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Pressemitteilung DGK

Herzkreislauf-Medizin: Umgang mit der Zukunft – Entwicklung interventioneller Möglichkeiten

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Statement von Prof. Dr. Ellen Hoffmann / München

Ich freue mich, Ihnen heute als Tagungspräsidentin der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, einen Einblick, aber auch einen Ausblick auf die interventionellen Möglichkeiten und deren Entwicklung geben zu können. Das Hauptthema der Tagung „Interventionelle kardiovaskuläre Therapie“, das mir sehr am Herzen liegt, wurde maßgeblich von der Programmkommission gestaltet. Sie finden in diesem Programm mit großer Gewissheit ein Stück Zukunft – nämlich zukunftsweisende Forschungsergebnisse und neue Konzepte zur Weiterentwicklung interventioneller Therapieverfahren.

Durch Forschung und Fortschritt haben sich die interventionellen Möglichkeiten in den letzten Jahren rasant entwickelt. Die Anstrengungen, die unternommen werden, um die Entwicklung voranzutreiben, kommen dem Patienten unmittelbar zu Gute. Der Patient steht im Mittelpunkt von Forschung und Fortschritt. Der plötzliche Herztod kann heute mittels moderner Defibrillatoren abgewendet werden, und Ursachen können, wie in diesem Fall, interventionell mittels Herzkatheter behoben werden.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Kardiologie haben zu einer Reduktion der Mortalität um 70 Prozent innerhalb der letzten 30 Jahre geführt. Hier ist exemplarisch der 1993 erbrachte Nachweis der Überlegenheit der primären PCI gegenüber der Lyse bei Myokardinfarkt zu nennen. Der erste interne Defibrillator wurde 1980 implantiert und 1994 der erste biventrikuläre Schrittmacher bei Herzinsuffizienz.

Bei schwerer Herzinsuffizienz kommt es häufig zu Störungen des Reizleitungssystems. Das führt zur dyssynchronen Kontraktion der Herzkammern und kann bei herzschwachen Patienten zur weiteren Leistungseinschränkung führen. Mit einer zusätzlichen dritten Sonde kann die Erregung resynchronisiert und somit die Symptomatik des Patienten und die Morbidität gebessert werden. Telemonitoring-Verfahren haben sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und bieten uns heute die Möglichkeit, neben dem Herzrhythmus auch Informationen über die Hämodynamik via Datenleitung online zu übermitteln. Dies trägt dazu bei, die Therapie frühzeitig anzupassen und somit unnötige Krankenhausaufenthalte zu verhindern.

Neue Entwicklungen im Bereich der CRT-Therapie sind auf dem Vormarsch. Mehrpolige linksventrikuläre Sonden können die Resynchronisation durch Auswahl des optimalen Stimulationsorts verbessern. Neue Technologien, um drahtlos im linken Ventrikel ohne zusätzliche Sonde zu stimulieren, sind zwar noch nicht verfügbar, befinden sich jedoch in klinischer Erprobung und könnten vielleicht in Zukunft den Schrittmacherbereich revolutionieren.

Dass Herzschrittmacher und Defibrillatoren die Sterblichkeit senken, ist seit Jahren bekannt. Ganz besonders ältere Menschen mit schwerer Aortenklappenstenose und mit Komorbiditäten, für die eine herzchirurgische Therapie nicht in Frage kommt, können von der transkutanen kathetergeführten Aortenklappenimplantation (TAVI) profitieren. Diese Patienten, die zuvor keine Behandlungsperspektive hatten verbunden mit einer schlechten Prognose, kann durch eine Katheterintervention wieder eine gute Lebensqualität und eine verlängerte Lebenszeit gegeben werden. Auf dem ACC-Kongress wurden Ende März die erste Daten zur Mortalität über zwei Jahre nach TAVI gegenüber dem konventionellen herzchirurgischen Ersatz veröffentlicht (PARTNER A Trial, ACC 2012). Nach zwei Jahren ist die TAVI gleichwertig mit dem herzchirurgischen Ersatz hinsichtlich Mortalität, Besserung der Symptome und verbesserter Hämodynamik. Und es gilt wie bei allen invasiven Verfahren: Je erfahrener das durchführende Zentrum, desto geringer die Mortalität. Doch es gab in der TAVI-Gruppe mehr paravalvuläre Lecks, und dies war bei den Patienten mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Hier besteht weiter Bedarf, das Verfahren zu optimieren. Aktuell wird die kathetergeführte Aortenklappenimplantation nur bei Patienten durchgeführt, die wegen hohen Alters oder Begleiterkrankungen für eine offene Herz-OP ein sehr hohes Risiko aufweisen oder gar nicht dafür geeignet sind. Die Zukunft wird zeigen, ob das Verfahren auch für Patienten geeignet ist, die weniger Risikofaktoren aufweisen.

Der Umgang mit der Zukunft und der Umgang mit diesen innovativen, interventionellen Verfahren setzen einen rationalen, effizienten Einsatz voraus. Neben Kosteneffektivitätsanalysen und qualitätssichernden Maßnahmen hat die evidenzbasierte Medizin (EBM) einen hohen Stellenwert. Evidenzbasierte Medizin bedeutet, in die klinische Entscheidung neben der individuellen Expertise die beste externe Evidenz unter Berücksichtigung der Patientenpräferenz einfließen zu lassen. Die Sicherheit und der Nutzen für den Patienten, der Akut- und Langzeit-Erfolg müssen besonders gut nachgewiesen werden. Das wird durch den konsequenten Einschluss der Patienten in klinische Studien und Register gesichert.

Auch bei der Ablation von Herzrhythmusstörungen schreitet die Entwicklung interventioneller Verfahren unaufhörlich voran. Die Ablation von Vorhofflimmern ist die bahnbrechende Entdeckung und Weiterentwicklung der letzten Jahre. Neue Kathetertechniken können die Effizienz und Sicherheit erhöhen. Neue Ablationskatheter helfen dabei, den Anpressdruck zu überwachen, visuell geführte Verfahren wie die Laserballon-Ablation müssen noch zeigen, wie sicher und effektiv sie in einem Real-world-Szenario sind. Der Cryoballon als neues Ablationsverfahren ist bereits etabliert in der Anwendung. Durch die Entwicklung des simultanen zirkulären Mappingkatheters konnte das Verfahren weiter verbessert werden. Dieses neue Verfahren wird derzeit in der kontrollierten Studie „Fire and Ice“ unter der Leitung von Prof. Dr. Karl-Heinz Kuck und in der Registerstudie „FREEZE Cohort Study“ unter meiner Leitung mit dem Standardverfahren der Radiofrequenzablation verglichen und überprüft.

Wenn es um Sicherheit geht, ist auch die Visualisierung der Anatomie durch kardiale Bildgebung und 3D-Mapping-Verfahren bei der Ablation von Herzrhythmusstörungen von Bedeutung, um Komplikationen zu vermeiden. Die Rotationsangiografie ermöglicht die genaue Planung der Ablation. Neue integrative 3D-Verfahren, die in die konventionelle Durchleuchtung eingebunden werden können, erleichtern die anatomische Vorstellung mit dem Ziel, Strahlung einzusparen.

Der Fortschritt in der Kardiologie, auch der Fortschritt in der interventionellen Kardiologie, kann die Sterblichkeit senken und ist damit von Grund auf positiv. Mit neuer Sondentechnologie kann die CRT-Ansprechrate weiter verbessert werden und mit dem Defibrillator der plötzliche Herztod verhindert werden. Die evidenzbasierte Medizin ist insbesondere in der Kardiologie Grundlage für die effiziente, rationale Anwendung der Verfahren, ermöglicht die Abwägung zwischen Kosten und Nutzen und ist ein wichtiger Baustein der modernen Medizin. Interventionelle Verfahren sind in stetiger Weiterentwicklung – allen voran der perkutane Aortenklappenersatz und die Ablation von Vorhofflimmern.

Kontakt:
Prof. Dr. Ellen Hoffmann
Städt. Klinikum München GmbH, Herzzentrum München-Bogenhausen
Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin
Englschalkinger Str. 77
81925 München
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E-Mail: ellen.hoffmann@klinikum-muenchen.de