Vom 11. – 13. Oktober 2012 findet in Hamburg die Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) statt
Hamburg, Freitag, 12. Oktober 2012 – „Das zunehmende Auftreten von Aorten-Erkrankungen rührt vor allem daher, dass Menschen mit den entsprechenden Risikofaktoren, vor allem Bluthochdruck, heute dank der besseren Behandlungsmöglichkeiten länger leben“, sagt Prof. Dr. Christoph Nienaber (Herzzentrum der Universitätsmedizin Rostock) auf einer Pressekonferenz der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Jahrestagung der Arbeitsgruppe Rhythmologie. Von Donnerstag bis Samstag werden in Hamburg 2000 aktive Teilnehmer erwartet.
Der hohe Blutdruck führt bei entsprechender Veranlagung zu einer Erweiterung des Gefäßes, die auch mit einer Schwächung der Gefäßwand einhergeht – bei älteren, aber auch jüngeren Patienten. Grundsätzlich gilt aber: Je älter die betroffenen Hypertoniker werden, desto größer ist die Gefahr, dass es zu Problemen mit der Aorta kommt. Diese äußern sich meist in Form des akuten Aortensyndroms. Prof. Nienaber: „Das bedeutet nicht nur die klassische Aortendissektion, also der Einriss des Gefäßes, sondern auch mehrere Vorstufen dieses akut lebensbedrohlichen Ereignisses. So kann es zu einem intramuralen Hämatom kommen, einer Einblutung in den Bereich zwischen der inneren und der äußeren Gefäßwand.“ Auch die Bildung von Ulzera (Geschwüren) in der Hauptschlagader ist möglich.
Patienten bemerken solche Ereignisse in der Regel durch eine Vielzahl von Symptomen, wobei Schmerzen im Vordergrund stehen. Prof. Nienaber: „Schmerz in der Brust, der in den Rücken oder in den Bauch ausstrahlen kann, ist ein klassisches Zeichen. Es gibt aber auch eine Reihe weiterer Anzeichen, die nicht so typisch und daher auch nicht immer leicht zu erkennen sind.“ Von der Aorta zweigen nämlich alle Arterien ab, die die verschiedenen Organe mit Blut versorgen. Je nach der Lokalisation kann eine Aorten-Erkrankung daher unter anderem Symptome eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls oder einer akuten Darm- oder Nierenerkrankung verursachen. Selbst Schmerzen im Bein sind infolge einer Aorten-Erkrankung möglich „Das kann die Diagnose in manchen Fällen ziemlich schwierig machen. Was insofern doppelt problematisch ist, als die Symptome in der Regel erst auftreten, wenn es sich bereits um eine Dissektion und damit um einen akuten Notfall handelt.“
Als Untersuchungsmethoden zur Diagnose einer Aorten-Erkrankung werden entweder der Ultraschall oder die Darstellung der Gefäße mittels Computertomographie (CT-Angiographie) empfohlen. Prof. Nienaber: „Das kann innerhalb von Minuten geschehen und ist in der Notfallambulanz eines gut strukturierten Hauses auch immer verfügbar. Alle bildgebenden Methoden sind dazu gleich gut geeignet, eine invasive Untersuchung mittels Katheter ist heute nicht mehr erforderlich. Voraussetzung für die Diagnose ist natürlich, dass jemand in die richtige Richtung denkt und Spürsinn entwickelt. Deshalb müssen wir die Kollegen aus anderen Fächern für dieses Problem sensibilisieren. Es muss sich herumsprechen, dass es an der Aorta liegen kann, wenn plötzlich das Bein schmerzt. Lange Umwege müssen bei dieser Erkrankung vermieden werden.“ Ist die Diagnose einmal gestellt, sollte der schnellstmögliche Transfer in ein Krankenhaus der Maximalversorgung – im Idealfall mit Aorten- beziehungsweise Herzzentrum – erfolgen.
Die Behandlung von Aorten-Erkrankungen ist nämlich alles andere als simpel und in vielen Fällen auch nicht ungefährlich. Liegt der Defekt im aufsteigenden Teil der Aorta, also im dem Herzen am nächsten gelegenen Bereich, so ist das die Domäne des Herzchirurgen. In einer offenen Operation unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine wird das schadhafte Stück der Schlagader durch eine Prothese ersetzt. Selbst in den besten Zentren versterben bei dieser Operation mehr als 20 Prozent der Patienten. Doch die Operation ist in den meisten Fällen die einzige Chance – eine unbehandelte Dissektion der Aorta führt in den meisten Fällen mit Sicherheit zum Tod.
Da dieser große Eingriff bei sehr alten oder kranken Patienten nicht machbar ist, wurden in den vergangenen Jahren auch Stent-Techniken für diesen Bereich der Aorta entwickelt. Prof. Nienaber: „Das ist bei manchen sehr alten Patienten eine Alternative, kommt aber nur in ausgewählten Fällen zum Einsatz. Das muss im Einzelfall im Konsens zwischen Kardiologen und Chirurgen entschieden werden.“
Liegt der Aortendefekt im absteigenden Bereich des Gefäßes, vom Herzen weiter entfernt, so wird zunächst eine konservative Therapie versucht. Man versucht dabei vor allem, mit Medikamenten den Blutdruck besser zu kontrollieren. Das führt allerdings nicht immer zum Erfolg. „Verschlechtert sich der Zustand eines Patienten, hat er starke Schmerzen oder treten Probleme mit der Durchblutung von Organen auf, so wird der Defekt mittels Stent versorgt. Das heißt, der Eingriff erfolgt über einen Katheter, der in das Gefäß geschoben wird, Bauch oder Brustkorb müssen nicht geöffnet werden“, erklärt Prof. Nienaber.
Allerdings verlangt die Implantation eines Stents in der Aorta ein hohes Maß an Expertise, Logistik und Erfahrung. Prof. Nienaber: „Da benötigt man ein funktionierendes Netzwerk mit spezialisierten Zentren, denen die Patienten zugewiesen werden.“
Eine offene Frage ist jedoch, wie weit auch Patienten, die gegenwärtig nur medikamentös behandelt werden, eine solche Stent-Versorgung erhalten sollten. Gegenwärtig mehren sich die Hinweise, dass die rein medikamentöse Therapie mittelfristig nicht den gewünschten Erfolg bringt. „Wir sammeln dazu Daten und es weist einiges darauf hin, dass auch diese sogenannten unkomplizierten Fälle von einer inneren Schienung der Aorta mittels Stent profitieren“, so Prof. Nienaber.
Insgesamt haben sich die Behandlungsergebnisse in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Während heute die Sterblichkeit bei einer stabilen Erkrankung der unteren Aorta bei sechs Prozent pro Jahr liegt, waren es vor 20 Jahren noch 18 Prozent. Prof. Nienaber: „Auch die medikamentöse Therapie ist besser geworden, weil man die Patienten konsequenter behandelt und vor allem regelmäßig mittels Bildgebung nachsieht, ob es zu einer Verschlechterung gekommen ist.“
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Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit mehr als 8000 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter www.dgk.org.