Die Patientenselektion für MitraClip ist altersabhängig, die Akutergebnisse dagegen sind es nicht – Vorläufige Ergebnisse aus dem Deutschen Mitralklappenregister (TRAMI-Register)
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Prof. Dr. Wolfgang Schillinger, Göttingen
Die Mitralklappeninsuffizienz ist der zweithäufigste Herzklappenfehler des Erwachsenen. Man unterscheidet degenerative Formen, bei denen das Klappensegel und die Sehnenfäden erkrankt sind, von funktionellen Formen, bei denen der Halteapparat der Klappe wie Klappenring, Papillarmuskeln und Herzwand betroffen sind. Die Mitralklappenchirurgie hat in den vergangen Jahrzehnten große Fortschritte bei Klappen-erhaltenden Operationen der Mitralklappe gemacht und hohe Standards erreicht. Trotzdem wird jeder 2. bis 3. Patient mit einer schweren, symptomatischen Mitralinsuffizienz der Operation nicht zugeführt. Gründe hierfür sind eine eingeschränkte linksventrikuläre Funktion, relevante Begleiterkrankungen und insbesondere ein fortgeschrittenes Lebensalter. Aufgrund steigender Lebenserwartung und steigendem Alter der Bevölkerung wird die Mitralklappenchirurgie diese Behandlungslücke in den kommenden Jahren voraussichtlich nicht schließen.
Seit wenigen Jahren hat sich das MitraClip-Verfahren (Abbott Vascular), eine Katheter-gestützte Methode am schlagenden Herzen, zur Behandlung der Mitralinsuffizienz etabliert. EVEREST II, eine kontrollierte, randomisierte Studie mit 279 Patienten, hatte das Clip-Verfahren mit der klassischen Chirurgie verglichen und eine höhere Eingriffssicherheit des Clips bei allerdings geringerer Effizienz gefunden. In EVEREST II waren jedoch vorwiegend mäßig betagte Patienten mit niedrigem Risiko und guter linksventrikulärer Funktion eingeschlossen. Hochbetagte Patienten oder Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Funktion und funktioneller Mitralinsuffizienz, also Patienten, die häufig der Operation nicht zugeführt werden und bei denen der Nutzen der Chirurgie weniger gut belegt ist, waren jedoch unterrepräsentiert. Eine Subgruppenanalyse von EVEREST II hatte aber eine vergleichbare Effizienz des Clips im Vergleich zur Chirurgie gerade bei diesen Untergruppen an Patienten, insbesondere auch bei den Älteren, impliziert.
Aus diesem Grund haben wir den Einfluss des Patientenalters auf Basischarakteristika und akute Behandlungsergebnisse von Patienten aus dem Deutschen Mitralklappenregister (TRAMI-Register) untersucht, die mit MitraClip behandelt worden waren. Bis Oktober 2011 wurden 475 mit MitraClip behandelte Patienten in das Deutsche Mitralklappenregister eingeschlossen. In diesem Kollektiv haben wir altersabhängige Subgruppenanalysen demographischer Daten sowie periprozeduraler und intrahospitaler Ergebnisse durchgeführt. 229 Patienten (48,2%) waren 76 Jahre oder älter, 246 Patienten waren jünger. Der logistische EuroScore I der älteren Patienten lag höher (27% vs. 20%, P < 0,0001). Der Anteil an Frauen war größer (48,0% vs. 33,3%). In der Gruppe der älteren Patienten war der Anteil an Patienten mit schwer eingeschränkter linksventrikulärer Ejektionsfraktion < 30% (23,6% vs. 43%, P < 0,0001) oder funktioneller Mitralinsuffizienzen (58,5% vs. 74,2%, P < 0,001) geringer. Der Anteil an Patienten mit Vorhofflimmern (51,1% vs. 32,6%, P < 0,0001) und koronarer Herzerkrankung (87,0% vs. 74,1%, P < 0,01) war größer. Weitere signifikante Komorbiditäten wie kardiovaskuläre Vor-Operationen, schwere Niereninsuffizienz, pAVK, früherer Apoplex oder schwere COPD waren ohne signifikante Unterschiede. Als Grund für die nicht-chirurgische Intervention wurde bei den Älteren signifikant häufiger das Alter (78,0% vs. 43,5%, P < 0,0001) angegeben. Weitere häufig genannte Gründe wie Gebrechlichkeit, Hochrisiko oder Patientenwunsch waren ohne signifikante Unterschiede. Die intraprozedurale Mortalität war in beiden Gruppen 0,0% und der Anteil an nicht erfolgreichen Prozeduren (Konversion zu offener OP, Abbruch, schwere residuale Insuffizienz) gering (≥ 76 Jahre 5,4%, < 76 Jahre 7,2%, n.s.). Die intrahospitale MACCE (Tod, Myokardinfarkt, Apoplex) war in beiden Gruppen gering (1,9% vs. 4,2%, n.s.) und der Anteil an Patienten mit nicht-schwerer Mitralinsuffizienz bei Entlassung in beiden Gruppen vergleichbar (92,9% vs. 90,2%, n.s.).
Somit fand eine altersabhängige Patientenselektion für MitraClip statt. Jüngere Patienten litten häufiger an funktioneller Mitralinsuffizienz und schwer eingeschränkter linksventrikulärer Funktion. Das Alter selbst war in der Gruppe der Älteren der häufigste Grund für die Allokation zu dem perkutanen Verfahren. Ältere Patienten hatten ein vergleichbar gutes Akutergebnis nach MitraClip wie jüngere Patienten.
Weltweit wurden bis Januar 2012 zirka 4000 Patienten an 164 Zentren in 22 Ländern mit MitraClip behandelt, die Hälfte aller Patienten an deutschen Zentren. MitraClip wurde 2008 in Deutschland eingeführt und wird momentan an 61 deutschen Kliniken angeboten. Deutschland ist daher weltweit führend in der Katheter-basierten Therapie der Mitralinsuffizienz. Die führenden deutschen Zentren sind Hamburg-UKE mit weit über 200 sowie Göttingen-UMG, Hamburg-St. Georg, München-DHZ und Bernau-Herzzentrum mit jeweils mehr als 100 Behandlungsfällen. Das Deutsche Mitralklappenregister stellt mit 475 erfassten Behandlungsfällen aus 15 deutschen Zentren das weltweit bedeutendste Industrie-unabhängige Register zur Beurteilung der Sicherheit und Effektivität der MitraClip-Therapie dar. Es wurde im Jahre 2010 zur Sammlung von Daten von Patienten initiiert, die sich in Deutschland einem interventionellen Eingriff wegen einer Mitralinsuffizienz oder -stenose unterzogen haben. Es untersucht Sicherheit und Effizienz dieser Eingriffe und steht allen deutschen Zentren offen, die diese Eingriffe durchführen. Es umfasst einen retrospektiven und einen prospektiven Teil. Der prospektive Einschluss begann im August 2010. Das Follow-up findet nach 30 Tagen, einem, drei und fünf Jahren statt. Der retrospektive Teil umfasst Behandlungen zwischen Januar 2009 und Juli 2010.