DZHK: Kardiomyopathien
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Statement von Prof. Dr. Hugo A. Katus / Heidelberg
Kardiomyopathien sind eine heterogene Gruppe schwerwiegender Erkrankungen des Herzmuskels, die sich durch Störungen der mechanischen beziehungsweise elektrischen Funktion des Herzens manifestieren und zu Herzinsuffizienz und plötzlichem Herztod führen können. Mehr als ein Drittel aller Fälle von Herzinsuffizienz und jede zweite Herztransplantation sind ursächlich auf eine Kardiomyopathie zurückzuführen. Kardiomyopathien können als endogene Erkrankung, das heißt ohne erkennbare Ursache oder auch infolge von Bluthochdruck, Herzinfarkten, koronarer Herzerkrankung oder bei systemischen Erkrankungen wie Amyloidose oder erblichen Stoffwechselerkrankungen auftreten. Die dilatative Kardiomyopathie führt beispielsweise zu einer massiven, krankhaften Erweiterung der Herzkammern mit Verringerung der Wanddicke und entsprechendem Verlust an Pumpkraft des Herzens. Als krankhafte Verdickung der linken Herzkammer imponiert die „Hypertrophische Kardiomyopathie“. Darüber hinaus werden auch eine Reihe angeborener Ionenkanalerkrankungen wie das „Brugada-Syndrom“ oder das „Long-QT-Syndrom“ zu den Kardiomyopathien gezählt. Hier sind durch genetische Mutationen die Ionenkanäle, die als Poren in der Zellmembran für die Rhythmusbildung im Herzen verantwortlich sind, gestört. Dadurch kommt es zu Störungen des Herzrhythmus und unter Umständen – wie bei allen Kardiomyopathien – zum plötzlichen Herztod.
Familiäre Häufungen und Ergebnisse der medizinischen Genomforschung der letzten Jahre belegen eine starke genetische Komponente, die je nach Form der Kardiomyopathie 30 bis 80 Prozent der Erkrankungen begründet. Mittlerweile wurden mehr als 50 Krankheitsgene identifiziert. Zusätzlich beeinflusst aber – neben zahlreichen äußeren Einflussgrößen – die individuelle Gesamtkonstellation des Genoms den Zeitpunkt des Krankheitsausbruchs, den Verlauf, die Prognose und sogar die Form der Kardiomyopathie. Dies zeigt sich dadurch, dass Familien, in denen mehrere Personen die gleiche Genmutation tragen, trotzdem völlig unterschiedliche Formen, Schweregrade und Verläufe von Kardiomyopathien zeigen können. Neben der genetischen Prädisposition ist auch die Bedeutung viraler Infektionen sowie Autoimmunerkrankungen als Krankheitsursache nachgewiesen und eine wichtige verlaufsbestimmende Determinante der Erkrankung. Insgesamt bedeuten Kardiomyopathien aufgrund der Schwere der Symptomatik und des chronischen Verlaufs eine große Belastung für die Lebensqualität der betroffenen Patienten, ihrer Angehörigen sowie für das gesamte sozioökonomische System.
Trotz intensiver Forschung sind die Ursachen und Entstehungsmechanismen der Kardiomyopathien bis heute nur ansatzweise verstanden. Kardiomyopathien sind bis heute unheilbar, und es stehen lediglich symptomatische Therapiekonzepte mit etablierten Herz-Kreislauf-Medikamenten zur Verfügung. Kausale Therapien stehen bisher im Rahmen der klinischen Routinetherapie nicht zur Verfügung und wurden bisher nur im Tierversuch und in wenigen klinischen Pilotstudien durchgeführt.
Vor diesem Hintergrund besteht ein dringender Bedarf an wissenschaftlicher Forschung, um die Diagnostik der Kardiomyopathien zu verbessern und neue Therapiekonzepte zu entwickeln. Dazu wurde im Rahmen des DZHK die interdisziplinäre, standortübergreifende Programmgruppe „Hereditäre und inflammatorische Kardiomyopathien“ gegründet, die exzellente Wissenschaftler aus der klinischen und Grundlagenforschung zusammenführt. Die Programmgruppe wird von Prof. Dr. Hugo A. Katus (Heidelberg), als international anerkanntem Experten auf dem Gebiet der Kardiomyopathien, geleitet. Darüber hinaus beteiligen sich renommierte Experten aus Berlin (Prof. Dr. Carsten Tschöpe, Prof. Dr. Norbert Hübner), Göttingen (Prof. Dr. Lars Maier), Greifswald (Dr. Lars R. Herda), Hamburg/Kiel/Lübeck (Prof. Dr. Norbert Frey, Dr. Lucie Carrier) und München (Prof. Dr. Dr. Stefan Engelhardt) an den wissenschaftlichen Projekten.
Die Programmgruppe 2 hat sich zum Ziel gesetzt, die genetischen, epigenetischen und viralen beziehungsweise inflammatorischen Ursachen der Kardiomyopathien zu erforschen. Außerdem sollen komplexen molekularen Signalwege untersucht werden, die auf Proteinebene von den genetischen, epigenetischen und viralen Ursachen letztlich zu den klinischen Krankheitsbildern führen. Innovative diagnostische und therapeutische Konzepte wie zum Beispiel Gewinnung und Erforschung patientenspezifischer, pluripotenter Stammzellen, „engineered heart tissue“ oder Gentherapien runden das Forschungskonzept ab. Die Stammzellen der Patienten können zum Beispiel in Herzmuskelzellen differenziert werden. Somit können an diesen Zellen diagnostische und therapeutische Untersuchungen durchgeführt werden, ohne dem Patienten Herzmuskelgewebe entnehmen zu müssen, das darüber hinaus auch nur sehr kurzzeitig in Kultur lebensfähig ist. Neben klinischen High-end-Technologien zur Verbesserung der klinischen Diagnostik werden modernste Hochdurchsatzverfahren wie „Next Generation“-Sequenzierung zur Analyse der genetischen und epigenetischen Ursachen eingesetzt. Mit Next-Generation-Sequenzierung können in kürzester Zeit und zu immer niedrigeren Kosten ganze Patientengenome oder bestimmte Genbereiche gezielt auf krankheitsrelevante Mutationen beziehungsweise Veränderungen untersucht werden. Virusbasierte Genfähren (AAV-Vektoren) werden genutzt, um gezielt bestimmte Gen- oder Proteinfunktionen – bisher hauptsächlich noch im Tiermodell – zu verstärken oder zu unterdrücken. Dazu kommen funktionelle Tiermodelle wie Zebrafisch, Maus, Ratte und auch humanrelevante Großtiermodelle wie das Schwein zum Einsatz. Der Zebrafisch, der in frühen Stadien transparent ist und dessen Herzfunktion direkt im Lichtmikroskop erkennbar ist, eignet sich hervorragend, um in kurzer Zeit die Bedeutung von bestimmten Genen beziehungsweise Genveränderungen zu untersuchen. Das Schwein eignet sich besonders gut für Gentherapieuntersuchungen, da es in der Herzfunktion und im Stoffwechsel dem Menschen sehr ähnlich ist. Für den einzelnen Patienten soll mit Hilfe der Forschungsergebnisse eine Verbesserung der Diagnostik und eine genauere Vorhersage des klinischen Verlaufs erreicht werden. Fernziel sind molekulare Therapien, die die derzeit rein symptomatische Therapie unterstützen oder ersetzen wird.
Kontakt:
Prof. Dr. Hugo A. Katus
Universitätsklinikum Heidelberg
Innere Med. III, Kardiologie, Angiologie u. Pneumologie
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 56-8670
Fax: 06221 56-5516
E-Mail: hugo.katus@med.uni-heidelberg.de