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Neue Leitlinien für die Infarkt-Behandlung

Vom 11. – 13. Oktober 2012 findet in Hamburg die Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) statt

Hamburg, Freitag, 12. Oktober 2012 – Die Europäische Kardiologengesellschaft (ESC) hat kürzlich eine neue Leitlinie zur Behandlung von Patienten mit einem Herzinfarkt mit Hebung der ST-Strecke (STEMI) präsentiert. Diese bringen keine grundlegend neue Empfehlungen, aber doch wichtige neue Einzelaspekte bei den Empfehlungen zur Diagnose und Therapie des Herzinfarktpatienten.

Aufgrund typischer Veränderungen im EKG unterscheidet man bei Herzinfarkten zwischen STEMI und Non-STEMI, wobei der STEMI das schwerere Ereignis ist und in der Regel durch einen kompletten Verschluss eines Herzkranzgefäßes verursacht wird. Pro Jahr werden in Europa jährlich 60 bis 70 von 100.000 Menschen wegen STEMI in ein Krankenhaus aufgenommen. Die Krankenhaussterblichkeit von STEMI-Patienten liegt zwischen vier und sechs Prozent, wenn ein Patient in einem gut funktionierenden Netzwerk in einem Zentrum mit Katheter-Labor behandelt wird, und 14 bis 16 Prozent in einem Zentrum ohne Katheter-Labor.

Frühzeitige Diagnose und Behandlung von STEMI bleibt Kernforderung der neuen Empfehlungen

„Oberstes Ziel ist es bei Patienten mit STEMI, das verschlossene Gefäß möglichst frühzeitig wieder zu öffnen, entweder mechanisch mittels Katheter oder medikamentös mittels Fibrinolyse. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die ESC-Arbeitsgruppe nochmals die zeitlichen Ziele bestätigt“, so Prof. Dr. Christian Hamm (Direktor der Abteilung für Kardiologie an der Kerckhoff Klinik in Bad Nauheim und der Medizinischen Klinik 1 des Universitätsklinikums Gießen). „Die Methode der Wahl in der Akutbehandlung des STEMI ist die primäre PCI, bei der mittels Herzkatheter die Durchblutung des Herzmuskels wiederhergestellt wird. Je früher diese Behandlung zum Einsatz kommt, desto größer sind die Chancen, dass das Herz den Infarkt mit nur geringem Schaden übersteht. Die frühzeitige Diagnose und Behandlung von STEMI ist deshalb eine Kernforderung.“

Organisation von lokalen STEMI-Netzwerken mit Ambulanzen und Krankenhäusern

Die neuen Leitlinien fordern die Organisation von lokalen STEMI-Netzwerken. Diese bestehen aus einem Ambulanz-Service und Krankenhäusern mit PCI Bereitschaft. Diese Netzwerke sollen eine PCI in den zeitlichen Vorgaben ermöglichen“, erklärt Prof. Dr. Christian Hamm. „Neu ist eine Empfehlung zum Einsatz des Herz-Ultraschalls in der primären Diagnostik. Diese soll immer dann erfolgen, wenn man die entsprechende Ausrüstung zur Verfügung hat, darf die weitere Behandlung jedoch nicht aufhalten.“

Vom ersten medizinischen Kontakt eines Patienten bis zur EKG-Diagnose maximal zehn Minuten und innerhalb von 90 Minuten Katheter-Intervention

Vom ersten medizinischen Kontakt eines Patienten bis zur EKG-Diagnose sollten gemäß den neuen Richtlinien maximal zehn Minuten vergehen. Ist die Diagnose STEMI einmal anhand des EKG gestellt, so richtet sich das weitere Vorgehen nach der Verfügbarkeit eines geeigneten Katheter-Labors. Wenn möglich sollte ein Patient in einem entsprechend eingerichteten Zentrum innerhalb von 90 Minuten einer Katheter-Intervention unterzogen werden. Bei sehr frühem Infarktbeginn ( < 2 Stunden) und großen Vorderwand-Infarkten sollte das Intervall unter 60 Minuten liegen. Nur wenn diese Zeitvorgaben nicht eingehalten werden können, sollte innerhalb von 30 Minuten eine medikamentöse Therapie zur Auflösung des Blutgerinnsels begonnen werden (Fibrinolyse). In Deutschland mit seinem dichtem Netz an Herzkatheterlaboren sollte dies die absolute Ausnahme sein, die die erfolgsrate der Fibrinolyse deutlich niedriger ist und das Risiko von Hirnblutungen ein Prozent beträgt.

Kommt es infolge des Infarktes zu einem Herzstillstand, so empfehlen die neuen ESC-Leitlinien nach der Reanimation erstmals die therapeutische Hypothermie („Herunterkühlen“) des Patienten. Neu ist auch die Empfehlung, alle reanimierten Patienten mit Verdacht auf STEMI so schnell wie möglich zu angiographieren.

Empfehlungen für das Vorgehen im Katheterlabor

Bei der primären PCI wird der Gebrauch von Medikamenten-freisetzenden Stents (sog. Drug-eluting Stents) empfohlen, außer wenn der Patient ein erhöhtes Blutungsrisiko hat und eine längerdauernde duale Plättchenhemmung ein erhöhtes Risiko darstellt. Wenn entsprechende Erfahrung vorhanden ist, sollte der Zugang über die Arm- (Arteria radialis) und nicht über die Beingefäße bevorzugt werden. Die Absaugung des Gerinnsels (Thrombus-Aspiration) wird bei hoher Thrombuslast empfohlen.

Für alle Patienten wird eine duale Plättchenchemmung empfohlen, wobei Aspirin und ein ADP-Rezeptorblocker zum Einsatz kommen sollen. Hinsichtlich der verfügbaren Substanzen wird differenziert: Prasugrel wird empfohlen bei Patienten, die noch kein Clopidogrel erhalten haben, weniger als 75 Jahre alt sind und keinen Schlaganfall in der Anamnese aufweisen. Ticagrelor kann bei allen Patienten zum Einsatz kommen. Clopidogrel soll dann verwendet werden, wenn weder Prasugrel oder Ticagrelor verfügbar sind, was in Deutschland nicht der Fall ist. Zur Gerinnungshemmung wird Bivalirudin als Mittel der ersten Wahl empfohlen.

Neue medikamentöse Behandlung nach der Entlassung aus dem Krankenhaus

Die aktuellen ESC-Leitlinien geben auch detaillierte Empfehlungen für die medikamentöse Behandlung der Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus. Die duale Anti-Plättchen-Therapie mit Aspirin und einem oralen Plättchenaggregations-Hemmer soll bis zu zwölf Monate fortgesetzt werden. Beta-Blocker müssen jetzt nicht mehr allen Patienten gegeben werden, sind aber angezeigt, wenn der Patient infolge seines Infarkts eine Herzinsuffizienz oder Dysfunktion der linken Herzkammer davongetragen hat.

Nach einem STEMI wird die Gabe von hochdosierten Statinen bei allen Patienten schon vor der Cholesterinbestimmung empfohlen. In der Nachbehandlung wird eine intensive Therapie mit Senkung des LDL Cholesterins unter 70 mg/dl gefordert. ACE-Hemmer (oder Sartane) sind großzügig einzusetzen und indiziert, wenn eine Herzinsuffizienz, linksventrikuläre systolische Dysfunktion, Diabetes oder ein Vorderwandinfarkt vorliegen. Aldosteronantagonisten sollen zum Einsatz kommen, wenn die Auswurffraktion weniger als 40 Prozent beträgt, eine Herzinsuffizienz oder ein Diabetes mellitus vorhanden sind und der Patient nicht unter Nierenversagen oder Hyperkaliämie leidet.

Prof. Hamm: „Selbstverständlich empfehlen die Guidelines auch eine Veränderung des Lebensstils. Das betrifft besonders das Rauchen. Nach einem Herzinfarkt ist Nikotinabstinenz in jedem Fall und unbedingt anzustreben.“

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Prof. Dr. Michael Böhm (Pressesprecher, Homburg/Saar)

Kerstin Kacmaz (Pressestelle, Düsseldorf)

Melissa Wilke (Pressestelle, Düsseldorf)

 

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8000 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter www.dgk.org.