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Pressemitteilung DGK

Ist die Länge des membranösen Anteils des interventrikulären Septums ein Prädiktor für höhergradige AV-Blockierungen und Schrittmacherpflichtigkeit nach transfemoralem Aortenklappenersatz?

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Dr. Georg von Bodman et al., München

Die Durchführung eines transfemoralen Aortenklappenersatzes (TAVI = transarterial aortic valve implantation) geht mit dem Risiko postinterventioneller AV-Überleitungsblockierungen und einer dadurch bedingten Schrittmacherpflichtigkeit einher.

Zahlreiche mögliche Einflussfaktoren oder Prädiktoren wurden bislang untersucht: Prozedurale [verwendeter Prothesentyp, Tiefe der Implantation, Prothesen-Anulus-Missmatch, Lernkurve], elektrophysiologische [vorbestehender AV- oder Schenkelblock, kurzzeitiger intraprozeduraler höhergradiger AV-Block, Veränderungen von PQ- und QRS- oder auch HV-Zeit post TAVI], anatomische [Anulusdurchmesser), Septumdicke, Grad der Verkalkung oder Verdickung der Aortenklappensegel] sowie individuelle Einflussfaktoren [Alter und Geschlecht, vorangegangener Myokardinfarkt]. Endpunkte dieser stets retrospektiven Arbeiten waren neu aufgetretener kompletter Linksschenkelblock, AV-Block >/= II° oder Schrittmacherimplantation post TAVI. Prädiktoren mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für einen AV-Block >/= II° und eine Schrittmacherimplantation post TAVI sind bisher nur die Verwendung einer selbstexpandierenden (vs. einer Ballon-expandierenden) Prothese sowie ein vorbestehender Rechtsschenkelblock (RSB).

Das HIS-Bündel verläuft im cranialen Anteil des membranösen interventrikulären Septums (MS) und der linke Tawara-Schenkel tritt an dessen apikalen Ende durch dieses hindurch. Im Bereich des muskulären interventrikulären Septums verläuft der linke Tawara-Schenkel dann unmittelbar subendokardial. Der Einfluss der Länge des MS wurde bislang nicht untersucht und soll in vorliegender Arbeit überprüft werden.

 Methodik: Im Zeitraum von Mai 2009 bis November 2011 konnten insgesamt 96 Patienten mit einer selbstexpandierenden Aortenklappenprothese (CoreValve®, Medtronic, Minneapolis, USA) transfemoral versorgt werden. Bei allen Patienten war zuvor eine kardiale CT-Angiographie (Sensation 64, Siemens, Forchheim) durchgeführt und die Länge des interventrikulären Anteils des membranösen Septums (MS) gemessen worden. Neun Patienten (9 %) wurden ausgeschlossen, da bereits in der Vorgeschichte ein Schrittmacher oder ICD implantiert worden war. Bei drei Patienten (3 %) konnte artefaktbedingt keine valide Messung der Länge des MS erfolgen. Eingeschlossen wurden 84 Patienten [33 männlich; 82 ± 6 (61 bis 92) Jahre]. Implantiert wurde 34 26 mm- (41 %), 48 29 mm- (57%) und zwei 31 mm-Prothesen (2%)]. Gemessen wurde die Länge des MS CT-angiographisch im Bereich zwischen akoronarem und rechtskoronarem Segel.

 Ergebnisse: 14 Patienten (17 %) boten bereits prae TAVI einen kompletten Linksschenkelblock (LSB), acht Patienten (10%) einen kompletten RSB. 32 Patienten (46 % der Patienten ohne LSB prä TAVI) boten post TAVI einen neu aufgetretenen kompletten LSB, 28 Patienten (33 %) boten intraprozedural kurzzeitig einen AV-Block III° und 25 Patienten (30 % aller Patienten bzw. 88 % der Patienten mit komplettem RSB prä TAVI) boten post TAVI einen AV-Block >/= II°. Bei 30 Patienten (36 % aller Patienten bzw. 88 % der Patienten mit komplettem RSB prä TAVI) wurde post TAVI die Indikation zur Schrittmacher (SM) -Implantation gestellt. Die Länge des MS wurde im Gesamtkollektiv mit 4,5 mm ± 1,7 mm (0,3 bis 8,7 mm) bestimmt. MS unterschied sich nicht signifikant zwischen Patienten mit und ohne neu aufgetretenem kompletten LSB (4,5 mm ± 1,7 mm; 0,3 bis 8,4 mm vs. 4,7 mm ± 1,7 mm; 2,4 bis 7,7 mm; p = 0,56), mit und ohne AV-Block >/= II° post TAVI (4,3 mm ± 1,7 mm; 1,8 bis 8,7 mm vs. 4,6 mm ± 1,7 mm; 0,3 bis 8,4 mm; p = 0,512) und nicht zwischen Patienten mit und ohne post TAVI gestellter SM-Indikation (4,6 mm ± 1,7 mm; 2,4 bis 8,7 mm vs. 4,5 mm ± 1,7 mm; 0,3 bis 8,4 mm; p = 0,875). Lediglich beim Vergleich der Patienten mit und ohne kurzzeitigem intraprozeduralen AV III° zeigte sich eine Tendenz zu mehr höhergradigen AV-Blockierungen bei Patienten mit einem kürzeren MS (4,0 mm ± 1,2 mm; 2,4 bis 6,6 mm vs. 4,8 mm ± 1,8 mm; 0,3 bis 8,7 mm; p = 0,062).

 Diskussion: Der native Anulus ist kein anatomisch fassbarer sondern vielmehr ein konstruierter Ring in der Ebene der caudalsten Aufhängepunkte der Aortenkappentaschen und liegt formal bereits im Ausflusstrakt des linken Ventrikels. Die craniale Begrenzung des interventrikulären Anteils des membranösen Septums ist variabel, liegt jedoch stets caudal der sinutubulären Junktion und cranial des Aortenklappenanulus. Das membranöse Septum ist hinsichtlich des spezifischen Reizleitungssystems von besonderer Bedeutung. Der AV-Knoten liegt rechtsatrial an der Spitze des Koch’schen Dreiecks und in unmittelbarer Nähe zum atrioventrikulären Anteil des membranösen Septums. Im interventrikulären Anteil des membranösen Septums (MS) verläuft das HIS-Bündel. Der linke Tawara-Schenkel tritt in seinem apikalen Anteil durch dieses nach linksventrikulär hindurch und verläuft dann im Bereich des muskulären interventrikulären Septums (IVS) unmittelbar subendokardial. Gerade dort übt der apikale Anteil einer selbstexpandierenden Prothese Druck aus.

 In der Literatur wird eine tiefe Prothesenposition (meist > 6 mm) häufig als Prädiktor für AV-Überleitungsstörungen – insbesondere Linksschenkelblöcke – post TAVI genannt. Ursächlich ist am ehesten der im Falle einer tieferen Implantation großflächigere Druck der Prothese auf den linken Tawara-Schenkel und die damit höher Wahrscheinlichkeit einer Schädigung desselben. So werten die meisten Arbeiten eine tiefe Prothesenimplantation demzufolge auch lediglich als Prädiktor für neu aufgetretene Linksschenkelblöcke – entsprechend der Lokalisation des apikalen Anteils der Prothese – und seltener als Prädiktor für eine neu aufgetretene Schrittmacherpflichtigkeit post TAVI. Ein direkter oder durch das möglicherweise postprozedural ödematöse umliegende Gewebe fortgeleiteter Druck auf HIS und/oder AV-Knoten post TAVI kann als Ursache einer über das Maß eines neu aufgetretenen LSB hinausgehenden Beeinträchtigung der AV-Überleitung diskutiert werden.

 Liegt ein langes MS vor, so verringern sich analog zu einer höheren Prothesenimplantation Kontaktfläche zu beziehungsweise Druck auf IVS oder den linken Tawara-Schenkel. Ob damit auch ein selteneres Auftreten einer Störung der AV-Überleitung einhergeht, ist nicht bekannt. Der Einfluss der Länge des MS wurde bislang nicht untersucht.

 Das sich in vorliegender Arbeit die Länge des MS nicht signifikant zwischen Patienten mit und ohne neu aufgetretenem kompletten LSB, mit und ohne AV-Block >/= II° post TAVI und nicht zwischen Patienten mit und ohne post TAVI gestellter SM-Indikation unterschied, mag verschiedene Ursachen haben: Zum einen könnte oben genannte Hypothese nicht zutreffend sein. Zum anderen hatte sich in einer früheren Arbeit auch die Tiefe der Implantation in einem Teil der untersuchten Kohorte nicht als Prädiktor für das Auftreten postinterventioneller AV-Überleitungsblockierungen und einer dadurch bedingten SM-Pflichtigkeit gezeigt. Möglicherweise ist auch die Fallzahl beziehungsweise die Ereignishäufigkeit zu gering.

 Dass sich beim Vergleich der Patienten mit und ohne kurzzeitigem intraprozeduralen AV III° eine Tendenz zu mehr höhergradigen AV-Blockierungen bei Patienten mit einem kürzeren MS zeigte, spricht für oben genannte Hypothese.

 Als nächster Schritt ist die Bestimmung der Tiefe der Implantation in Relation zur Länge des MS und die Korrelation dieser Werte mit post TAVI aufgetretenen AV-Überleitungsblockierungen und einer dadurch bedingten Schrittmacherpflichtigkeit erforderlich. Eine dahingehende Auswertung wird für die in vorliegender Studie untersuchte Population bald vorliegen.

 Schlussfolgerung: In unserem Kollektiv unterschied sich die Länge des MS nicht signifikant zwischen Patienten mit und ohne höhergradigen AV-Überleitungsstörungen oder Schrittmacherpflichtigkeit post TAVI.