Der Anteil der Herzkrankheiten an allen Krankheiten nimmt kontinuierlich ab – Statement von Dr. Ernst Bruckenberger / Hannover über spezifische Trends in seinem „Herzbericht 2010“
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Der Anteil der Herzkrankheiten an allen Krankheiten nimmt kontinuierlich ab /
Abnahme der Sterblichkeit bei den ischämischen Herzkrankheiten und Zunahme bei den Klappenkrankheiten /
Die PCI’s verdrängen vermehrt die Koronaroperationen /
Die TAVI eröffnen einen neuen aggressiven Markt
Statement von Dr. Ernst Bruckenberger / Hannover
über spezifische Trends in seinem „Herzbericht 2010“
Der 23. Herzbericht für das Berichtsjahr 2010 bietet eine europaweit einmalige aktuelle sektorenübergreifende Versorgungsanalyse zur Kardiologie und Herzchirurgie in Deutschland. Er umfasst 258 Seiten im A4-Format mit 272 farbigen Abbildungen und 117 Tabellen. Neben einem umfangreichen Überblick über die aktuelle Situation und die Entwicklung der stationären Morbidität und der Mortalität ausgewählter Herzkrankheiten nach Geschlecht und Altersgruppen wird die Angebots- und Leistungsstruktur der Kardiologie und der Herzchirurgie im Jahr 2010 und deren Veränderung seit 1980 ausführlich dargestellt. Der eindeutige Trend zu den schonenderen therapeutischen Eingriffen wird zahlenmäßig eindeutig untermauert. Umfangreiche Trend- und Versorgungsanalysen auf Landes- und Kreisebene ermöglichen informative Vergleiche. Die Gastbeiträge befassen sich diesmal schwerpunktmäßig mit verschiedenen Aspekten der kardiologischen Rehabilitation. Ein Dreiländervergleich zur Kardiologie in Deutschland, Österreich und der Schweiz bildet den Abschluss.
Patienten- und Leistungszunahme als Folge der Demografie
Vollstationäre Fälle 2009 (2008)
Während die Zahl aller vollstationär behandelten Fälle in Deutschland 2009 gegenüber dem Vorjahr um +2,0 % zugenommen hat, ist die Zahl der Fälle mit den ausgewählten Herzkrankheiten gegenüber dem Vorjahr nur um +1,0 % angestiegen. Dabei ist die Zahl der Fälle mit ischämischen Herzkrankheiten um
-2,7 % (akuter Herzinfarkt -1,2 %) gesunken, während die Zahl der Fälle mit Klappenkrankheiten um 6,8 %, mit Herzrhythmusstörungen um 4,4 %, die Zahl der Fälle mit Herzinsuffizienz um 3,7 % und die Zahl der Fälle mit angeborenen Fehlbildungen um 1,2 % angestiegen ist.
Kardiologie 2010 (2009)
Im Jahre 2010 (2009) wurden in Deutschland insgesamt 853 Linksherzkatheter-Messplätze für Erwachsene vorgehalten, das sind 42 beziehungsweise 5,2 % mehr als im Vorjahr. Damit wurden 881.514 (+1,9 %) Linksherzkatheter-Untersuchungen und 325.872 (+5,1 %) PCI‘s durchgeführt, bei denen 281.031 (+3,9 %) Stents gelegt wurden. Der Anteil der Medikamenten-freisetzenden Stents (DES) lag bei rund 46 %. Zusätzlich gab es 2010 55.326 elektrophysiologische Untersuchungen und 44.607 Ablationen.
Herzchirurgie 2010 (2009)
In den 79 herzchirurgischen Zentren wurden im Jahr 2010 (2009) insgesamt 98.577 (+0,01 %) Operationen am Herzen und den herznahen Gefäßen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine (HLM) durchgeführt. Pro eine Million Einwohner ergab dies 1.193 Operationen. Es wurden 55.993 (-4,3 %) Bypass-Operationen, 25.127 (+6,7 %) Klappenoperationen und 5722 (+7,6 %) Operationen angeborener Herzfehler erbracht. Zu diesen „klassischen“ Herzoperationen kamen weitere 11.735 (+4,8 %) sonstige Operationen, darunter 6768 (+7,5 %) Eingriffe der thorakalen Aortenchirurgie.
Der Anteil der Herzkrankheiten an allen Krankheiten nimmt laufend ab
Der Anteil der stationären Fälle mit den ausgewählten Herzkrankheiten an allen stationären Fällen ist in Deutschland von 2000 bis 2010 von 8,94 % auf 8,39 % gesunken. Gleiches gilt für die Gestorbenen. Hier ist von 2000 bis 2010 sowohl die Mortalität bei den ausgewählten Herzkrankheiten von 304,3 auf 267,7 pro 100.000 Einwohner, als auch der Anteil der Gestorbenen an allen Gestorbenen von 29,8 % auf 25,5 % gesunken.
Der Anteil der stationären Fälle mit einem akuten Herzinfarkt an allen stationären Fällen ist in Deutschland von 2000 bis 2007 von 0,91 % auf 1,25 % angestiegen und bis 2010 auf 1,14 % gesunken. Der Anteil der am akuten Herzinfarkt Gestorbenen an allen Gestorbenen ist von 2000 bis 2010 kontinuierlich von 8,5 % auf 6,0 %, gesunken.
Die Sterblichkeit sinkt bei den ischämischen Herzkrankheiten und nimmt bei den Klappenkrankheiten deutlich zu
Die Sterblichkeit pro 100.000 Einwohner bei den ischämischen Herzkrankheiten ist in Deutschland von 2000 bis 2010 von 203,8 auf 162,8 gesunken. Sie schwankte 2009 zwischen den Bundesländern von 136,0 in Baden-Württemberg bis 271,2 in Sachsen-Anhalt. Die Sterblichkeit bei den Klappenkrankheiten ist in Deutschland von 2000 bis 2010 von 9,8 auf 16,2 angestiegen. Sie schwankte 2009 zwischen den Bundesländern von 8,5 in Schleswig-Holstein bis 22,3 im Saarland.
Die Leistungsverdichtung bei der stationären Behandlung der Herzkrankheiten nimmt zu
Die Zahl der Linksherzkatheter-Untersuchungen pro 100 vollstationären Fällen mit Herzkrankheiten hat in Deutschland seit 2000 um 51,4 %, die der PCI’s um 84,6 % zugenommen. Demgegenüber hat die Zahl der Herzoperationen um
-2,4 % abgenommen.
Reduktion der Herzinfarktsterblichkeit durch CPU bisher nicht nachgewiesen
Wenn die Reduktion der Infarktsterblichkeit das Hauptanliegen für die Errichtung der Chest Pain Units (CPU) wäre, müssten sie eigentlich im Interesse der betroffenen Patienten vor allem dort errichtetet werden, wo die Sterbeziffer des akuten Herzinfarktes vergleichsweise besonders hoch ist.
Dem ist aber eindeutig nicht so. In 57 beziehungsweise 67,9 % der 84 Kreise, in denen bis 15.07.2011 eine der 122 CPU errichtet wurde, liegt die altersbereinigte Sterbeziffer für den akuten Herzinfarkt bereits jetzt teilweise deutlich unter dem Bundesdurchschnittswert. Nur in 27 Kreisen beziehungsweise 32,1 % liegt sie darüber.
PCI’s verdrängen in allen Altersgruppen die Koronaroperationen
Von 2004 bis 2010 ist bei den über 18-jährigen Einwohnern in Deutschland die Zahl der Linksherzkatheter-Untersuchungen pro 1 Mio. Einwohner um 21,9 %, die Zahl der PCI’s um 29,6 % angestiegen, der Vergleichswert bei den isolierten Koronaroperationen ist um 27,2 % gesunken. Der Anstieg bei den PCI’s pro 1 Mio. Einwohner von 2004 bis 2009 betrifft jede Altersgruppe, mit Abstand jedoch am stärksten die Altersgruppe der über 80-Jährigen mit 66,9 %. Die isolierten Koronaroperationen pro 1 Mio. Einwohner nahmen in diesem Zeitraum in allen Altersgruppen ab, am stärksten in der Altersgruppe der 60-bis-70-Jährigen mit 34,1 %, in der Altersgruppe der über 80-Jährigen um 13,0 %.
Die TAVI eröffnen einen neuen aggressiven Markt
Die Zahl der Eingriffe im Rahmen der isolierten Aortenklappenchirurgie hat seit 2006 von 11.589 auf 16.528 beziehungsweise 42,6 Prozent zugenommen. Die konventionelle Aortenklappenchirurgie hat dabei 2008 mit 12.397 Eingriffen den bisherigen Höhepunkt erreicht und geht seither zurück. Demgegenüber hat die neue Methode der Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) mit einer Steigerung von 93 auf 4839 Eingriffen deutlich zugenommen. Von den 79 herzchirurgischen Zentren wurden dabei an 64 Zentren 3629 beziehungsweise 75 % (2008 = 91,1 %) aller TAVI durchgeführt. Die restlichen 1210 beziehungsweise 25,0 % (2008 = 8,9 %) der TAVI entfielen auf 29 sonstige Krankenhäuser. 2010 entfielen bereits 29,3 % (2006 = 0,8 %) der gesamten isolierten Aortenklappenchirurgie auf die TAVI.
Kontakt:
Dr. Ernst Bruckenberger, Hannover
Tel.: 0511 / 57 45 53
Fax: 0511 / 20 35 685
E-Mail: ernst@bruckenberger.de
Internet: www.bruckenberger.de
Zum Verfasser: Geboren 1940 in Gmunden/Oberösterreich. Studium der Rechtswissenschaften, Promotion, Tätigkeit in der Industrie und in der Sozialversicherung (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt Linz). Von 1971 bis 1979 wissenschaftlicher Berater und Gutachter beim Deutschen Krankenhausinstitut e.V., Düsseldorf, Institut in Zusammenarbeit mit der Universität Düsseldorf. Von 1979 bis Anfang 2004 Referatsleiter für Krankenhausplanung, -finanzierung und -bauplanung im Niedersächsischen Sozialministerium. Leitender Ministerialrat a. D., Lehrbeauftragter der Medizinischen Hochschule Hannover. Gutachter-, Experten- und Vortragstätigkeit. Literatur: „Planungsanspruch und Planungswirklichkeit im Gesundheitswesen“ (1978) und „Dauerpatient Krankenhaus“ (1989) und E. Bruckenberger, S. Klaue, H.-P. Schwintowski; „Krankenhausmärkte zwischen Regulierung und Wettbewerb“ (Springer, 2005). Zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge über die Krankenhausfinanzierung und
-planung, die Abstimmung beim Einsatz medizinisch-technischer Großgeräte, die Kooperation zwischen Krankenhäusern und Reha-Einrichtungen, die Auswirkungen des DRG-Systems, die Probleme der Mindestmengenregelung und eine bundesweite jährliche sektorenübergreifende Gesundheitsberichterstattung zur Kardiologie und Herzchirurgie („Herzberichte“).
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine gemeinnützige wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit heute mehr als 7800 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter www.dgk.org.