Sechs Monatsergebnisse einer prospektiven Multicenter-Studie eines Paclitaxel-eluierenden bioabsorbierbaren Magnesiumscaffolds bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung – BIOSOLVE-I
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Prof. Dr. Michael Haude, Neuss
Dank Medikamente-freisetzender Stents konnte die Revaskularisierungsrate im Vergleich zu unbeschichteten Stents erheblich reduziert werden. Gleichzeitig jedoch ist mit diesem Fortschritt ein erhöhtes Risiko an späten Stentthrombosen verbunden. Zwar konnte diese Komplikation durch eine Verlängerung der Dualen-Antiplättchen-Therapie (DAPT) limitiert werden, stellt aber dennoch mit einer jährlichen Rate von 0,5-0,8 Prozent nach wie vor ein nicht zu vernachlässigendes Risiko dar. Um die Limitierungen unbeschichteter oder Medikamenten-beschichteter Stents zu überwinden, wurden bioabsorbierbare temporäre Gefässstützen, so genannte Scaffolds, entwickelt. Bioabsorbierbare Scaffolds lösen sich nach einigen Monaten auf. Sie sollen die Stentthromboserate reduzieren, eine kürzereDAP-Therapie erlauben und nach Absorption dem Gefäß seine physiologische Beweglichkeit (Vasomotion) zurückgeben. Chronische Entzündungsreaktionen können somit verhindert werden. Darüber hinaus bieten bioabsorbierbare temporäre Gefäßstützen eine verbesserte nicht-invasive Bildgebung durch beispielsweise Computertomographie oder Magnetresonanzdiagnostik und erleichtern damit die Planung chirurgischer oder interventioneller Reinterventionen des Zielgefäßes oder der Zielläsion.
Zur Herstellung bioabsorbierbarer Scaffolds wurden unterschiedliche Materialien entwickelt. Einige Hersteller verwenden Polymerverbindungen wie zum Beispiel Polylactide, chemisch aneinander gebundene Milchsäuremoleküle, die sich im Laufe von zirka zwei Jahren zu Wasser und Kohlendioxid auflösen. Einen anderen Ansatz stellen die absorbierbaren Magnesiumprothesen dar, die von der Firma Biotronik entwickelt worden sind. Magnesium ist ein körpereigenes Element, das nicht nur sehr verträglich für den menschlichen Organismus ist, sondern auch die mechanischen Eigenschaften von Polylactiden übertrifft. So hat zum Beispiel ein Scaffold aus Magnesium den Vorteil, dass es ähnlich einem permanenten Stent dilatiert werden kann. Die Polymerscaffolds müssen schrittweise aufgedehnt werden, um vorzeitigen Strebenbrüchen vorzubeugen. Nach ersten Studienergebnissen mit einer unbeschichteten Magnesiumprothese, dem so genanntenAMS(Absorbable Metal Scaffold) in den Jahren 2004 bis 2006, zeigte sich ein sehr gutes Sicherheitsprofil der Gefäßstütze, ohne Todesfälle, Myokardinfarkte oder Scaffoldthrombosen bis zu einem Jahr nach Implantation.
Jedoch konnte AMSnoch nicht die Wirksamkeit eines modernen DESzeigen. Die Restenoseraten waren zu hoch und erforderten einen prolongierten Absorptionsprozess, sowie die Beschichtung mit einem anti-proliferativen Medikament. Nach weiteren Entwicklungsschritten ist derzeit das mit Paclitaxel beschichtete Magnesiumscaffold (DRug-Eluting-Absorbable Metal Scaffold-DREAMS) in klinischer Erprobung. In der im Rahmen der DGK-Jahrestagung 2012 vorgestellten BIOSOLVE-I-Studie, einer prospektiven, multizentrischen First-in-man-Studie wurden 46 Patienten in fünf europäischen Zentren eingeschlossen. Der primäre Endpunkt der Studie war „Target Lesion Failure“ (TLF)-Rate, bestehend aus kardialen Todesfällen, Zielgefäß-Myokardinfarkt, und klinisch indizierter Revaskularisierungsrate sechs und zwölf Monate nach Implantation. Die Ergebnisse der Studie zeigten eine prozedurale Erfolgsrate von 100 Prozent mit sehr guten Implantationscharakteristika, guten abstützenden Eigenschaften sowie akuten Ergebnissen ähnlich denen eines konventionellen, permanenten Metallstents.
Die Halbjahresergebnisse bestätigen die hervorragende Sicherheit des Magnesiumscaffolds. Weder Todesfälle, noch Myokardinfarkte oder Scaffoldthrombosen waren zu verzeichnen. Ebenso zeigt sich mit einer TLR-Rate von 4,3 Prozent (zwei klinisch getriebenen Zielläsionsrevaskularisierungen) nach sechs Monaten eine erhebliche Verbesserung der Effizienz. Damit konnte die Revaskularizierungsrate von 23,8 Prozent mit dem unbeschichtetenAMSin der PROGRESS-Studie auf 4,3 Prozent mit dem DREAMS reduziert werden. Ebenso konnte der späte angiographische Lumenverlust von 1,08 mm nach vier Monaten mitAMSauf 0,64 mm nach sechs Monaten mit DREAMS gesenkt werden. Das Ziel des DREAMS, mit einer Verbesserung des Scaffolddesigns und Integration einer Paclitaxelelution eine Reduktion der Revaskularisationsrate bei gleichzeitiger Beibehaltung des sehr guten Sicherheitsprofils zu erreichen, wurde damit erfüllt. Darüber hinaus zeigte sich, dass das Gefäß mit Scaffoldimplantation in der Lage ist, nach Absorption seinen ursprünglichen Verlauf mit Gefäßbiegung und damit seine Beweglichkeit wiederzuerlangen. Die weitere Nachbeobachtung der Patienten über einen längeren Zeitraum wird zusätzliche Rückschlüsse über Effizienz und Sicherheit erlauben. Biotronik arbeitet aktuell an einer Weiterentwicklung, um insbesondere den späten Lumenverlust weiter zu reduzieren.