahme war bei den Transfer-Patienten signifikant länger (10,6 h [IQR 6,2-17,2] vs. 3,5 h [IQR 2,0-10,4]; p<0,001). Die Cox-Regressionsanalyse zeigt, dass erhöhte Copeptin-Level ≥ 14,0 pmol/L direkt von der Zeitverzögerung des Transfers abhängt (95% CI 1,004-1,033); p=0,02). Nach 5 Jahren Follow-up waren 29 (14,2%) der NSTEMI-Patienten und 6 (6,9%) der UA-Patienten sowie 1 (3,0%) Patient ohne KHK verstorben. Patienten mit Copeptinkonzentration ≥ 14,0 pmol/L hatten eine höhere Mortalitätsrate innerhalb von 5 Jahren (LogRank 14,3; p<0,001, multivariate Cox-Regressionsanalyse 95% CI 1,003-1,023; p<0,01).
Die Zeitverzögerung von Symptombeginn bis zur Blutentnahme sollte in die Interpretation von Copeptinlevel bei Patienten mit Verdacht auf ACS einbezogen werden. Die Copeptinmessung im Rahmen des ACS sollte lediglich als Zusatzinformation bei initialen Troponin T Werten unterhalb der 99. Perzentile dienen. Zusätzlich kann Copeptin ein unabhängiger Prädiktor für die Langzeitmortalität sein.